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NFL 2024: Das sind die größten Training-Camp-Duelle

Four Downs: Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Wilson oder Fields? Wer beschützt Mahomes? Das sind die größten Training-Camp-Duelle

Duellieren sich um die Starter-Position in Pittsburgh: Russell Wilson und Justin Fields

Duellieren sich um die Starter-Position in Pittsburgh: Russell Wilson und Justin Fields Getty Images

Pittsburgh Steelers: Quarterback

Der Status quo in Pittsburgh ist kein Geheimnis. Offensive Coordinator Arthur Smith benutzte vor einigen Wochen den exakt gleichen Ausdruck, den Head Coach Mike Tomlin im März verwendet hatte, als die Steelers die beiden Quarterbacks verpflichtet hatten: Pole Position. Russell Wilson ist in der Pole Position und Stand jetzt wäre es eine Überraschung, würde er nicht als Starter in Week 1 auflaufen.
"Beide Jungs wussten das, als sie verpflichtet wurden. Ich denke, da waren wir ziemlich transparent", fügte Smith jüngst hinzu, aber mit Blick auf das anstehende Training Camp stellte er gleichzeitig auch klar: "Es ist ein Wettbewerb. Wenn das Training Camp beginnt, wird die ganze Sache hitziger werden, da bin ich mir sicher."

Es ist eine unerwartete und gleichermaßen spannende Situation. Pittsburgh hat sich nach dem gescheiterten Kenny-Pickett-Experiment fraglos verbessert - aber dass die Steelers mit zwei Quarterbacks, die beiden legitime Starter-Ambitionen haben, ins Camp gehen würden, das war zu Beginn der Offseason nicht absehbar.

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Spannend ist dieses Team-interne Duell auch deshalb, weil beide Quarterbacks auf den ersten Blick nicht wie die Idealbesetzung für Arthur Smiths Offense daherkommen. Wilson ist notorisch bekannt dafür, dass er als Passer nicht gut über die Mitte des Feldes ist, und Fields ist einer der langsameren Passer ligaweit, was zu Timing Problemen führt. Wilson ist als Passer eindeutig besser, aber man hat die Grenzen in seinem Spiel letztes Jahr in Denver unter Sean Payton deutlich gesehen.

Fields ist eine Naturgewalt als Runner, aber um diesen Vorteil so auszuspielen, dass er Wilson übertrumpfen kann, müsste man die Offense auch maßgeblich um seine Rushing-Qualitäten aufbauen. Das für sich betrachtet halte ich für gut denkbar in Smiths Scheme, nicht umsonst gab es Gerüchte über einen Fields-Trade als Smith noch in Atlanta war. Aber es bringt wiederum andere Limitationen mit sich. Und überhaupt: Wie soll eine solche Offense vernünftig installiert werden, wenn der eigentliche Plan ist, mit Wilson als Starter in die Saison zu gehen?

Meine realistische Prognose ist, dass wir im Laufe der Saison beide Quarterbacks als Starter sehen werden. Und ich denke, dass Pittsburgh mit Fields und dem Run Game als zentrale Identität gefährlicher wäre. Für beide Quarterbacks ist es vielleicht die letzte Chance, um sich als Starter zu empfehlen. Und diese Chance beginnt mit dem Training Camp.

Baltimore Ravens: Right Tackle

Vier Spieler haben in der vergangenen Regular Season mehr als 750 Blocking Snaps für die Ravens gespielt. Drei davon sind nicht mehr im Team: Die Guards John Simpson und Kevin Zeitler haben Baltimore in der Free Agency genauso verlassen, wie Right Tackle Morgan Moses.

Für die beiden Guard-Positionen setzen die Ravens auf ihre eigene Tiefe. Andrew Vorhees, der letztes Jahr aufgrund eines Kreuzbandrisses im Draft gefallen war, gilt als eine favorisierte Option. Der 2021er Drittrunden-Pick Ben Cleveland als die andere. Cleveland absolvierte die letzten beiden Regular Season Spiele der vergangenen Saison bereits als Starter.

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Viele Alternativen hinter Vorhees und Cleveland gibt es nicht, sodass Baltimore vermutlich nochmal aktiv werden müsste, sollte sich hier im Camp Handlungsbedarf abzeichnen.

