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Über Harry Kanes Debüt beim FC Bayern: Ein … Moment

Harry Kanes Debüt beim FC Bayern

Ein … Moment

Drei Ballkontakte in rund einer halben Stunde verbuchte Harry Kane im Supercup.

Drei Ballkontakte in rund einer halben Stunde verbuchte Harry Kane im Supercup. IMAGO/Oryk HAIST

Zum Glück ist Harry Kane Engländer, da wird er mit den Temperaturschwankungen in Deutschland vermutlich ganz gut zurechtkommen. Wäre der Engländer nämlich schon am vergangenen Wochenende nach Deutschland gewechselt, hätte er es sich bei elf Grad und Starkregen in der neuen Wahlheimat bequem machen müssen, mit einem heißen Kakao oder, noch besser, Tee.

Gestern aber, als er tatsächlich offiziell neuer Bayern-Spieler und Rekordtransfer der Bundesliga wurde, schraubte sich das Thermometer fast ums Dreifache in die Höhe, und statt regennassen Shirts trugen die Menschen auf dem Weg zum Stadion frisch beflockte und schweißgetränkte Harry-Kane-Trikots, ganz neu für aberwitzig viel Geld im FC-Bayern-Store erworben.

Bei etwas weniger als 900.000 verkauften Harry-Kane-Trikots wäre die Harry-Kane-Ablöse übrigens wieder drin. Und die Bayern machen es clever: Wer im Onlineshop das neue Trikot auswählt und die Option "Flock" anklickt, wird gar nicht erst in Versuchung geführt, dem wird gleich automatisch die Nummer 9 vorgeführt.

Die "Gesänge" konnte man eher als Namensgeschrei abtun

Es sind surreale Tage im Hause des deutschen Meisters, vor allem aber um das Haus herum. Was in den vergangenen Wochen und besonders in den letzten 48 Stunden um diesen Mega-Rekord-Wahnsinns-Transfer passierte, ist der Grund dafür, warum gestern nicht nur Harry Kane ein Harry-Kane-Trikot zum Supercup trug. Einen solchen Hype, einen solchen Aufschrei hat es in der Social-Media-Bundesliga-Zeit noch nicht gegeben. Und vielleicht tut er ihr ja auch ganz gut, fürs Erste aber nicht jedem. Zum Beispiel Harry Kanes neuen Teamkollegen.

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Mit Schweißfilmen auf der Stirn und im Nacken strömten die Massen am Samstag aus den Bussen und Bahnen in Richtung Arena, sie machten Selfies, stellten sich mit dem Rücken zur Kamera, dahinter die Arena, um für die ersten Harry-Kane-Bilder auf Instagram zu posieren. Und sie genossen es ganz offensichtlich, immer mal wieder stimmten sie auch "Gesänge" an, die man eher als Namensgeschrei abtun konnte. Aber wurscht, so einen Mega-Wahnsinns-Transfer hat die Bundesliga ja noch nicht gesehen.

Dementsprechend voll war die Arena dann auch, wo sie sonst eigentlich noch recht leer ist. Als erst Sven Ulreich samt Torhüterkollegen aus den Katakomben heraufschritt, ehe die Leipziger Mannschaft von Pfiffen begleitet das Aufwärmen aufnahm. Und dann war es so weit! Der fast 70 Millionen Euro teure Matthijs de Ligt rannte auf den Rasen, dann der fast 50 Millionen Euro teure Leroy Sané oder der Meistermacher Jamal Musiala.

Kane schien fast peinlich berührt zu sein von dieser Aufmerksamkeit

Aber das spielte an diesem Supercup-Abend natürlich keine Rolle. Als die Kamera auf Harry Kane heranzoomte und seinen Move zeigte, wie er sich die Haare mit beiden Händen nach hinten schmierte, explodierten sämtliche Handy-Kameras (vielleicht auch die des Reporters). Und der Stadion-DJ spielte "Rock you like a Hurricane". Verstanden? Hurricane, Harry Kane, klasse!

Der Neue aus Nordlondon schien fast peinlich berührt zu sein von dieser Aufmerksamkeit, er klatschte artig und drehte sich einmal um die eigene Achse. Gerade so, um jeder Handy-Kamera den passenden Winkel zu bieten.

Er saß übrigens erst mal auf der Bank, ach, und als es dann losging, ging es auch ganz schön schlecht los. 0:1 nach zweieinhalb Minuten, 0:2 kurz vor der Pause. Das wunderbare zweite Tor von Dani Olmo fing die TV-Kamera mehrmals ein, mindestens genauso oft schwenkte sie aber natürlich auf Harry Kane, der jetzt nicht mehr lächelte.

Da war er, der neue Lewandowski

Kurz nach der Halbzeit dann machte er sich auf den Weg in Richtung Seitenlinie, wieder begleitet vom lauten Jubel und Harry-Kane-Namengeschrei. Aufwärmen, klatschen und zuschauen, wie die Kollegen auch die nächsten aussichtsreichen Gelegenheiten ausließen. Fast so, als würden sie es ihm möglichst einfach machen zum Einstand: viel schlechter konnte die Chancenverwertung ja wirklich nicht werden.

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Tuchel nach Kane-Debüt: "Er spielt jedes Spiel, fertig, aus"

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Viel größer auch das Getöse nicht, als es in Minute 58 endlich so weit war, Kane zur Bank lief, sich das Trikot überstreifte und bereitstand zur Einwechslung, bereit für das Debüt und noch mehr Jubel, ohne irgendwas im Bayern-Trikot geleistet zu haben. Aber wen interessierte das schon. Da war er, der Mann, der für den Tabellen-Achten Tottenham 30 Tore in der Premier League geschossen hatte; der all die Rufe nach einem Goalgetter erhört hatte; der neue Lewandowski.

"Ladies and gentlemen", trommelte Stadion-Sprecher Stephan Lehmann also endlich, endlich, endlich in sein Mikrofon. "A magic moment … Harryyyyyy …" Und so weiter. Abklatschen hier, anlaufen dort. Der Aufschrei so groß, dass es mal wirklich überhaupt keine Rolle spielte, ob Leipzig jetzt diesen Superdupercup gewann oder Bayern. Seht her, schienen die Bayern-Fans in bester Uli-Hoeneß-Manier zu rufen, wir haben den Harry!

Nach zwölf titellosen Jahren ein Titel am ersten Bayern-Tag? Zu kitschig

Und der Harry sah dann zu, wie Noussair Mazraoui im eigenen Strafraum ein unglückliches Handspiel unterlief. Kurz überlegte der Harry, ob er diskutieren sollte mit Schiedsrichter Bastian Dankert, aber irgendwie sprachen die ja fast alle nur Deutsch. Na ja, mit der Stimmung war es dann schnell dahin, als Dani Olmo auch noch ein drittes Mal traf und den sogenannten Deckel draufmachte. Der Harry durfte insgesamt drei Ballkontakte für sich verbuchen, mehr ging nicht zusammen in dieser undankbaren Situation.

Leid tat es Thomas Tuchel später für den Harry. "Er denkt wahrscheinlich, wir haben hier vier Wochen nicht trainiert", sagte der Trainer und schämte sich fast.

Aus diesem "magic moment" war dann irgendwie doch nur ein … Moment geworden. Ein absurd lauter und gehypter und besonderer Moment zwar, aber auch nur ein Moment. Es wäre ja auch ein bisschen zu kitschig gewesen für diese Mega-Wahnsinns-Geschichte, wenn dieser Harry Kane nach zwölf titellosen Tottenham-Jahren am ersten Bayern-Tag einen Titel gewonnen hätte.

Mario Krischel