Bundesliga

"Max, du hast mehr Erfahrung" - "Und du mehr Titel": Krösche und Eberl im großen kicker-Interview

Die beiden Verantwortlichen bei Frankfurt und Leipzig blicken gen Berlin

"Max, du hast mehr Erfahrung" - "Und du mehr Titel": Krösche und Eberl im großen kicker-Interview

Sind dem DFB-Pokal beim "Cup Handover" im Roten Rathaus in Berlin bereits nahe gekommen: Frankfurts Markus Krösche (li.) und Leipzigs Max Eberl.

Sind dem DFB-Pokal beim "Cup Handover" im Roten Rathaus in Berlin bereits nahe gekommen: Frankfurts Markus Krösche (li.) und Leipzigs Max Eberl. IMAGO/Beautiful Sports

Am vergangenen Montag waren Markus Krösche, Sportdirektor von Eintracht Frankfurt, und Max Eberl, Sport-Geschäftsführer von RB Leipzig, beim sogenannten "Cup Handover" im Roten Rathaus bereits in Berlin. Und sie nahmen sich eine Stunde Zeit, um im Gespräch mit dem kicker über das anstehende DFB-Pokalfinale zwischen der SGE und RBL am Samstag (20 Uhr, LIVE! bei kicker) zu sprechen, über die Unterschiedlichkeit der beiden Klubs, über ihre Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga und die Attraktivität des Fußballs.

Herr Krösche, Herr Eberl, wie beurteilen Sie die sportliche Ausgangssituation vor dem Pokalfinale?

Krösche: In dem Spiel haben beide Mannschaften die gleiche Chance. Sicherlich ist es so, dass wir durch das letzte Jahr Final-Erfahrung gesammelt haben, genauso Leipzig. Wir in der Europa League, sie im DFB-Pokal. Es kommt darauf an, dass du eine gute Tagesform hast.
Eberl: Es ist bewundernswert, was Frankfurt die letzten Jahre geleistet hat und wie viele Erfolge sie feiern konnten. Frankfurts Mannschaft hat sich durch die K.-o.-Spiele entwickelt und verfügt über eine große Routine. Aber ein Finale ist ein Finale. Wie Markus gesagt hat: Es kommt auf die Tagesform und die Umstände an. Qualität haben beide Teams, es wird ein spannendes Spiel auf Augenhöhe.

RB und die Eintracht haben gezeigt, dass ihnen Spiele im K.-o.-Modus besonders liegen. Warum ist das so?

Eberl: Wenn man wie Leipzig in fünf Jahren viermal das Pokalfinale erreicht, ist das kein Zufall, das ist die Qualität der großartigen Arbeit, die hier geleistet wurde. Markus sitzt ja hier neben mir, daher ist die Konstellation schon etwas verrückt (schmunzelt). Er war zwei Jahre bei RB dabei und hat großen Anteil an dieser Entwicklung. Erfahrung in K.-o.-Spielen ist ein ganz wichtiger Faktor.
Krösche: Das stimmt. Wenn du die Geschichte von Eintracht Frankfurt siehst mit dem DFB-Pokal-Sieg 2018, dem Halbfinal-Einzug in der Europa League 2019 und dem Triumph im vergangenen Jahr: Die Mannschaft wächst damit! Das ist eine Erfahrungssache, dass du dich in den K.-o.-Spielen zu 100 Prozent fokussieren kannst. Das hat einerseits mit der Mentalität der Spieler grundsätzlich zu tun, aber auch mit der ganz speziellen Herangehensweise des Klubs an diese Spiele. Dann entwickelt sich so etwas. Das ist in Leipzig ähnlich mit den Champions-League-Spielen.
Eberl: Ich habe Frankfurt beim 3:2-Sieg im Pokal-Halbfinale in Stuttgart angeschaut. Sie kommen zurück und ziehen das Ding - nicht überlegen, aber verdient. Das kannst du, wenn du diese Spiele einfach kennst. Und das ist mit Leipzig genauso.

Stimmen Sie der These zu, dass RB die Saison nach der Champions-League-Quali krönen will? Und für die Eintracht geht es darum, die Saison zu retten?

