Bundesliga

Über 100 Verletzte bei den Ausschreitungen in Frankfurt

Viele Fragen offen - Die Schilderungen gehen auseinander

Über 100 Verletzte bei den Ausschreitungen in Frankfurt

Die Frankfurter Ultras stellten den Support gegen den VfB komplett ein.

Die Frankfurter Ultras stellten den Support gegen den VfB komplett ein. IMAGO/Jan Huebner

Die schweren Ausschreitungen rund um das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart markieren einen neuen Tiefpunkt im Verhältnis zwischen den Frankfurter Anhängern und der Polizei. Auf die beängstigenden Szenen vor dem Anpfiff folgte eine fast schon gespenstische Ruhe während des Spiels. Die Ultras stellten über die gesamte Spieldauer den organisierten Support ein und kehrten erst rund 20 Minuten nach dem Anpfiff in die Blöcke zurück.

Auch am Tag danach gibt es viele offene Fragen. Die Schilderungen gehen weit auseinander, Falschaussagen machen die Runde. In den sozialen Netzwerken kursieren Videos, die zeigen, wie die Polizei im Umlauf der Nordwestkurve mit diversen Gegenständen beworfen wird. Ebenfalls zu erkennen ist der massive Einsatz von Reizstoffen seitens der Polizei.

Polizei hat Ermittlungen aufgenommen

Der genaue Auslöser ist unklar. In einer am späten Samstagabend veröffentlichten Pressemitteilung der Polizei steht, dass Eintracht-Anhänger gegen 17.45 Uhr Ordner bei einer Zugangskontrolle vor Block 40 angegriffen hätten. "Dabei attackierten sie auch vor Ort befindliche Rettungskräfte. Als der Ordnungsdienst die Polizei daraufhin um Hilfe rief, solidarisierte sich spontan eine große Zahl von Angehörigen der Frankfurter Risikofanszene und attackierte massiv die Einsatzkräfte. Unter anderem kam es zu einer Vielzahl von gezielten Würfen mit Flaschen, Pyrotechnik und schweren Eisengittern", schreibt die Polizei. Weiter heißt es: "Die Polizei setzte zur Abwehr der Angriffe einfache körperliche Gewalt, Pfefferspray und Schlagstöcke ein und stoppte die Ausschreitungen durch die sofortige Herbeiführung weiterer Einsatzkräfte." Es kam zu mehreren Festnahmen. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte.

Widersprüchlich ist, dass die Polizei um 18.06 Uhr im sozialen Netzwerk "X" schrieb: "Auf dem Stadiongelände suchten rivalisierende Fangruppen zunächst die Eskalation untereinander, gingen dann beim Einschreiten unserer Einsatzkräfte dazu über, diese vehement anzugreifen." Dazu sagt der für Fanangelegenheiten zuständige Eintracht-Vorstand Philipp Reschke: "Ich habe keine Information, die das bestätigen würde - von keiner Seite." Um 18.50 Uhr kommunizierte die Polizei an gleicher Stelle den angeblichen Angriff auf die Ordner. Auch in der späteren Pressemitteilung steht nichts von rivalisierenden Fangruppen.

Die unterschiedlichen Ausführungen der Polizei zeigen, dass alle Aussagen rund um diesen finsteren Abend mit Vorsicht zu genießen sind. Für weitere Ermittlungen richtete die Polizei die Sonderkommission "SOKO2511" ein. Die Fanhilfe "Der 13. Mann" schreibt in einer Stellungnahme von einer "versuchten Festnahme durch eine zivil gekleidete Person". Nur Sekunden später hätte die Polizei "massiv den Bereich vor Block 40" betreten. Auch diese Schilderung lässt sich zur Stunde nicht verifizieren. Klar ist allein: Die Lage eskalierte rasch.

Fanhilfe spricht von sieben Schwerverletzten

Laut Polizei sei eine "mittlere zweistellige Zahl" an Beamten verletzt worden. Die Fanhilfe berichtet von "mindestens 70 verletzten Fans, davon sieben Schwerverletzte". Teilweise seien Fans bewusstlos die Treppen heruntergestürzt. Es gibt zahlreiche übereinstimmende Schilderungen, wonach ganz normale Fans, darunter auch Frauen und Kinder, Reizstoffe abbekamen und behandelt werden mussten. Das stellt die Strategie der von einem neuen Einsatzleiter geführten Polizei infrage. Wenn Unbeteiligte verletzt werden und beim Stadionbesuch Angst vor den Uniformierten haben, muss etwas gehörig schief gegangen sein. Nach dem Ausbau umfasst die Nordwestkurve 18.000 Stehplätze. Die große Mehrzahl der Fans, die dort stehen, ist friedlich.

Allerdings bietet die Eintracht auch Hunderten gewaltaffinen Ultras und Hooligans eine Heimat. Für verschiedene Vergehen musste der Klub 2022/23 eine Rekordstrafe in Höhe von 976.200 Euro zahlen. In der Conference League muss die Eintracht am letzten Gruppenspieltag ohne ihre Fans in Aberdeen auskommen. Diese Kollektivstrafe verhängte die UEFA, nachdem in Helsinki ein Spieler von einem Becher getroffen wurde und etliche Bengalos brannten. Der Verein verfolgt seit Jahren eine Strategie des Dialogs, um noch Schlimmeres zu verhindern. Nach den schweren Ausschreitungen steht der Klub allerdings mehr denn je in der Pflicht, kriminelle Gewalttäter ein für alle Mal auszusperren.

Zugleich müssen im Hintergrund alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um neuerliche Ausschreitungen beim kommenden Heimspiel in der Conference League gegen PAOK Saloniki zu verhindern. Nach den Rudelbildungen im Hinspiel birgt das Spiel sportlich einige Brisanz. Zu hoffen bleibt, dass es nur auf dem Rasen hoch hergehen wird und der Sport endlich wieder im Mittelpunkt steht.

Julian Franzke