Bundesliga

Werder Bremen und die besorgniserregende Finanzlage

Sportchef Baumann kündigt Abgänge an, aber "keine Notverkäufe"

Werder und die besorgniserregende Finanzlage

Gefordert wie nie in der Pandemie: Werders Sportchef Frank Baumann.

Gefordert wie nie in der Pandemie: Werders Sportchef Frank Baumann. imago images

Ein zweistelliger Millionenbetrag ist nach einer ersten Zeichnungsphase der Mittelstandsanleihe für institutionelle Investoren (Mindestsumme: 100.000 Euro) bereits zusammengekommen. Und unter dem Leitmotiv "kontrollierte Offensive" - ein Begriff, den einst der legendäre Werder-Trainer Otto Rehhagel prägte - steht das Finanzinstrument ab Montag, dem 17. Mai, nun auch privaten Anlegern (ab 1000 Euro) zum Kauf zur Verfügung.

Als Zeichnungsende ist der 1. Juni veranschlagt, dann soll auch der genaue Zinssatz (zwischen 6 und 7,5 Prozent) für die Anleihe festgelegt werden, die am 31. Juli 2026 ausläuft und bei 30 Millionen Euro gedeckelt ist. 20 Millionen Euro will Werder damit Stand heute voraussichtlich einnehmen, um neben der strategischen Weiterentwicklung (Ausbau der Nachwuchsförderung, Digitalisierung und Nachhaltigkeitsprojekte) vor allem die für die Bundesligalizenz notwendige Liquidität zu sichern. Bis zum 15. September müssen die Auflagen erfüllt sein; sollte die Liquiditätslücke bis dahin nicht geschlossen werden, droht in der Spielzeit 2021/22 ein Punktabzug von sechs Punkten.

"Mögliches Insolvenzrisiko" wird thematisiert

Wie nötig der Klub das frische Geld hat, geht aus den 219 Seiten des nun veröffentlichten Wertpapierprospekts hervor, in dem Werder seine finanziellen Zahlen offenlegen muss und auch ein "mögliches Insolvenzrisiko" thematisiert wird - das sich im Falle eines Bundesliga-Abstiegs noch mal verstärken würde. Der Rückgang der Umsatzerlöse würde in der 2. Liga auf rund 40 Prozent taxiert werden, allerdings weist Finanz-Geschäftsführer Klaus Filbry auch auf sich reduzierende Gehaltskosten der Spieler um mindestens 40 Prozent, teilweise um 60 Prozent hin.

Das Insolvenzrisiko sei allerdings schon dadurch gegeben, dass Werder "im Zwischenkonzernabschluss zum 31.12.2020 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag" in Höhe von 30,582 Millionen Euro ausweist. Dieser setzt sich zusammen aus einem Verlust in Höhe von 23,774 Millionen Euro aus der zweiten Hälfte der vergangenen Saison 2019/20, den bereits verbrauchten 10,522 Millionen Euro an Rest-Eigenkapital und 17,33 Millionen Euro Verlust aus der ersten Hälfte dieser Saison 2020/21. "Unser Vorteil war, dass wir von Beginn der Pandemie an sehr offen und transparent mit der wirtschaftlichen Situation umgegangen sind", sagte Werder-Sportchef Frank Baumann am Donnerstag: "Deswegen glaube ich nicht, dass die Zahlen überraschend gekommen sind."

Werders vier Prämissen

Allerdings sollen die Mindereinnahmen für das laufende Geschäftsjahr 2020/21 bis zum Saisonende noch auf 12,836 Millionen Euro gedrückt werden, sofern folgende vier Prämissen zu Grunde liegen, die Werder "eingeschränkt beeinflussen" kann: Das Erreichen des Klassenerhalts. Erzielte Nettotransfererlöse von 9,4 Millionen Euro. Die erfolgreiche Platzierung der Mittelstandsanleihe (also 20 Millionen Euro). Und zehn Prozent der Dauerkarteninhaber müssten auf Erstattungen verzichten. Allein die Umsatzerlöse aus den Heimspielen (im Geschäftsjahr 2018/19: 28,2 Millionen Euro.) sind nahezu komplett weggebrochen, jeder weitere Heimspieltag ohne Zuschauer bedeutet einen wirtschaftlichen Schaden von rund 1,1 Millionen Euro (in der 2. Liga 0,75 Millionen Euro).

Baumann hat bei den Spielerpreisen "klare Ideen im Kopf"

Der veranschlagte Transfererlös von über neun Millionen Euro noch bis zum Ende der aktuellen Saison am 30. Juni soll jedoch erst nach Ende des 34. Spieltags erzielt werden. "Es ist ja bekannt, dass es Interesse an Spielern gibt, aber da ist noch nichts unterschrieben", so Baumann, "der komplette Fokus liegt jetzt auf den letzten beiden Spielen. Danach hat man noch einige Wochen Zeit, einen Transfer zu tätigen." Allerdings kündigte der Sportchef schon mal präventiv an, "dass wir klare Ideen haben, zu welchem Preis wir unsere Spieler verkaufen. Es muss keine Notverkäufe unter Wert geben, das haben wir in der letzten Saison auch gezeigt."

Zum Saisonende am 30.06.2021 plant der Klub mit einem negativen Eigenkapital von 26,088 Millionen Euro, die "Verbindlichkeiten betragen nach dieser Planung 74,977 Millionen Euro", heißt es in dem Prospekt. Darin enthalten sind neben Verbindlichkeiten aus Transfers (rund 26 Mio.), der mithilfe einer Landesbürgschaft aufgenommene 20-Millionen-Euro-Kredit und die 20 Millionen Euro der Mittelstandsanleihe.

Alle Szenarien abgedeckt

Baumann sagt, Werder habe seine Hausaufgaben in den letzten 13 Monaten nach dem Ausbruch der Pandemie gemacht: "Wir können alle Szenarien abdecken, egal ob das die Zuschauer betrifft, den Transfermarkt oder die Ligazugehörigkeit", so der Sportchef: "Ich bin optimistisch, dass wir uns in den nächsten Wochen so aufstellen können, dass wir für die neue Saison durchfinanziert sind und einen wettbewerbsfähigen Kader zur Verfügung haben werden."

Tim Lüddecke