Krösche: Nein, ich wehre mich gegen das Wort 'retten'. Natürlich sind wir in der Liga nicht zufrieden und haben in der Rückrunde zu wenige Punkte geholt. Auf der anderen Seite sind wir in unserer ersten Champions-League-Saison ins Achtelfinale (gegen Italiens Meister Neapel; Anm. d. Red.) gekommen, haben die Europa Conference League sicher, stehen im Pokalfinale. Der Pokalsieg wäre ein Riesenerfolg, und wir wären doch noch für die Europa League qualifiziert. Das Spiel hat also großen Einfluss, deshalb ist es doppelt wichtig.
Eberl: Was uns betrifft, stimmt die These (lacht).
Krösche: Ich muss hier richtig ausholen und du sagst nur: Stimmt (lacht).
Eberl: Bei uns war das Jahr sehr aufregend. Beginnend mit dem Pokalsieg, dem ersten Titel in der jungen Vereinsgeschichte, was zeigte: Du kannst gewinnen, du kannst Titel! Das ist extrem wichtig. Dann gehst du in eine neue Saison, stehst im Herbst auf Tabellenplatz 11 und wechselst den Trainer. Es gab die Suche eines neuen Sportchefs, dann die Geschichte mit Oliver Mintzlaff, der in die Konzernspitze von Red Bull aufgestiegen ist. Einen Spieltag vor Schluss gewinnst du dann beim FC Bayern, bist Dritter und hast die Champions League sicher. Parallel hatten wir großartige Pokalspiele gegen Dortmund und in Freiburg. Ich finde, dass diese besondere Saison mit einem möglichen Pokalsieg gekrönt werden kann.

Ich denke, dass es eine Heimspielatmosphäre geben wird.

Markus Krösche über die erwarteten 50.000 Eintracht-Fans in Berlin

Ist der Druck durch die Konstellation für die Eintracht größer?

Krösche: Wir haben letztes Jahr das Europa-League-Finale gespielt und waren zu diesem Zeitpunkt Elfter in der Bundesliga. Von daher kein besonderer Druck, wir kennen das. Es werden wieder 50.000 Fans mitkommen. Jeder kann sich erinnern, was letztes Jahr in Barcelona passiert ist. Das ist ein wichtiger Faktor.
Eberl: Dass ihr letztes Jahr die Europa League gewonnen habt, zeigt: Frankfurt kann auch Titel. Von dem her wird es ein superspannendes Finale.

Max Eberl

Viele, viele Jahre in Gladbach tätig, ein Gesicht der Bundesliga - und nach einer Pause seit Dezember 2022 Sport-Geschäftsführer von RB Leipzig: Max Eberl. IMAGO/Eibner

Wenn 50.000 Frankfurter kommen, wird nicht mehr viel Platz für die Leipziger Fans bleiben. Ist es ein Heimspiel für die Eintracht?

Eberl: Beide Klubs haben jeweils etwa 24.000 Karten als offizielles Kontingent zur Verfügung gestellt bekommen, und unseres war nach wenigen Stunden vergriffen. Natürlich haben wir eine jüngere Historie als Eintracht Frankfurt, aber wir haben in den letzten Jahren eine große Euphorie entstehen lassen. Ja, Frankfurt wird in Überzahl sein, sie sind ein Stück weit routinierter im Organisieren von Tickets (schmunzelt). Aber die Präsenz, die wir haben werden, ist auch bemerkenswert.
Krösche: Wir sind ja dafür bekannt, dass wir Auswärtsspiele zu Heimspielen machen. Gar nicht immer direkt im Stadion, sondern um das Spiel herum. In der Stadt wird man das Gefühl haben, dass Eintracht Frankfurt ein Heimspiel hat. Diese Spiele als Klub und Umfeld so anzunehmen und so zu zelebrieren, das können wir. Ich denke, dass es eine Heimspielatmosphäre geben wird.

Der Traditionsverein gegen den aufstrebenden Retortenklub. Welche Rolle spielt es, dass am Samstag zwei Fußballwelten aufeinandertreffen?

Krösche: Auf dem Platz gar keine. Es geht darum, eine gute Leistung zu zeigen - egal gegen welchen Gegner. Aber es ist natürlich klar, dass das für das Umfeld ein Thema ist. Das ist ganz normal, wenn zwei unterschiedliche Ansätze aufeinandertreffen.

Wie gehen Sie als ehemaliger Angestellter von RB denn mit der Haltung der Basis in Frankfurt um?

