Champions League

Cristiano Ronaldo: Warum er immer noch so gut ist

Alles wie immer, weil vieles anders ist

Cristiano Ronaldo: Warum er immer noch so gut ist

Schon wieder Geschichte geschrieben: Cristiano Ronaldo.

Schon wieder Geschichte geschrieben: Cristiano Ronaldo. Getty Images

Wie dichtete der "Guardian" kürzlich in herrlicher Übertreibung: Das, was bei Cristiano Ronaldo unter "Müll" laufe, sei für alle anderen immer noch "ihr bestes Spiel aller Zeiten, ihre beste Saison, ihre Nacht der Träume". So verklärt man normalerweise alte Legenden, nur dass Ronaldo gerade in aller Deutlichkeit klarmacht, dass sich seine noch in Arbeit befindet.

32 Jahre ist Ronaldo inzwischen alt. Er ist nicht mehr so explosiv und schnell wie noch vor zwei, drei Jahren, das sieht jeder. Woran liegt es, dass er im Juni gegen Juventus Turin, in einem Champions-League-Finale , trotzdem wieder doppelt zuschlug, dass er zum fünften Mal in Folge Torschützenkönig der Königsklasse geworden ist, dass keiner häufiger in Endspielen, in K.-o.-Duellen, ja in Champions-League-Spielen überhaupt traf als er?

Nach Real Madrids 3:0-Hinspielsieg im Halbfinale gegen Atletico sprach Trainer Zinedine Zidane ein paar knappe Worte über Dreifachtorschütze Ronaldo, Atletico-Trainer Diego Simeone kein einziges. So, als wäre alles wie immer gewesen. Und das stimmt ja irgendwie auch: Ronaldo trifft, stellt Rekorde auf , dominiert die Schlagzeilen. Doch gerade diese Saison zeigte: Es ist alles wie immer - weil vieles anders ist.

Zehnmal traf Ronaldo nach der Gruppenphase - ein Solo war nicht dabei

Allen voran sein Spielstil. Ronaldo hat sich davon verabschiedet, Spielen dauerhaft seinen Stempel aufzudrücken, sie an sich zu reißen. Er rückte über die Jahre erst immer weiter nach vorne, dann immer weiter ins Zentrum. Den insgesamt zehn Toren, die er den Bayern (CL-Viertelfinale), Atletico (Halbfinale) und jetzt Juventus Turin (Finale) einschenkte, gingen keine Einzelaktionen, keine Dribblings voraus. Stattdessen traf er per Direktabnahme, mit links, mit rechts, mit dem Kopf, wie eine Nummer neun eben, ein waschechter Strafraumstürmer.

Immer wieder lauert er erfolgreich an der Grenze zum Abseits, mal, weil er es - wie gegen Atletico - clever aushebelt, mal, weil ihm - wie im Rückspiel gegen Bayern - der Linienrichter hilft. Gegen Juve hatte Ronaldo (37) nach Karim Benzema (35) die wenigsten Ballkontakte aller Real-Feldspieler; sechs davon waren Torschüsse, zwei davon Tore.

Ronaldo spielte nie weniger für Real als in dieser Saison

Noch im Rückspiel gegen Bayern hatten einige Real-Fans Ronaldo ausgepfiffen; und auch nach seinem Dreierpack gegen Atletico forderte er die Zuschauer wieder gestenreich auf, doch lieber zu applaudieren. "Ich möchte einfach nur, dass sie mich nicht mehr auspfeifen", hatte er damals gesagt. Seine Pausen, die er sich im Spiel mit zunehmendem Alter zu nehmen pflegt, gefallen dem Publikum, das unterhalten werden will, nicht. Dabei sind auch sie ein Erfolgsgeheimnis, mehr noch die Pausen, die er sich zwischen den Spielen nimmt.

Nur in 29 der 38 Ligaspiele kam er zum Einsatz, nie spielte er in einer Saison für Real weniger, und das liegt nicht nur an der Verletzung, die er aus dem EM-Finale mitgebracht hatte: Ronaldo lässt ganze Spiele aus und wirkte auch deswegen in diesem Saisonendspurt so fit wie lange nicht. "Ich habe mich hierauf vorbereitet", sagte er, als er gerade seinen vierten Henkelpott gewonnen hatte. "Die großen Titel gewinnst du wegen dem, was du am Saisonende machst." Zehn seiner zwölf Tore in dieser Champions-League-Saison schoss er nach der Gruppenphase.

Unfassbar. Er hat uns ab dem Viertelfinale durch alle Runden geschossen.

Toni Kroos über Cristiano Ronaldo

Die Frage ist nur: Bekam er die Pausen auferlegt oder nahm er sie sich? "Er weiß selbst, dass er manchmal nicht spielen sollte", wehrt Zidane jegliches Lob dafür ab, Ronaldo ab und zu, vor allem auswärts, aus der Mannschaft genommen zu haben. "Es ist nicht nur dieses Jahr, es geht um das, was sich über die Jahre angesammelt hat. Er weiß das selbst, weil er intelligent ist." Und in seinen Körper hineinhören, das konnte Ronaldo schon immer ganz gut.

Große Spieler erkennen, wann sie sich anpassen müssen, um groß zu bleiben

Und schließlich arbeitet Ronaldo auch deswegen gerade so akribisch an seiner Legende, weil er an seiner Legende arbeiten will. Sein Hunger nach Bestmarken, er erscheint bei aller geäußerten Bescheidenheit ("Die Spieler verdienen diesen Rekord") größer denn je, er ist immer noch Madrids Trainingsweltmeister . Er ist der Anführer der ersten Mannschaft, die den Champions-League-Titel verteidigt hat. "Unfassbar" nannte Toni Kroos nach dem 4:1 gegen Juventus seinen Mitspieler im ZDF, dem er einmal mehr brillant den Rücken freihielt (89 Ballkontakte, 92 Prozent Passquote). "Er hat uns ab dem Viertelfinale durch alle Runden geschossen. Du brauchst am Ende den, der das Tor macht, und da war er da. Unfassbar."

Die wirklich großen Spieler sind die, die auch erkennen, wann sie sich anpassen müssen, um groß zu bleiben. Ronaldo, dem "UEFA Best Player in Europe", dem Weltfußballer, ist das ganz offensichtlich gelungen. In Situationen, in die er sich früher noch unaufhaltsam hineingestürzt hätte, hält er sich heute zurück. In Regionen, die er früher gemieden hätte, stößt er heute unaufhaltsam. "Ich weiß nicht, wer an Cristiano Ronaldo zweifelt", hat einer unlängst gesagt. Es war Cristiano Ronaldo.

Jörn Petersen

"La Duodecima": Reals historische Tat

(Dieser Text erschien erstmals am 3. Mai und wurde nach dem Champions-League-Finale angepasst)