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7500 Zuschauer in der 3. Liga: HSG Krefeld Niederrhein schlägt TV Aldekerk

7500 Zuschauer in der 3. Liga

Was das Drittliga-Spiel der HSG Krefeld Niederrhein gegen den TV Aldekerk so besonders macht

Die Aldekerker Gäste sorgten für grandiose Stimmung in der Yayla Arena.

Die Aldekerker Gäste sorgten für grandiose Stimmung in der Yayla Arena. Markus Hausdorf

Wer verstehen will, warum 7468 Menschen zu einem Handball-Drittliga-Spiel kommen, der muss sich ein bisschen mit dem Handballkreis Krefeld-Grenzland auseinandersetzen. Dieser ist einer des mannschaftsstärksten Westdeutschlands und erstreckt sich nicht nur über die Stadt Krefeld, sondern auch bis nach Meerbusch und Nettetal an der deutsch-niederländischen Grenze.

Dementsprechend gibt es einige Mannschaften, die sich schon ab der Jugend regelmäßig in entscheidenden Spielen gegenüberstehen. Dazu gehören - oder gehörten - etwa der SC Bayer 05 Uerdingen, Adler Königshof und der TV Oppum aus der Stadt, oder der TV Lobberich, die Turnerschaft St. Tönis und der TV Aldekerk aus dem Grenzland.

Viel mehr als Dritte Liga war den Krefelder Mannschaften indes selten vergönnt. 2012/2013 spielten Bayer Uerdingen und Adler Königshof gegeneinander in der Drittklassigkeit, ehe sie sich nach Saisonende zum handballerischen Aushängeschild Krefelds zusammenschlossen: der HSG Krefeld. Die Lizenz wurde von Uerdingen gestellt.

Auf- und Abstieg

2019 war es für das Projekt der beiden Mannschaften dann so weit: Im Relegationsrückspiel gegen den HC Empor Rostock behaupteten sich die Seidenstädter dramatisch durch einen Buzzerbeater von Vereinsurgestein Kevin-Christopher KC Brüren und buchten dadurch das Ticket für die 2. Handball Bundesliga.

Die folgende Spielzeit verlief dann aber wenig schmeichelhaft für die Krefelder. Als die Lizenzierungsunterlagen für die kommende Saison eingehen sollten, waren die Niederrheiner bereits so abgeschlagen, dass sie sie gar nicht erst beantragten. Als dann alle Mannschaften die Lizenz wegen der ausgebrochenen Corona-Pandemie erhielten, musste die HSG als einzige Mannschaft absteigen.

Nach der Saison zog sich zudem der SC Bayer Uerdingen aus der Spielgemeinschaft zurück, Adler Königshof verblieb allein und erhielt die Lizenz für die dritte Liga. Bayer Uerdingens erste Herrenmannschaft ist inzwischen nur noch in der Kreisliga A ansässig.

Namenszusatz "Niederrhein"

Nach einer weiteren Saison suchte sich die HSG dann einen neuen Kooperationspartner: den Moerser SC. Fortan nannte sich die Mannschaft HSG Krefeld Niederrhein, und sicherte sich mit den Jugendmannschaften der Moerser zudem erstmals eine Nachwuchsabteilung, die als HSG Eagles Niederrhein aufläuft. Das Flaggschiff dieser Kooperation ist die männliche A-Jugend Regionalliga-Mannschaft.

Der TV Aldekerk ist im Jugendbereich hingegen seit Jahren das stärkste Pferd im Stall des Handballkreises, brilliert nicht nur im weiblichen Bereich, sondern spielt auch im männlichen Bereich weit oben mit. Kerken, etwa 22 Auto-Kilometer vom Krefelder Stadtkern entfernt, ist ein Dorf mit einem besonderen Handball-Faible. Nahezu alle geraten irgendwann in die Fänge des ATV.

Umso größer, als die Kerkener 2022 den Sprung zurück in die 3. Liga schafften und fortan auch das Grenzland des Krefelder Handballkreises vertreten war. Das Duell zwischen der HSG und dem ATV ist also eine Art Stellvertreter für den Kampf zwischen Stadtkern und Grenzland. Wichtig hier ist: nicht alle Dorfmannschaften haben sich gegenseitig lieb, und nicht alle halten es mit Aldekerk. Selbiges gilt für die Städter und ihr Verhältnis zur HSG.

Beim letzten Spiel in der Yayla Arena erstrahlte die Halle teilweise in Grün und Weiß - also in den Farben Aldekerks -, der Endstand lautete nach einem intensiven Spiel 32:32. Der TV Aldekerk hatte das Krefelder Eishockeystadion an diesem Abend erobern können.