Krösche: Die zwei Jahre in Leipzig waren sehr erfolgreich für den Klub und auch mich persönlich, und ich habe dort auch viel mitgenommen. Trotzdem: Ich bin jetzt bei einem großartigen Traditionsverein und ich respektiere die Meinung der Fans und ihre Einstellung dazu.
Eberl: Axel Hellmann (Vorstandssprecher der Eintracht; Anm. d. Red.) hat es in einem Interview sehr gut gesagt: Es geht nicht darum, den Klassenkampf auszurufen. Es treffen tolle Vereine aufeinander. Dass es Menschen gibt, die unseren modernen und innovativen Ansatz schätzen und andere sich eher als Traditionalisten begreifen, das kann ich nachvollziehen. Jede Meinung soll auch akzeptiert werden. Wir sind jetzt seit 14 Jahren dabei, unsere eigene Geschichte zu schreiben, und haben eine tolle Entwicklung genommen.

Markus Krösche

Kennt beide Klubs im DFB-Pokalfinale bestens: Markus Krösche, ehemaliger Sportdirektor bei RB Leipzig und seit Juni 2021 Sportvorstand von Eintracht Frankfurt. IMAGO/Kessler-Sportfotografie

In einer im Dezember veröffentlichten repräsentativen Beliebtheitsstudie zur Bundesliga landete Frankfurt auf Rang 3 und Leipzig immerhin auf Platz 8. Ist das ein Beleg für eine zunehmende Akzeptanz von RB?

Eberl: Das finde ich schon. Bei Kindern und Jugendlichen sind unsere Umfragewerte noch deutlich besser. Leipzig hat in der Art des Fußballs und in der Art, wie Transfers getätigt wurden, großartige Arbeit geleistet. Kompliment noch mal dafür an dich, Markus. Daran muss ich mich irgendwann messen lassen. Wie wir Fußball spielen in Kombination damit, wie sich der Verein präsentiert - beispielsweise beim Thema Nachhaltigkeit, Fannähe oder soziales Engagement -, führt dazu, dass die Beliebtheit wächst. Vielleicht nicht bei den Hardcore-Traditionalisten, aber doch bundesweit bei den Menschen, die sich für Fußball interessieren.

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Im Vorjahr hat der SC Freiburg mit seinem Entschluss, einen gemeinsamen Fanschal zum Pokalfinale gegen Leipzig abzulehnen, ein großes Echo ausgelöst. Warum wurde das Thema zwischen Ihnen so schnell beerdigt?

Eberl: Es war mit Frankfurt zwischen Johann Plenge (Geschäftsführer RB Leipzig; Anm. d. Red.) und Axel Hellmann sehr klar von Anfang an besprochen, dass wir gemeinsam entscheiden, daraus kein großes Thema zu machen. Ich finde das sehr vernünftig. Der Sport sollte im Mittelpunkt stehen.

Wie sehen Sie im Nachgang ihr Wirken in Leipzig, Herr Krösche? Wie viel Krösche steckt noch in RB?

Krösche: Man muss aufpassen, das nicht zu personifizieren. Sicher hat die eine oder andere Personalie gut funktioniert. Aber das war ja nicht nur ich, das Scouting-Team war mit dabei, es waren Klubentscheidungen. Da haben alle einen guten Job gemacht.

Als Sie 2021 nach Frankfurt wechselten, mussten Sie André Silva per Ausstiegsklausel ziehen lassen. Warum konnte er bei RB nie an seine Leistungen bei der Eintracht anknüpfen?

Krösche: Das kann ich schwer sagen. In Frankfurt war das Spiel extrem auf ihn zugeschnitten. Mit Filip Kostic (inzwischen bei Juventus; Anm. d. Red.) war ein Spieler da, der viel und stark geflankt hat. Das in der Box zu verwerten, ist eine Stärke von André. Sicher hat Leipzig einen anderen Ansatz, deutlich variabler und flexibler.
Eberl: André Silva hat auch unter dem Saisonstart gelitten. Tatsächlich hätten auch wir ihn gerne häufiger in der Box gehabt, wo er seine Qualitäten zum Abschluss bringt, aber wie Markus sagt, ist unser Ansatz ein anderer. Wir sind sehr spielerisch. Wenn er dann zu Chancen kam, hatte er nicht diese Selbstsicherheit wie in Frankfurt. Aber André hat eine hohe Qualität und ist ein Top-Charakter. Er kann unheimlich wertvoll für ein Team sein und ist ein wichtiges Mitglied unserer Mannschaft.

