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Leichtathletik: Freimuth kritisiert: "Teilweise werden Trainingslager nach Rotweingütern ausgesucht"

Leichtathletik: Auch Busemann wählt drastische Worte

Freimuth kritisiert: "Teilweise werden Trainingslager nach Rotweingütern ausgesucht"

Sprach von einem "Desaster": Rico Freimuth.

Sprach von einem "Desaster": Rico Freimuth. imago images/Eibner Europa

Was Freimuth gelang, schaffte in Budapest eine ganze Mannschaft nicht: eine WM-Medaille zu erringen. Genauer gesagt waren es sogar zwei: Der 35-Jährige holte 2015 bei der WM in Peking Bronze, zwei Jahre später in London sogar die Silbermedaille. 

Doch schon während seiner aktiven Zeit war der gebürtige Potsdamer mitunter verwundert vom Verhalten diverser Funktionäre, er warf den DLV-Verantwortlichen Fehlverhalten und zu wenig Konzentration auf das Wesentliche vor. "Mittlerweile haben wir eine komische Kultur, die sich seit Jahren im DLV eingebürgert hat", sagte Freimuth bei "Eurosport". "Teilweise werden die Trainingslager danach ausgesucht, wo die Rotweingüter liegen - damit Trainer und Funktionäre dort abends Rotwein trinken können." Das sei vielen Athleten bereits damals sauer aufgestoßen.

Man landet abends nur in der Sportschau, wenn man eine Medaille holt - das ist die Realität."

Rico Freimuth

Deshalb brauche es im Trainer-Dasein eine ganz andere Kultur. "Die Trainer müssen sich besser und seriöser auf die Athleten konzentrieren und die Sportler brauchen mehr Geld, damit sie das Training seriöser angehen können", meinte Freimuth. "Der Sport muss zu 100 Prozent im Fokus stehen und nicht irgendein anderer Müll." Wenn man vier Wochen im Trainingslager sei, solle es nichts anderes geben außer Training, wenn man in die Weltspitze wolle: "Das geht nicht, wenn man halb seriös und nur mit 80 Prozent an die Sache herangeht."

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Die Bilanz bezeichnete Freimuth schlicht als "Desaster", es war die erste WM ohne deutsche Medaille überhaupt. "Da blutet einem das Leichtathletik-Herz", sagte er. "Natürlich gibt es einige Athleten, die toll performt haben. Aber man landet abends nur in der Sportschau, wenn man eine Medaille holt - das ist die Realität."

Die Ankündigung des DLV-Präsidenten Jürgen Kessing, bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles zu den Top-Fünf-Leichtathletik-Nationen gehören zu wollen, hält Freimuth so kurz nach der WM für "ein bisschen aberwitzig und unseriös". Er könne sich nicht vorstellen, was passieren solle, "damit wir in fünf Jahren unter den Top-Fünf-Nationen landen". 

Busemann fordert mehr Härte und bemüht einen Vergleich

Auch Frank Busemann zeigte sich ernüchtert. "Die Zeiten, dass wir zweistellige Medaillenzahlen erringen, sind vorbei. Und die werden wir auch nicht mehr erleben - außer wir werden 180 Jahre alt", sagte der ehemalige Zehnkämpfer der Münchner Abendzeitung. "Realistisch" seien "zwei bis vier Medaillen" bei künftigen Weltmeisterschaften. Das Prädikat "Made in Germany" habe nicht nur in der Leichtathletik "seinen Glanz sehr verloren", so der 48-Jährige weiter. "In Zukunft müssen wir in der deutschen Leichtathletik wohl nicht mehr Medaillen als Maßstab nehmen, ob die Leistung gestimmt hat, sondern ob ein Athlet an seine persönliche Bestmarke herangekommen ist."

Für die Unterlegenheit der Deutschen machte Busemann vielfältige Gründe aus. Die finanzielle Unterstützung des Sports sei nicht auf gutem Niveau. Zudem würden Kinder und Jugendliche in Deutschland nicht an Wettkämpfe gewöhnt: "Wie soll man lernen, dass sich Leistung lohnt, wenn Leistung nicht anerkannt wird? Es ist nicht schlimm, wenn jeder versteht, dass außergewöhnliche Leistungen auch außergewöhnlich honoriert werden." Es sei "nicht schlimm, wenn ein Kind mal weint, weil es nicht bei den Besten ist", sagte Busemann. Mit diesem aus seiner Sicht laschen Umgang "schafft man keine Siegertypen". Im Vergleich seien die US-Amerikaner "knüppelhart, wenn der Weltrekordler bei der internen Meisterschaft nicht performt, ist er bei der WM nicht dabei. Da lernst du Härte".

Es sei falsch, wenn es in Deutschland keine Beurteilung für Sport bei Kindern gebe: "Wenn du in Mathe alles falsch gerechnet hast, wirst du auch nicht gestreichelt und dir gesagt, du hast aber ganz toll Zahlen reingeschrieben, das war wirklich großartig. Nein, falsch ist falsch - und scheiße ist scheiße. In der Mathematik genauso wie im Sport."

las, dpa, sid