"Hier regiert der ATV"

Das gelang den Kerkenern diesmal erneut im Vorfeld des Spiels. Zum Warm-Up auf das große Derby standen sich nämlich die jeweiligen männlichen Regionalliga-A-Jugenden gegenüber. Dabei spielten sich die Grün-Weißen mit einem gnadenlosen Umschaltspiel schnell auf die Siegerstraße, markierten nach 17 Minuten bereits Tor Nummer 20. Über einen 15:25-Halbzeitstand kämpften sich die Krefelder immerhin zu einer stärkeren zweiten Halbzeit und verloren letztlich 31:42.

Bei den obligatorischen Interviews und Moderationen vor Spielbeginn konnte man dann aus Krefelder Ecke hören, die Aldekerker Jugendarbeit sei ein Vorbild für die HSG. Die A-Jugend der Seidenstädter geht nach der Saison in den Seniorenbereich, dahinter gibt es noch fünf Mannschaften aus allen Jugenden, die im Kreis angesiedelt sind.

Der ATV präsentierte seine starke Nachwuchsarbeit allein durch die enorme Präsenz an grünen Trikots in der Halle. Auch bei der Eröffnungsfeier ignorierten die Fans der Gäste die vorgetragene Musik konsequent und sorgten mit Fahnen, Gesängen und Getanze für Ultra-Atmosphäre. Eine Videobotschaft des Krefelder Kapitäns pfiffen die Kerkener zudem lautstark aus. Zu ihrer Verteidigung: Ihrem Kapitän war zuvor von Moderationsseite ein falscher Vorname angedichtet worden.

Wechselhafter erster Durchgang

Der TV Aldekerk begann offensiv im Sieben-gegen-Sechs und legte sich die HSG Krefeld Niederrhein in den Anfangsminuten so zurecht. Zudem verworfen die Seidenstädter auf der Gegenseite Wurf um Wurf. Einzig Martin Juzbasic zwischen den Pfosten der Gastgeber verhinderte schlimmeres, so führten die Gäste mit zwei Treffern.

Krefeld fing sich jedoch und unterbrach fortan die Kreisanspiele und das Abräumen auf Außen immer besser. Mehrere Treffer ins verwaiste Aldekerker Tor sorgten für eine schnelle Wende zugunsten der Gastgeber, die den ATV beim 8:5 zur ersten Auszeit zwangen. Etwa eine Viertelstunde war gespielt.

Den Krefeldern gelang es erst, sich auf 9:5 abzusetzen, ehe Aldekerk mit einem Sturmlauf wieder einen Gleichstand herstellte. Danach kam die Mannschaft rund um Spielertrainer Tim Gentges - früher selbst bei der HSG - dem Favoriten aber nicht mehr bei. Die Seidenstädter dominierten und gingen mit einem 14:11 in die Pause.

Krefeld zieht dem ATV den Zahn

Die HSG Krefeld Niederrhein kam stark aus der Kabine und überrannte die Gäste mit einem 5:1-Lauf vom 16:14 zum 21:15 (40.). Die Aldekerker reagierten mit der zweiten Auszeit, die Chancen für den Underdog waren immer kleiner geworden. Zudem war der zuvor lautstarke Fanblock immer weniger gut zu hören.

Die Hausherren ließen sich ihren Vorsprung in den letzten 20 Minuten nicht mehr nehmen. Auch die Rückkehr ins Überzahlspiel brachte dem TV Aldekerk kein Aufbäumen, stattdessen bauten die Seidenstädter ihren Vorsprung mit viel Souveränität auf zehn Treffer beim 25:15 aus. Daran sollte sich auch in den letzten zehn Minuten nichts ändern, die HSG bejubelte einen 31:21-Sieg.

„Wie im letzten Jahr war die Stimmung auch heute wieder sehr gut und in den ersten Minuten haben wir erstmal geschaut, wie beide Mannschaften überhaupt ins Spiel kommen, denn es ist schon was Besonderes vor so vielen Leuten zu spielen", analysierte HSG-Cheftrainer Mark Schmetz nach dem Spiel: "Wir haben über 60 Minuten eine gute Abwehr gestellt und für uns war wichtig das Tempo hochzuhalten, vorne unsere Lösungen zu finden und Aldekerk keine einfachen Tore werfen zu lassen. Das haben wir diszipliniert und souverän durchgezogen und konnten so unsere Tore machen und die zwei Punkte am Ende in Krefeld behalten!"

Mit 7468 Zuschauern waren etwa 800 weniger gekommen als noch im Vorjahr. Gerade am Spielfeldrand blieben einige Stühle unbesetzt. Schmälern konnte das die Kulisse nicht - Krefeld und Aldekerk sorgten für eine Stimmung, die sich auch einige höherklassige Teams durchaus als Beispiel nehmen könnten. Nun geht es für die Mannschaften an beiden Enden der Tabelle weiter. Krefeld will aufsteigen, der TV Aldekerk die Klasse halten. Das Handballherz sagt irgendwie: Kann das Derby-Spiel nicht bleiben?

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Maximilian Otte