Silva gilt als Verkaufskandidat. Ist eine Rückholaktion denkbar?

Krösche: Es war so klar, dass die Frage kommt … (schmunzelt). Wir haben gute Stürmer.

Wir sind groß geworden auf dem Bolzplatz oder stehen jetzt an der Seite, um etwas in der Hand zu haben.

Max Eberl über seinen Wunsch, den Titel im DFB-Pokal zu holen

Wie haben Sie beide sich eigentlich kennengelernt?

Krösche: Wir hatten 2018 das erste Mal direkten Kontakt. Ich war damals Sportdirektor in Paderborn, und es ging um die Ausleihe des Gladbachers Kwame Yeboah. Für mich gab es als junger Sportdirektor ein paar Vorbilder, wo du sagst: Die machen das gut. Dazu gehörte natürlich auch Max, deshalb hatte ich seinen Weg schon lange verfolgt. Über die Zeit hat es sich entwickelt, dass wir immer wieder in Kontakt stehen. Wir sind auf einer guten Wellenlänge, auch wenn Max deutlich mehr Erfahrung hat.
Eberl: Du hast dafür deutlich mehr Titel (schmunzelt).

Ist das der große Malus in Ihrer Vita?

Eberl: Es ist kein Malus für mich, aber es fehlt tatsächlich noch, etwas zu gewinnen. Ich bin zufrieden, wenn ich auf meine Vita schaue, aber als Titel steht da nur der deutsche B-Jugend-Meister mit Bayern München. Selbst mit Gladbach sind wir nur als Zweiter aufgestiegen (lacht).

Überwiegt die Titelsehnsucht oder die Vorfreude aufs erste Pokalfinale?

Eberl: Ich war mit Gladbach viermal im Halbfinale, daher ist die Vorfreude extrem groß. Ich möchte die ganze Atmosphäre als Beteiligter spüren und fühlen, aber natürlich auch den Pokal gewinnen. Das wäre nicht nur für den Verein großartig, sondern auch für mich persönlich. Einen Verein zu entwickeln, Spieler zu transferieren, das ist alles super und Kern unseres Tuns. Aber tatsächlich sind wir groß geworden auf dem Bolzplatz oder stehen jetzt an der Seite, um etwas in der Hand zu haben.

Markus Krösche (li.) und Max Eberl

Kennen und schätzen sich: Markus Krösche (li.) und Max Eberl. IMAGO/Matthias Koch

Herr Krösche, Sie haben mit der Europa League den ersten großen Titel gewonnen. Was hat sich dadurch verändert?

Krösche: Die Wahrnehmung des Klubs hat sich verändert - auch international, weil wir Champions League gespielt haben. Und verändert hat sich auch die Erwartungshaltung, gerade in einem Umfeld wie Frankfurt. Ich bin von einem Journalisten vor der Saison gefragt worden, warum wir jetzt nicht mal richtig investieren - wir wären ja in der Champions League … Na klar! Aber wir werden ja nicht die Zukunft riskieren, weil wir ein Jahr in der Champions League spielen. Da haben sich der Anspruch und die Erwartungshaltung an meine Arbeit verändert. Aber das ist auch normal in einem emotionalen Umfeld, wie wir es haben. Ich versuche mich, von solchen Dingen zu lösen.

Sehen Sie bei der Entwicklung der Eintracht Parallelen zu ihrer Zeit in Gladbach, Herr Eberl?

Eberl: Definitiv. Ich erinnere mich an die unglaubliche Saison 2010/11. Frankfurt träumte nach der Hinrunde mit 26 Punkten von Europa und wir standen mit zehn Punkten auf Rang 18. Am Ende ist Frankfurt abgestiegen und wir (Gladbach; Anm. d. Red.) haben uns über die Relegation gerettet. Was danach bei der Eintracht entstanden ist, finde ich großartig. Es hört sich zwar ganz simpel an, aber es ist immer das Gleiche. Wenn Köpfe da sind, die kluge Entscheidungen treffen, und wenn du Kontinuität auf den wichtigsten Positionen hast, wirst du am langen Ende auch erfolgreich sein mit der Kraft, die Klubs wie Frankfurt haben. Die wenigsten besitzen aber in schwierigen Phasen auch die Stärke, diese Kontinuität zu leben. Darauf kommt es aber an. Das hat Frankfurt bewiesen.