Der vakante Right-Tackle-Spot soll indes von einem Rookie besetzt werden: Zweitrunden-Pick Roger Rosengarten dürfte die erste Wahl sein. Mit Swing Tackle Patrick Mekari, dem riesigen Daniel Faalele und Neuzugang Josh Jones gibt es hier aber Alternativen. Rosengarten bringt mit seiner Athletik und Reichweite ein spannendes Skillset mit, aber er ist auch vergleichsweise klein für die Position. Wie gut kann er das als Rookie kompensieren?

Moses, der für die vergangenen beiden Jahre Baltimores Starter auf der rechten Seite war, war der Inbegriff von solidem Tackle Play. Kann Rosengarten daran anknüpfen? Er ist derjenige, der Baltimore durch seine Reichweite am ehesten strukturell neue Dinge ermöglichen könnte. Auch im Vergleich mit Moses.

Detroit Lions: Cornerback

Aus einer echten Schwachstelle der vergangenen Saison ist infolge einer aggressiven Offseason ein Überangebot geworden. Carlton Davis kam via Trade aus Tampa Bay, Terrion Arnold und Ennis Rakestraw wurden in den ersten beiden Runden gedraftet und Amik Robertson als Free Agent verpflichtet. Kindle Vildor, der in der vergangenen Saison die letzten fünf Spiele gestartet hat, könnte nur noch die Nummer 5 zum Start in die neue Spielzeit sein.

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Womöglich ist er sogar nur die Nummer 6, je nachdem, was genau der Plan für Brian Branch ist. Denn während die Lions viel in die Cornerback-Position investiert haben, hielt Detroit auf Safety die Füße eher still. Branch, der letztes Jahr 624 seiner 873 Defense-Snaps im Slot verbracht hat, könnte also eine leicht veränderte Rolle erhalten.

Denn: Durch den plötzlich tiefen Cornerback-Room gibt es auch für den Slot mehrere Alternativen. Gesetzt ist wohl nur Carlton Davis als Nummer 1 außen, wobei Arnold die besten Chancen auf den zweiten Outside-Corner-Spot haben dürfte. Sollte Rakestraw ihn ausstechen, könnte Arnold im Slot starten - oder alternativ könnte Rakestraw in den Slot gehen. Und auch Amik Robertson ist eher im Slot als Outside zuhause, hat bei den Raiders aber beides gespielt. Außerdem gibt es noch Emmanuel Moseley, wenn der wieder fit ist. Moseley hatte sich Anfang Oktober im zweiten Jahr in Folge das Kreuzband gerissen.

Die Lions versuchen, aus einer eklatanten Schwachstelle der Vorsaison eine Stärke zu machen. Dafür haben sie massive Ressourcen in ihre Secondary gesteckt. Jetzt bleibt abzuwarten, wie genau das fertige Produkt auf dem Platz aussieht.

C.J. Gardner Johnson von den Philadelphia Eagles

C.J. Gardner Johnson kehrt zu den Eagles zurück. Getty Images

Philadelphia Eagles: Secondary

Ähnlich wie Detroit haben auch die Eagles ihre Secondary einem ernsthaften - und dringend notwendigen - Facelift unterzogen.

Auch Philly draftete mit Quinyon Mitchell und Cooper DeJean zwei Cornerbacks in den ersten beiden Runden und holte mit C.J. Gardner-Johnson einen Starting-Safety zurück.

Wirklich gesetzt dürfte aus der Vorsaison nur Darius Slay sein, der sich mit seinen 33 Jahren aber auch im Spätherbst seiner Karriere als Nummer-1-Corner befindet. Safety Reed Blankenship könnte seinen Startplatz ebenfalls halten, hat jetzt mit Gardner-Johnson neben Sydney Brown aber weitere Konkurrenz.

Ansonsten scheint alles möglich zu sein. James Bradberry hat letztes Jahr die meisten Defense-Snaps aller Eagles-Spieler absolviert (1.090, kein anderer Spieler über 1.000), er wird aber womöglich nur noch eine untergeordnete Rolle spielen und könnte Philadelphia über den Sommer noch verlassen.

