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Wende oder Absturz: Für Labbadia und Preetz geht es um den Job

Hertha: Gomez tendiert zum FC Sevilla - Gedankenspiele um Dardai

Wende oder Absturz: Für Labbadia und Preetz geht es um den Job

Unter großem Druck: Hertha-Manager Michael Preetz (li.) und Cheftrainer Bruno Labbadia.

Unter großem Druck: Hertha-Manager Michael Preetz (li.) und Cheftrainer Bruno Labbadia. Getty Images

Die Erinnerung ans Hinspiel schmeckt süß. 4:1 gewannen die Berliner zum Saisonstart in Bremen: Es schien die passende Antwort zu sein auf eine arg komplizierte Vorbereitung mit allerlei Rückschlägen in Testspielen (u.a. 0:4 gegen PSV Eindhoven, 0:2 beim HSV) und auf dem Transfermarkt und auf das blamable Pokal-Aus in Braunschweig (4:5). Inzwischen weiß man: Das Spiel in Bremen war einer der raren Tage, an denen bei den Berlinern Aufwand und Ertrag, Offensivwucht und Abwehrstabilität in einem guten Verhältnis standen. Lichtblicke dieser Art gab es in der Folge immer mal wieder, aber viel zu selten. 17 Punkte nach der Hinrunde (schlechteste Bilanz seit der Abstiegssaison 2009/10), drei torlose Spiele in Serie - nach dem als Hoffnungsmacher eingestuften 3:0 gegen Schalke zwei Tage nach Silvester ging es steil abwärts.

Vor dem Spiel gegen den SV Werder, für den er zwischen 1996 und 1998 in 63 Bundesligaspielen 18 Tore erzielte, fordert Trainer Bruno Labbadia: "Wir müssen unsere Torchancen besser verwerten, konsequenter verteidigen, mit Fehlern besser umgehen und geduldig bleiben." Der umfassende Auftrag ans eigene Personal orientiert sich an der verstörend langen Mängelliste eines Teams, das sportlich taumelt und sich hierarchisch noch sucht. In der Pflicht steht...

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...die Mannschaft: Sie muss zeigen, dass sie wirklich so gut ist, wie sie intern (von den meisten) und extern (von einigen) immer noch gesehen wird. Bisher passt es entweder vorn nicht oder hinten nicht - und aus dem Mittelfeld kommt ohnehin zu wenig Torgefahr, Struktur, Stabilität. Das bei eigenen Standards unverändert erschreckend harmlose Team lässt sich von Rückschlägen zu leicht aus der Bahn werfen und ist noch immer in der Findungsphase. Einigermaßen konstant kommen bislang nur Peter Pekarik, Matteo Guendouzi und - mit Abstrichen - Alexander Schwolow und Niklas Stark durch die Saison. Die drei teuersten Zugänge der Vereins-Historie - Lucas Tousart (25 Mio.), Krzysztof Piatek (23 Mio.), Dodi Lukebakio (20 Mio.) - haben bislang nicht nachgewiesen, dass sie Hertha voranbringen.

Entscheidend ist, dass man in so einer Phase klar bleibt, bei sich bleibt und vorangeht.

Bruno Labbadia

Neuzugänge sind möglich, der bei Atalanta Bergamo aussortierte Alejandro "Papu" Gomez (32) soll kommen. Allerdings ist mittlerweile auch der FC Sevilla in den Poker eingestiegen und macht ernst. Nach kicker-Informationen tendiert der Argentinier, für den es auch in Italien, der Türkei und Nordamerika Interessenten gibt, inzwischen zu einem Wechsel nach Spanien.

...der Trainer: Bruno Labbadia ist im Kampfmodus. "Wir liegen ein Stück am Boden momentan", sagt er. "Die Frage ist, will man da liegen bleiben? Davon war ich noch nie ein Freund. Ich gehe nicht mit der Angst rein, sondern mit der Überzeugung, dass wir wissen, was wir tun." Mit dem deutlich gestiegenen Druck geht er um, "wie ich immer mit Druck umgegangen bin: Das eine ist, dass es negative Schlagzeilen gibt - das andere ist, dass wir mit allem, was wir haben und machen können, die Mannschaft unterstützen." Labbadias Credo: "Entscheidend ist, dass man in so einer Phase klar bleibt, bei sich bleibt und vorangeht. Dafür bin ich in einer Führungsposition. Ich muss vorangehen."