Wir können uns nicht dauerhaft mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund und RB Leipzig messen - das ist nicht möglich.

Markus Krösche

Ist es für Klubs dieser Größenordnung möglich, noch einen Schritt zu gehen, oder ist eine natürliche Grenze hinter der Wirtschaftskraft von Bayern, Dortmund und auch Leipzig gesetzt?

Eberl: Es ist in gewissen Größenordnungen ein Deckel drauf. Was Markus eben gesagt hat, kenne ich auch. Du erreichst was und dann wird gesagt: Du musst jetzt richtig investieren, um oben dranzubleiben! Das geht nicht. Du wirst nicht das Risiko gehen wie im Roulette und alles auf Rot setzen. Kontinuität ist auch in diesen Belangen das alles Entscheidende.
Krösche: Die Balance zu finden zwischen Investieren und die nächsten Schritte machen, aber nicht überdrehen - das ist die große Herausforderung. Wir können uns nicht dauerhaft mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund und RB Leipzig messen - das ist nicht möglich. Weil einfach da die Rahmenbedingungen anders sind. Wir wollen in den nächsten Jahren die Lücke ein wenig reduzieren. Wir wissen aber, wo wir herkommen, wir haben eine extrem turbulente Zeit hinter uns. Wir werden kein unnötiges Risiko eingehen und die Zukunft aufs Spiel setzen. Immer mit Vernunft.

Die Corona-Krise war für die Menschen und natürlich auch für die Vereine ein tiefer Einschnitt. Ist das große Wachstum in der Bundesliga generell erst mal ausgebremst?

Krösche: Ja, definitiv. Wir haben sehr viele Herausforderungen im Fußball. 45 Prozent der Ausgaben am Transfermarkt kommen von den Engländern, dass wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Und wenn man aus der Medienperspektive das Nutzungsverhalten der Leute sieht, gerade auch was perspektivisch die Ausschreibung der Medienrechte angeht, werden wir darauf Antworten finden müssen.
Eberl: Nach diesen fünf, sechs Jahren vor Corona, in denen der Fußball eine unfassbare finanzielle Entwicklung genommen hatte, ist es jetzt eher stagnierend in vielen Belangen. Vor allem beim Fernsehgeld, aber auch bei den Ticketverkäufen. Du kannst die Preise nicht unendlich steigern - und wir wollen das auch nicht. Das, was jetzt da ist, wird sich finanziell auch in den nächsten Jahren so einpendeln. Sportlich gibt es zum Glück trotzdem immer wieder Überraschungen.

Ich finde die Entscheidung schade, weil es um die Zukunft der Liga geht.

Markus Krösche über den geplatzten Investoreneinstieg in der DFL und Bundesliga

Die Pläne für den Einstieg eines Investors bei der DFL erhielten nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der Klubs. Müssten sich die Vereine nicht vielmehr für neue Finanzmodelle öffnen, um konkurrenzfähig zu bleiben?

Krösche: Ich finde die Entscheidung schade, weil es um die Zukunft der Liga geht. Man kann in der Konsequenz dagegen sein, aber den Prozess jetzt schon zu stoppen, hat mich dann doch gewundert. Da ging es ja nicht um Investitionen in den Sport, wo wir irgendwelche Stars holen. Es ging darum, die Bundesliga ganzheitlich und nachhaltig werthaltiger zu machen. Da müssen wir im Profifußball sehen, wie wir uns für neue Herausforderungen präparieren. Wir müssen versuchen, unseren Weg zu finden.
Eberl: Ich finde es richtig, dass man sich Gedanken macht, was als Fußballliga der nächste Schritt sein kann. Eben nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Wir reden im Fußball immer über große Summen, deswegen sagt jeder, wir seien größenwahnsinnig, wenn wir nur noch über Millionen und Milliarden sprechen. Aber es geht in unserer Branche um viel Geld, um Arbeitsplätze und letztlich auch um Verantwortung. Und wir alle müssen uns Gedanken machen, wie wir unsere Mittel nicht nur in Stars, sondern in Infrastruktur und vor allem die Nachwuchsarbeit investieren. Das habe ich immer schon gesagt - und da sitzen wir alle im gleichen Boot.
Krösche: Stimmt. Wir haben in den vergangenen Jahren nicht so viel auf den Nachwuchs geachtet, und wenn sich das nicht schnell ändert, wird die internationale Schere weiter auseinandergehen.
Eberl: In sieben, acht Jahren könnten wir Probleme bekommen, was die Nationalmannschaft betrifft. Wir haben jetzt noch mal Superjahrgänge wie die U 17, aber das brauchen wir wieder mehr. Wir müssen wieder neu anfangen, wie im Jahr 2000, als die verbindliche Einführung von Leistungszentren beschlossen wurde. Das war der Nährboden, um 2014 Weltmeister zu werden. So etwas werden wir wieder brauchen, und da wäre das DFL-Investorenmodell ein Ansatz gewesen.