Dafür erhält Isaiah Rodgers derzeit jede Menge Hype. Rodgers hatte die vergangene Saison gesperrt verpasst, weil er etwa 100 Sportwetten unter einem Fake-Account abgeschlossen hatte. Jetzt ist er aber wieder spielberechtigt. Sollte Rodgers sich den zweiten Outside-Starting-Spot sichern, könnten Mitchell und DeJean erst einmal auf der Bank Platz nehmen. Vorausgesetzt, Avonte Maddox verteidigt seinen Platz im Slot.

Viele Optionen also für den neuen Defensive Coordinator Vic Fangio, der bei der Auswahl von Mitchell und DeJean mit Sicherheit eine Rolle gespielt hat. Wie auch bei den Lions sollte das Training Camp hier die Karten komplett neu mischen.

Dallas Cowboys: Left Tackle/Offensive Line

Viel wurde mittlerweile über die unerwartete Offseason der Cowboys geschrieben. Statt tatsächlich All-In zu gehen, wählte Dallas eine Strategie im Umgang mit den eigenen Säulen, die massiven Druck für die kommende Saison aufbaut. Gleichzeitig aber wurden Starter gehen gelassen und durch junge Spieler ersetzt.

Left Tackle ist das Paradebeispiel dafür. Statt Tyron Smith - der für überschaubares Geld bei den Jets unterschrieb - zu halten, draftete Dallas in der ersten Runde Tyler Guyton. Ein talentierter Tackle, der aber vermutlich Zeit brauchen wird.

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Eine wirkliche Veteran-Absicherung gibt es nicht, sodass das "Duell" hier eher so aussieht: ist Guyton bereit, um direkt zu starten? Falls nicht, könnte Tyler Smith nochmal raus rücken, dann müsste Dallas den Left-Guard-Posten anderweitig besetzen. Zusätzlich dazu hat Drittrunden-Pick Cooper Beebe eine reelle Chance, Tyler Biadasz zu beerben; auch der langjährige Starting Center der Cowboys durfte ohne direkten Nachfolger im Frühjahr gehen.

Sowohl Coach Mike McCarthy, als auch Quarterback Dak Prescott sind nicht dafür bekannt, schwache Lines gut zu kompensieren. Und für beide steht 2024 vermutlich viel auf dem Spiel. Die richtige Line-Kombination im Camp zu finden ist dafür essenziell.

Cincinnati Bengals: Nummer-3-Receiver

Die ersten beiden Receiver-Plätze sind in Cincinnati fest vergeben. Ja'Marr Chase ist die Nummer 1, und Tee Higgins, der seinen Franchise Tag mittlerweile unterschrieben hat, die Nummer 2.

Dahinter aber gilt es, die Rolle von Tyler Boyd neu zu besetzen. Und das ist keine kleine Rolle: Seit 2018 hatte Boyd in keiner Regular Season weniger als 80 Targets und nie weniger als 58 Catches. Boyd war dabei ein klar definierter Slot Receiver - auf seine gesamte Karriere betrachtet hat er über 80 Prozent seiner Pass Play Snaps im Slot verbracht, in den letzten vier Jahren waren es nie unter 84 Prozent. Und die Bengals haben Optionen für diesen Platz.

Trenton Irwin hat über die letzten beiden Jahre als Nummer 4 bereits einige Plays für diese Offense gemacht. Vorjahres-Viertrunden-Pick Charlie Jones wäre der logische, vorausschauend gepickte Kandidat, dessen Qualitäten sich gut im Slot machen würden.

Die spannendste Option aber sehe ich in einem diesjährigen Rookie: Jermaine Burton. Der Drittrunden-Pick ist ein aggressiver Route Runner, der, rein was das Talent angeht, auch gut eine Runde höher hätte gehen können. Er gilt als der nicht einfachste Typ, aber er kommt in einem starken, etablierten Locker Room in Cincinnati in eine gute Situation. Und er kommt in eine ideale Rolle, denn zum Start halte ich den Slot für seine beste Position, wo er direkt einen Impact haben kann. Perspektivisch - etwa wenn Higgins dann nach der Saison geht - könnte er im besten Fall die Nummer 2 hinter Chase werden.

