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Kommentar zum Trainer-Beben in Spanien - Verbandspräsident Luis Rubiales zu stolz: Vom Erfolgs- zum Gefahrenweg

Kommentar von Jörg Wolfrum zum Lopetegui-Aus

Rubiales zu stolz: Vom Erfolgs- zum Gefahrenweg

Er hat sich mit der Entlassung von Julen Lopetegui keinen Gefallen getan: Verbandspräsident Luis Rubiales (Mitte).

Er hat sich mit der Entlassung von Julen Lopetegui keinen Gefallen getan: Verbandspräsident Luis Rubiales (Mitte). imago

Fernando Hierro also, der bisherige Sportdirektor soll es richten . Der war in dieser Funktion schon 2010 beim WM-Sieg dabei gewesen. Vielleicht ist das ja ein gutes Omen. Das einzige für den Moment. Neben dem, dass immer noch alle Stars unter den Spielern an Bord sind: Sergio Ramos, Gerard Piqué oder Andres Iniesta. Den WM-Titel trauten viele der Roja angesichts solcher Koryphäen auch dieses Jahr wieder zu. 14 Siege und sechs Remis, keine einzige Niederlage - so lautete die Bilanz von Nationaltrainer Julen Lopetegui bis zu seiner Entlassung am Mittwoch.

Nun soll es, so will es Verbandspräsident Luis Rubiales, Hierro richten. Der ist als Ex-Profi von Real Madrid zwar titelgestählt, als Trainer hat er jedoch nur eine so bescheidene wie wenig erfolgreiche Station mit Real Oviedo hinter sich.

Rubiales hat mit der Radikalrasur in jedem Fall für größtmögliche Unruhe im Lager der Seleccion gesorgt, vielleicht sogar die Furia Roja vom Erfolgsweg abgebracht, noch bevor es am Freitag in Sotchi gegen Europameister Portugal (20 Uhr, LIVE! bei kicker.de) losgeht. Und das alles, weil sich der erst seit wenigen Wochen amtierende RFEF-Chef im Stolz verletzt sah, sich offenbar auf den Schlips getreten und an der Nase herumgeführt fühlte .

Was war geschehen? Real Madrid hat die Ausstiegsklausel genutzt, zwei Millionen Euro heißt es, die Rubiales und der Verband dem bisherigen Nationaltrainer Lopetegui in den Vertrag schrieben, den sie zudem erst vor Wochen bis 2020 verlängerten. Bezahlen müssen die Königlichen diese nun nicht.

Real-Präsident Perez wollte und konnte das nicht

Natürlich ist es nicht der Königsweg, wenn Real Madrids Präsident Florentino Perez zunächst seinen Klub-Kapitän und Roja-Alphatier Sergio Ramos informiert, statt mit Verbandchef Rubiales zu sprechen. Natürlich hätten die Madrilenen ihren Trainer-Coup (Lopetegui war einst ja dort Profi und als Coach im Nachwuchs tätig) auch erst nach der WM publik werden können. Doch nur theoretisch. In der Praxis hätte das für Real Madrid in den nächsten Wochen einen riesigen Medienrummel in Sachen Nachfolger-Suche bedeutet. Einem Nachfolger, der ja in Lopetegui schon längst gefunden war. Das wollte und konnte Perez nicht.

Rubiales indes fühlte sich als versetzter Liebhaber. Eben erst im Amt, wird er vor der Weltöffentlichkeit vermeintlich vorgeführt. Und das auch noch von Lopetegui, der immer auf der Seite seines Vorgängers Angel Maria Villar stand, der ihn ja 2016 nach der verpatzten EM als Nachfolger von Vicente del Bosque geholt hatte. Auch das wollte Rubiales offenbar nicht auf sich sitzen lassen.

Statt souverän zu reagieren und den Frieden im Nationalteam zu wahren - schließlich standen die Spieler, von denen nicht wenige als Junioren unter Lopetegui (etwa der Münchner Thiago) riesige Erfolge feierten, weiter hinter dem neuen Real-Trainer -, wollte Rubiales ein Zeichen setzen und sich als starker Mann profilieren.

Der ist er laut Position weiterhin. Doch mit dem Rauswurf Lopeteguis hat er seinen langfristigen Verbleib an das Abschneiden in Russland geknüpft. Hätte dem neuen Verbandschef ein vermeintlich frühes Aus bei der WM bislang kaum etwas anhaben können, dürfte er sich nun höchstens im Falle des Maximal-Erfolges langfristig an der RFEF-Spitze halten.

Rubiales: Funktionärsreisen abgesagt, Prämien erhöht

Er setzt sich stets für die Spieler ein, doch tat er ihnen diesmal einen Gefallen? Verbandspräsident Luis Rubiales.

Er setzt sich stets für die Spieler ein, doch tat er ihnen diesmal einen Gefallen? Verbandspräsident Luis Rubiales. imago

Zumal er es sich in seinen ersten Amtswochen durchaus bereits mit vielen Landesfürsten verdorben hat und etwa Reisen von Funktionären zur WM aus finanziellen Gründen unterband. Mit dem ehrenwerten Hinweis, das so gesparte Geld solle lieber in den Prämientopf für die Spieler. Absolut in Ordnung - da zeigte sich im neuen Verbandpräsidenten der bisherige Chef der Spielergewerkschaft. Doch schon in dieser vorherigen Position hatte der streitbare Rubiales die Ziel-Erreichung mit Paragrafenreiterei und allzu unnachgiebiger Vorgehensweise oft erschwert, wenn nicht gar aufs Spiel gesetzt.

Nun hat sich Rubiales, kaum im Amt, selbst angezählt. Das mag seinem Naturell als Arbeiterführer entsprechen, der keine Auseinandersetzung scheute. Als oberster spanischer Fußballfunktionär wäre aber mehr Diplomatie gefragt gewesen, den Spielern gegenüber gar Empathie. Ihnen steht er doch als Ex-Profi und eben noch als Gewerkschafter nahe. Den Ball laufen lassen, das Spiel beruhigen, nach einem Gegentor das Heft wieder in die Hand nehmen, und dann gezielt zuschlagen - Rubiales hätte von Iniesta und Co. lernen und das Tiki-Taka vom Rasen in die Führungsebene übertragen können. Er wählte den dumpfen Gegenschlag. Das mag zu spanischer Verbandsarbeit passen, nicht aber zum Stil der Roja.

So wie der Präsident offenbar im Stolz verletzt ist, könnte es nun den Regionalfürsten der Landesverbände gehen. Dass diese nicht zurückschlagen, ist kaum zu erwarten. Der geschasste Ex-Präsident José Maria Villar dürfte sich ins Fäustchen lachen.

Jörg Wolfrum

Jörg Wolfrum