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Was muss passieren, um wieder mehr und bessere Talente zu bekommen?

Krösche: Wir Klubs müssen im Nachwuchsfußball die Vereinsbrille abnehmen und uns mit den globalen Themen beschäftigen. Wir müssen schauen, dass wir die Jungs schneller Profifußball spielen lassen wie in anderen Ländern. Dazu gehören Maßnahmen und gleichzeitig das Lenken der Schwerpunkte in den Nachwuchsleistungszentren - hin zu Entwicklung und weg von Ergebnissen. Es dürfen nicht mehr so viele Wechsel sein von einem NLZ zum nächsten, nur um dann in einem Jahrgang erfolgreich zu sein. Das alles müssen wir jetzt umsetzen, sonst werden wir ein Riesenproblem bekommen. Eigentlich haben wir das jetzt schon.
Eberl: Wir konkurrieren alle sehr miteinander, das ist im Fußball ganz normal. Aber wir müssen viel mehr die Regionen stärken. Als Bundesligist musst du den Auftrag bekommen: deine Region, dein Umfeld, deine Stadt! Das musst du auf allen Ebenen unterstützen. Du musst Trainer ausbilden, du musst regionale Vereine unterstützen, musst Talente wieder zum Fußball bringen. Heute ist es wie folgt - und da schließen wir uns auch nicht aus: Du holst einen Achtjährigen, nach drei Jahren schickst du ihn wieder weg und nach zwei Jahren hört er auf mit Fußball, weil er keinen Bock mehr hat. Das darf uns nicht mehr passieren. Wir müssen viel mehr Kooperationen eingehen, viel mehr die Gesamtheit betrachten als nur die Insel unseres jeweiligen Vereins. Wir haben einen viel größeren Auftrag. Dann glaube ich auch, dass wir den Fußball wieder für alle greifbar machen und eine breitere Basis entwickeln, die dann wieder eine stärkere Spitze entwickelt.

Bei der Eintracht wurde vor einem Jahr die 2. Mannschaft wieder eingeführt. Wie waren die Erfahrungen?

Krösche: Wir sind mit fünf Spielern aus der U 19 direkt in die Regionalliga aufgestiegen. Man sagt immer: Das beißt sich, mit jungen Spielern kann man keinen Erfolg haben! Das stimmt nicht. Die jungen Spieler müssen relativ schnell wettbewerbsfähig werden. Und das geht nur, wenn wir sie so schnell wie möglich wieder Seniorenfußball spielen lassen.

National Football League (NFL)

Max Eberl und Markus Krösche stehen Veränderungen im Fußball positiv gegenüber - und ziehen die National Football League (NFL) als Inspiration heran. IMAGO/USA TODAY Network

In Leipzig wurde die 2. Mannschaft vor sechs Jahren abgeschafft. Machen Sie das rückgängig, Herr Eberl?

Eberl: Ich war immer einer derjenigen, der die 2. Mannschaft nie angezweifelt hat. Für mich gehört sie zur Logik eines durchgängigen Ausbildungskonzepts. In Leipzig habe ich vorgefunden, dass es keine 2.Mannschaft gibt. Die würde ich gerne wieder einführen, wir prüfen gerade die Machbarkeit.

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Wie kann die junge Generation wieder für den Fußball gewonnen werden?