All das ist Zukunftsmusik, erst einmal muss Burton zeigen, dass er ein Profi sein kann. Sportlich könnte er die Bengals, die sehr auf ihr Receiver Trio bauen, aber sogar noch gefährlicher machen.

Denver Broncos: Quarterback

In dieser Frage stecken mehrere Ebenen. War Bo Nix der Quarterback, den Sean Payton aktiv haben wollte? Oder war er als sechster Quarterback-Pick in der Top 15 des vergangenen Drafts mehr eine Art Notlösung, um nicht ohne Quarterback aus dem Draft zu gehen?

Je nachdem, wie man diese Frage beantwortet, öffnen sich auch verschiedene Szenarien. Wenn Nix eher die Marke "Wunschpick" war, wird er vermutlich auch früh spielen. Er bringt genug Erfahrung mit - Nix ist 24 Jahre alt und hat über 60 Starts im College vorzuweisen - und sollte sich vergleichsweise schnell zurechtfinden.

Für den Moment ist das meine Vermutung. Nix geht als Favorit ins Camp und die anderen - namentlich Zach Wilson und Jarrett Stidham - müssten ihn verdrängen. Gleichzeitig sehe ich den Rookie sportlich nicht so unantastbar, dass ein solches Szenario ausgeschlossen ist. Stidham sollte die Offense am besten kennen, er war letztes Jahr bereits in Denver und kam am Ende noch auf zwei Starts. Wilson, der kurz vor dem Draft aus New York kam, hat vermutlich das größte physische Talent des Trios.

Die Broncos werden im Camp und in der Preseason testen müssen, ob Nix mental bereit ist. Denn sein Spiel muss darauf aufgebaut sein, dass er schnell versteht, wo der Ball gegen welche Coverages hin muss. Macht er hier schnelle Fortschritte, sollte er der Week-1-Starter sein.

Los Angeles Chargers: Wide Receiver

Die große Chargers-Debatte vor Runde 1 des Drafts lautete: Tackle oder Wide Receiver? Tackle war die offensichtliche Präferenz des neuen Regimes, Receiver aber, nachdem man sich von Keenan Allen und Mike Williams getrennt hatte, die eindeutig größere Baustelle.

Nach dem Tackle in Runde 1 folgte dann immerhin prompt der Receiver, Ladd McConkey, in Runde 2, sowie zwei weitere Receiver spät an Tag 3. Nicht nur das sollte McConkey in die Pole Position für eine prominente Rolle bringen. McConkey ist ein guter Route Runner, ein dynamischer Underneath Receiver und kann zumindest stilistisch direkt in die Keenan-Allen-Rolle schlüpfen.

Doch selbst wenn man McConkey als sofortigen festen Starter einplant: Wer besetzt die anderen Receiver Spots?

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Quentin Johnston war ein Erstrunden-Pick im Vorjahr, doch nach einer enttäuschenden Rookie Saison wird ihm das nicht viele Vorschusslorbeeren einbringen. Umso weniger, da das neue Regime ihn nicht gepickt hat. Ich war kein großer Fan von Johnston vor dem Draft, doch es liegt auf der Hand, dass er als Rookie nicht ideal eingesetzt wurde. Johnston verbrachte fast 90 Prozent seiner Pass Play Snaps Outside, seine durchschnittliche Target Tiefe lag bei 13 Yards. Doch auch wenn er physisch die entsprechenden Attribute mitbringt: Johnston ist kein X-Receiver, zumindest ist das nicht sein primäres Skillset. Er ist besser mit dem Ball in der Hand, mehr eine Art großer Possession Receiver, und weniger der Ersatz für Mike Williams.

Johnstons Platz ist nicht in Stein gemeißelt, auch wenn die neuen Coaches bereits angedeutet haben, dass sie eine andere Rolle für ihn vorsehen. Das könnte die Tür für einen der großen Outside Receiver öffnen. Der neu verpflichtete DJ Chark, aber auch die beiden Siebtrunden-Picks Brenden Rice und Cornelius Johnson passen in dieses Profil. Nicht auszuschließen, dass einer der beiden ganz späten Picks im Laufe der Saison startet.

