Bundesliga

Der FC Bayern verliert ein Stück Tradition und Identität

Kommentar von Chefreporter Karlheinz Wild

Der FC Bayern verliert ein Stück Tradition und Identität

Letzte Dienstreise für den FC Bayern: Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in Porto.

Letzte Dienstreise für den FC Bayern: Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in Porto. imago

Seit dem Fall Thiago Alcantara war das Verhältnis zwischen dem katalanischen Fußballlehrer und dem Münchner Mediziner jedoch ge- und zerstört. Auf Geheiß Guardiolas und auf Wunsch des spanischen Nationaltrainers Vicente del Bosque, der Thiago unbedingt bei der WM in Brasilien einsetzen wollte, jedoch gegen den Rat Müller-Wohlfahrts, durfte dieser Spieler zur Behandlung seines ersten Innenbandrisses im Knie nach Barcelona zum Arzt seines und des Trainers Vertrauens reisen. In der Folge riss Thiagos Innenband noch zwei Mal.

Einen weiteren Streitpunkt stellte die Frage nach der Stationierung des Teamdoktors dar. Dr. Müller-Wohlfahrt betreibt im Stadtzentrum der bayerischen Landeshauptstadt eine große Praxis, in der er auch die Bayern-Profis behandelt. Er will dort - nachvollziehbar - vor Ort sein. Bislang hat dieses Verfahren funktioniert, es ist von keinem FCB-Profi eine öffentliche Klage über die räumliche Distanz bekannt.

Guardiola störte sich jedoch daran. Er ist aus Spanien und vom FC Barcelona die ständige unmittelbare Präsenz eines Arztes gewohnt, damit den sofortigen direkten Austausch. Die Bitte um Auskunft nach dem Gesundheitszustand verletzter Spieler konterte Guardiola gerne mit dem - ironisch klingenden - Verweis, zuletzt im Fall Franck Ribery: "Fragen Sie den Doktor!"

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Da wurde immer wieder deutlich, dass Guardiola diese angeblich einvernehmliche Regelung nicht passte, obwohl Dr. Müller-Wohlfahrts Sohn Kilian neuerdings ständig auf dem Klubgelände anwesend war, als zuständiger Mediziner.

Auch wenn Rummenigges Ausbruch in der Kabine von der Enttäuschung über die 1:3-Niederlage gegen Porto diktiert war, so liegt der entscheidende Grund für den abrupten Ausstieg Müller-Wohlfahrts in dessen Zerwürfnis mit dem Trainer, der sich nicht mit dem beim FC Bayern bewährten Modell in der medizinischen Betreuung abfinden wollte.

Chefreporter Karlheinz Wild

Chefreporter Karlheinz Wild

Der FC Bayern verliert in Müller-Wohlfahrt nicht nur eine anerkannte und befähigte Fachkraft, sondern weitaus mehr. Müller-Wohlfahrt steht wie Vorstandsboss Rummenigge, wie Präsident Karl Hopfner, wie Uli Hoeneß oder Pressechef Markus Hörwick sowie die vielen langjährigen Mitarbeiter für die Identität und Tradition des deutschen Rekordmeisters.

Eine dieser Säulen ist nun weggebrochen, obendrein zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt. Am kommenden Dienstag geht es ins so wichtige Viertelfinal-Rückspiel gegen den FC Porto. Die Arzt-Debatte kommt da höchst ungelegen und stört enorm - und sie wird sich fortsetzen, weil sich die Ribery, Robben und anderen FCB-Stars gewiss nicht vom Arzt ihres langjährigen Vertrauens lossagen werden.

Dr. Müller-Wohlfahrt hat sich für seinen abrupten Abschied nach knapp vier Jahrzehnten einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht und damit seinem Verein einen letzten Dienst verweigert.

Aber dieser spektakuläre Schritt war nach der sukzessiven Eskalation nur eine Frage der Zeit gewesen.