Krösche: Früher ist man viel früher mit Vereinsfußball in Kontakt gekommen, auch in den Schulen war der Fußball deutlich präsenter. Wir müssen die Kinder wieder früher abholen und an den Sport binden. Du kannst heute Football, Basketball und tausend andere Aktivitäten machen. Früher war der Fußball im Mittelpunkt, da müssen wir wieder hinkommen.
Eberl: Das beste Marketing ist das Spiel. Die Gegebenheiten in Stadien sind heute infrastrukturell großartig. Jetzt kann man noch überlegen, ob man die eine oder andere Aktion macht, um für Kinder und Jugendliche auch das Erlebnis zu verschönern, damit sie auch gerne ins Stadion gehen und sich dort sicher fühlen. Aber vor allem müssen wir das Spiel im Auge haben. Bei aller Tradition muss es erlaubt sein, sich über das Spiel Gedanken zu machen; es geht nicht darum, es im Kern seines Seins zu verändern, aber schon auch mal ganz offen über Themen zu diskutieren: Spielen wir weiter 90 Minuten, oder spielen wir dreimal 30 Minuten? Gibt es andere Möglichkeiten des Wechselns? Es gibt so viele Themen, wo man mal ganz verrückt denken sollte, ohne dass diese Gedanken gleich vernichtet werden. Wir hatten im vergangenen Jahr mit der DFL eine Reise in die USA, um uns mal bei der NFL zu erkundigen.
Krösche: Da war ich auch mit dabei.
Eberl: Da erzählte einer, der seit 30 Jahren in der NFL tätig ist: Das Zauberwort ist Change! Sie machen sich dort ständig Gedanken, wie man das Spiel attraktiver gestalten kann. Was sie drumherum machen, das ist schon außergewöhnlich. Da müssen wir uns auch Gedanken machen, nicht nur in Deutschland. Raus aus dem "Es war schon immer so". Hin zu: "Wir probieren was!" Wir müssen darüber diskutieren: Was wollen wir und was nicht, was ist ein No-Go?

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Was bieten sich für Veränderungen an, was sind heilige Kühe?

Krösche: Wir müssen uns definitiv Gedanken machen über die Zeit, wie lange ein Spiel dauert. Also über die Nettospielzeit. Wenn man das Europa-League-Halbfinale Leverkusen gegen Rom gesehen hat…
Eberl: … da bin ich eingeschlafen (lacht). Das war ja kein Fußball.
Krösche: Genau. Das ist ein Thema, da ist es mit am einfachsten, jeden zu überzeugen. Für die jüngere Generation ist das größte Thema, wie das Spiel attraktiver wird. Offensiverer Fußball, mehr Tore - darum geht es. Das macht das Spiel zu einem Spektakel und macht es für die neuen Generationen interessant.
Eberl: Man muss über alles ergebnisoffen diskutieren dürfen, damit mehr Attraktivität entsteht: größere Tore, größerer Strafraum, Spielzeit, fliegende Wechsel … Einfach alles mal diskutieren. Manche Themen werden schon im Keim erstickt und keiner traut sich mehr, irgendeine Position einzunehmen.

Einen Tanker in einem Moorbad zu wenden, ist extrem schwer. Aber irgendwann müssen wir mal damit anfangen.

Max Eberl über Veränderungen im Fußball

Sollte der Bundesliga-Wettbewerb in der jetzigen Form bestehen bleiben?

Krösche: Ich bin kein Freund von Play-offs. Ich beschäftige mich offen mit der Zukunft, aber die Ligenstruktur ist für den Wettbewerb um Abstieg und die internationalen Plätze gut. Wenn Leipzig Gas gibt, haben wir vielleicht auch wieder mehr Wettbewerb um die Meisterschaft (lacht).
Eberl: Die letzten beiden Bundesliga-Spieltage sind noch mal ganz anders von uns allen im Gefühl, die Relegation sowieso. Ich habe es erlebt, ich kann das sagen. Das hat eine Aufmerksamkeit, das ist der Wahnsinn. Für die Beteiligten sind diese Spiele eine emotionale Katastrophe. Aber was Attraktivität und Spannung betrifft, ist das der Wahnsinn! Das schauen wir uns alle schon sehr gerne an.

Ist die Struktur - national wie international - im Fußball überhaupt gegeben, um grundlegende Veränderungen zu erreichen?

Eberl: Sehr, sehr schwer und sehr zäh. Einen Tanker in einem Moorbad zu wenden, ist extrem schwer. Aber irgendwann müssen wir mal damit anfangen.

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