Las Vegas Raiders: Quarterback

Komplett werden wir nie wissen, wie genau der Quarterback Plan der Raiders für diese Offseason in einem idealen Szenario ausgesehen hätte. Aber wir wissen, dass die Quarterback-Besetzung, mit der die Raiders in die Saison gehen werden - also Aidan O'Connell und Gardner Minshew -, nicht das Ende des ursprünglichen Plans darstellte.

So viel verriet GM Tom Telesco nach dem Draft. Man habe sich mit einem Trade nach oben befasst, "wir hatten einen Plan, um hoch zu gehen, wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte".

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Sechs Quarterbacks gingen vom Board, ehe die Raiders an 13. Stelle pickten. Vielleicht wäre Michael Penix ein Raider, hätten die Falcons nicht die Liga überrascht - aber das ist natürlich reine Spekulation. Fakt ist: Der vom Interimscoach zum Head Coach beförderte Antonio Pierce, sowie Telesco selbst, der nach seiner Entlassung bei den Chargers vielleicht seine letzte GM-Chance erhalten hat, müssen darauf hoffen, dass Minshew oder O'Connell sich gut präsentiert.

Der neue Offensive Coordinator Luke Getsy hatte den Auswahlprozess Ende Mai so beschrieben: "Es geht um die Bewertung der gesamten Performance. Es geht darum, wie die Abläufe funktionieren, sicherzustellen, dass wir keine Turnover haben und um den Output."

All das sei ein "langer Prozess", und tatsächlich fühlt sich die Situation in Las Vegas sehr offen an. O'Connell übernahm letztes Jahr für Jimmy Garoppolo, der Vorjahres-Viertrunden-Pick kam auf insgesamt zehn Starts. Er hat also einen Vorteil was die Chemie mit den Mitspielern und insbesondere den Receivern angeht, Minshew auf der anderen Seite bringt deutlich mehr Erfahrung mit. Auch er kam letztes Jahr in Indianapolis aufgrund der Verletzung von Anthony Richardson auf viele Einsätze, und nach einigen wilden Spielen war Minshew im letzten Saisondrittel wieder der Game Manager, den vermutlich auch die Raiders in erster Linie sehen wollen.

O'Connell hat als Tag-3-Rookie positive Ansätze gezeigt, der Floor mit Minshew sollte aber deutlich stabiler sein. Und vermutlich steht das für das neue Regime erst einmal im Vordergrund.

Kansas City Chiefs: Left Tackle

Seit der Super-Bowl-Niederlage gegen die Bucs hat sich der Ansatz im Roster Building bei den Chiefs merklich verschoben. Die Offensive Line rückte deutlich mehr in den Fokus, mit spürbaren Auswirkungen.

Letztes Jahr allerdings war in dieser Hinsicht ein Rückschritt. Zwar investierte Kansas City weiter in seine Line, doch die Ergebnisse waren nicht wie erhofft: Jawaan Taylor hatte, obwohl er letztlich doch auf seiner angestammten rechten Seite bleiben durfte, enorme Probleme. Left Tackle Donovan Smith empfahl sich ebenfalls nicht für weitere Aufgaben.

Smith ist inzwischen weg, zwei Spieler werden direkt um den Starting-Left-Tackle-Posten konkurrieren: Wanya Morris, ein Drittrunden-Pick aus dem Vorjahr, der in der vergangenen Saison gut 300 Snaps mit überschaubarem Erfolg auf Left Tackle gespielt hat, und Zweitrunden-Rookie Kingsley Suamataia.

Suamataia war einst ein 5-Star-Recruit, der schnell von Oregon zu BYU wechselte und dort 2022 auf Right Tackle und 2023 auf Left Tackle gespielt hat. Ein exzellenter Athlet mit guten Movement Skills, der aber technisch - unter anderem in puncto Hand Placement und Timing - Zeit brauchen wird. Ich hatte ihn eher als Projekt auf dem Zettel, die Chiefs aber sind die Situation bislang so angegangen, als würden sie ihm zutrauen, direkt zu starten.