Im Umgang mit der Mannschaft setzt er auf einen Mix aus dezidierter Fehleranalyse und Aufbauarbeit. Er ist lang genug im Job und Realist. Er weiß, dass eine Niederlage gegen Bremen höchstwahrscheinlich eine Pleite zu viel wäre. Sein magerer Punkteschnitt (1,15), die Stagnation in der Entwicklung der teuer aufgerüsteten Mannschaft, sich wiederholende Fehlermuster - Labbadia gehen die Argumente aus. Zur Wahrheit gehört aber auch: Er bekam vor der Saison eine Menge von dem, was er wollte, nicht - einen erfahrenen zentralen Mittelfeldspieler etwa oder einen Flügelspieler.

...der Manager: Michael Preetz' Position ist so geschwächt wie zuletzt 2012, als Hertha im dritten Jahr unter dem Manager Preetz zum zweiten Mal abstieg. Damals hielt ihn der Flankenschutz von Präsident Werner Gegenbauer im Amt. Inzwischen haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben. Mit Carsten Schmidt hat Preetz seit dem 1. Dezember einen Vorgesetzten in der Geschäftsführung. Und Preetz' Fürsprecher Gegenbauer wurde im Oktober bei der Mitgliederversammlung von der Basis abgewatscht: Für seine Wiederwahl stimmten nur 54 Prozent der anwesenden Mitglieder.

Intern werden mehrere Szenarien diskutiert

Zum Vergleich: 2008, als Gegenbauer Präsident wurde, hatte er 77,8 Prozent erhalten, 2012 immerhin 73,2 Prozent und 2016 gar 83,0 Prozent. Preetz (Vertrag bis 2022 plus Option) wird angelastet, mit viel Geld einen Kader gebaut zu haben, der nicht ausbalanciert ist und vor allem zu wenig Führungspersonal aufweist. Im Januar 2020 investierte Hertha wahnwitzige 77 Millionen Euro für Neuzugänge, im Sommer weitere fast 35 Millionen. Eigentlich soll(te) nach der Saison Bilanz gezogen werden. Doch die Dynamik der Krise könnte auch Preetz kurzfristig den Job kosten. Intern werden aktuell mehrere Szenarien diskutiert, auch eine Verpflichtung des aktuell vereinslosen Ralf Rangnick.

Rangnick, der dieser Tage eher mit einem England-Engagement (Chelsea) liebäugelt, und Preetz - dieses Tandem wird es in der Hauptstadt nicht geben. Auch die zumindest durchgespielte Variante, im Notfall den langjährigen Bundesliga-Trainer Pal Dardai (seit Sommer U-16-Trainer bei Hertha) als Retter zurück auf die Kommandobrücke zu holen, würde nach kicker-Informationen eher nicht von und mit Preetz realisiert. In den Gremien des Klubs setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass es wenig plausibel wäre, Labbadia nach neun Monaten zu schassen und den für den teuren Kader und den Trainerverschleiß verantwortlichen Geschäftsführer Sport im Amt zu belassen.

Das Tafelsilber ist zu großen Teilen weg

...der neue CEO: Carsten Schmidt hat eine Schlüsselrolle. Der Vorsitzende der Geschäftsführung dreht seit seinem Amtsantritt jeden Stein im Klub um. Er will sich ein präzises Bild machen und dann - gegebenenfalls - handeln. Der Absturz, der alle im Klub überrascht hat, könnte Schmidt schneller zu Entscheidungen drängen, als er das ursprünglich geplant hatte. Aus seiner Zeit als Frontmann des Pay-TV-Senders Sky weiß man: Schmidt will alle mitnehmen - aber er ist gewiss kein Zauderer. Seine ersten beiden Monate im neuen Amt könnten ihn vergleichsweise zügig dazu bringen, dem kriselnden Klub eine personelle und damit strategische Neuausrichtung zu verordnen. Hertha hat zwei Drittel seiner KGaA-Anteile an Lars Windhorsts Holding Tennor veräußert. Das Tafelsilber ist zu großen Teilen weg - und der sportliche Ertrag angesichts der gewaltigen Investitionen kümmerlich. Das Bremen-Spiel gilt als letzte Ausfahrt für Labbadia - und inzwischen wohl auch für Preetz.

Steffen Rohr

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