Die Interior Offensive Line ist nach wie vor eine Stärke. Taylor auf der rechten Seite muss schlichtweg besser spielen. Aber Left Tackle ist vor dem Start des Titelverteidigers ins Training Camp noch eine riesige Unbekannte.

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Die Quarterback-Duelle in Minnesota und New England

Bei beiden Teams scheint die Situation relativ ähnlich zu sein. Der jeweilige Rookie Quarterback - Drake Maye bei den Patriots und J.J. McCarthy bei den Vikings - soll erst einmal auf der Bank Platz nehmen. Nur falls er in der Saisonvorbereitung komplett überzeugt, wäre ein Week-1-Start eine realistische Option.

Die Alternative ist ein nur zu gut bekanntes Szenario: Der jeweils als Übergangslösung verpflichtete Routinier - Jacoby Brissett, beziehungsweise Sam Darnold - bekommt seine fünf bis zehn Starts, ehe das Ruder an den Rookie übergeben wird.

So weit, so ausgeglichen. Doch was keineswegs ausgeglichen ist, sind die Umstände der beiden jungen Quarterbacks. Dann während McCarthy in Minnesota in eine fantastische Situation kommt, mit einem Elite Receiver, einer starken Nummer zwei, einer guten Offensive Line und einem etablierten Play-Caller, hat Maye längst nicht so viel Unterstützung. Line und Receiver-Gruppe bringen noch massive Fragezeichen mit sich, genau wie der offensive Play-Caller. Dazu kommt die Tatsache, dass Brissett einen klar höheren Floor mitbringt als Darnold, was es den Coaches in New England erleichtern dürfte, Maye erst einmal raus zu halten.

Ob das ratsam ist? Das ist eine komplett andere Diskussion. Generell tendiere ich dazu, dass junge Quarterbacks spielen sollten, um Erfahrung zu sammeln und so besser zu werden. Es gibt dabei aber zwei klare Ausnahmen: wenn ein Quarterback ein klares mechanisches Defizit hat, an dem er arbeiten muss - oder wenn ein Quarterback in Umstände geraten ist, in denen er nachhaltig negative Eigenschaften entwickeln könnte. Ganz sicher bin ich noch nicht, aber beides könnte auf Maye bei den Patriots zutreffen.

Green Bay Packers: Offensive Line

Die Packers-Line fand sich letztes Jahr - und agierte dann auch in einer festen Besetzung. Josh Myers, Zach Tom, Elgton Jenkins und Jon Runyan spielten alle je über 1.000 Snaps, einzig Left Tackle Rasheed Walker verpasste diese Marke knapp: David Bakhtiari eröffnete die Saison als Starter, spielte aber nur eine Partie. Außerdem kam Yosh Nijman auf knapp 200 Snaps auf der linken Seite.

Aus der Gruppe insgesamt sind Bakhtiari, Nijman und Runyan nicht mehr an Bord, Runyans Starting-Guard-Posten muss also in erster Linie ersetzt werden. Erstrunden-Pick Jordan Morgan ist sicher als Starter eingeplant - aber wo?

In den OTAs gab es keinen klaren Hinweis: Morgan kam auf beiden Tackle-Spots und auf Guard zum Einsatz. Morgan selbst sagte bereits, dass er es "allen beweisen werde", die daran zweifeln, dass er Left Tackle spielen kann. Im College bei Arizona war das seine Position, doch aufgrund der geringen Armlänge dürften einige Teams ihn als Guard auf ihrem Board gehabt haben.

Green Bays Offensive Coordinator Adam Stenavich ließ im Mai auch wenige Schlüsse zu. Morgan fühle sich außen wohl, "ich freue mich sehr darauf, mit ihm zu arbeiten. Ich würde nicht sagen, dass er ein Tackle oder ein Guard ist. Ich will sehen, wo er am besten hin passt und wie wir unsere besten fünf Spieler aufs Feld bringen."

Zu diesen fünf Spielern sollte Morgan gehören, und die Packers haben in der Vergangenheit gezeigt, dass kürzere Arme für sie keineswegs ein Tackle-Ausschlusskriterium sind. Zumal Morgan mit seiner Athletik eine echte Verstärkung für das Run Game der Packers darstellen kann - vielleicht noch mehr außen als innen.

Adrian Franke

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