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Patrick Lange vor Iron Man: "Das, wofür ich gemacht bin"

Rückkehr nach Hawaii

Triathlon-Star Lange vor dem Ironman: "Es ist genau das, wofür ich gemacht bin"

Hat seinen Spaß auf Hawaii: Patrick Lange.

Hat seinen Spaß auf Hawaii: Patrick Lange. IMAGO/Beautiful Sports

2020 wurde das Mega-Event abgesagt, 2021 verlegt auf den vergangenen Mai in St. George/Utah - mit den Siegern Kristian Blummenfelt (Norwegen) und Daniela Ryf (Schweiz). Über die Rückkehr nach Kailua-Kona und auf das Rennen am Samstag (18.25 Uhr MESZ, live im ZDF-Steam ab 18.15 Uhr, im TV ab 0.25 Uhr) freut sich auch Patrick Lange (36).

2017 wurde er Weltmeister, ebenso wie 2018, als er in 7:52:39 Stunden als Erster auf Hawaii unter acht Stunden blieb. Zuletzt in St. George fehlte Lange wegen einer Schulterverletzung, die er sich im Februar bei einem Sturz mit dem Rad zugezogen hatte. Im Sommer folgte eine Corona-Infektion. Der ehemalige Darmstädter lebt seit 2019 mit seiner österreichischen Ehefrau Julia in der Nähe von Salzburg.

Herr Lange, was fasziniert Sie am Triathlon?
Mein erster Kontakt zum Triathlon war tatsächlich der Ironman Hawaii. Am Fernsehen, 1997, als Thomas Hellriegel gewonnen hat. Diese Bilder haben sich in meinem Kopf festgesetzt. Und nachdem ich auch die diversen Fußball-Stationen durchlaufen hatte… Erst war ich Torwart, das gefiel mir überhaupt nicht, weil ich ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom habe und mich immer bewegen muss. Also bin ich ins Mittelfeld und dadurch aufgefallen, dass ich rauf- und runtergelaufen bin, ohne kaputtzugehen.

Also war schon früh klar: Der Junge hat vielleicht andere Qualitäten als Ballkontrolle, eher im Ausdauerbereich. Und so bin ich häufiger mit meinem Vater, einem hobbymäßigen Marathonläufer, mitgerannt - und letztendlich beim Triathlon gelandet, zunächst auf kürzeren Strecken. Aber ehrlich gesagt, habe ich immer vom Ironman auf Hawaii geträumt, von der Insel, von der Vulkanlandschaft… Das hat mich immer fasziniert. Und sobald man die Triathlon-Blase betritt, ist der Ironman Hawaii allgegenwärtig. Von daher war das mein ganz klares Ziel.

Spektakel: Neben dem Sport ist auch für Show gesorgt.

Spektakel: Neben dem Sport ist auch für Show gesorgt. Getty Images for IRONMAN

Was macht insbesondere einen Ironman aus?
Vor allem die Ausdauerkomponente. Auch, dass man als der härteste Athlet eines Ein-Tages-Events bezeichnet wurde - eben als "Ironman". Das hat mich gefangen. Mein Bauchgefühl hat mir immer gesagt, dass es genau das ist, wofür ich gemacht bin.

Und warum Hawaii?
Egal, wie unterschiedlich wir Profis charakterlich sind. Uns alle eint das Wissen, dass Hawaii uneingeschränkt das Rennen ist, das zählt, das die größte Bedeutung hat. Wohl deshalb, weil unsere Sportart auf Hawaii geboren wurde, dass die Idee des Triathlons von dort stammt. Dieses Rennen ist das Mekka unseres Sports, mit all seinen Legenden. Und man selbst ist versucht, seinen Teil dazu beizutragen, dass diese Legende weiterlebt.

Sie sind bereits Teil der Legende, als zweimaliger Hawaii-Gewinner. Ein Olympiasieger sagt oft: Mehr kann ich nicht erreichen. Was hält Sie bei der Stange?
Diese Frage muss auch ich mir immer wieder neu stellen. Was treibt mich an? Ich schildere es mal chronologisch: 2016, bei meinem ersten Hawaii-Start, wurde ich Dritter. Heißt, 2017 wollte ich gewinnen - hat geklappt, mit Streckenrekord. 2018 hat mich motiviert: Beweisen, dass ich keine Eintagsfliege bin, als Erster unter 8 Stunden bleiben - und ich hatte meinen Heiratsantrag im Kopf, den ich Julia machen wollte. Hat auch geklappt (lacht)

Corona hat mich auch neu motiviert. Ich saß auf der "Ersatzbank" und erfuhr, wie schlimm es ist, nicht an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen.

Patrick Lange

Dann kamen schwierige Jahre mit der Erkrankung und dem Tod Ihrer Mutter, dazu die Hawaii-Absagen wegen Corona.
Das war auch 2019 das Problem. Da haben mich viele Sachen aus dem Mode gebracht. Andererseits: Corona hat mich auch neu motiviert. Ich saß auf der "Ersatzbank" und erfuhr, wie schlimm es ist, nicht an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen. Das hat neues Feuer entfacht. Gleichzeitig habe ich Veränderungen in meinem Team vorgenommen, die auch gefruchtet haben. So folgte 2021 nach zwei Seuchenjahren wieder eine hervorragende Saison (u.a. Sieger in Roth, d. Red.).

In diesem Jahr waren Sie Zweiter beim stets hochklassigen Ironman in Roth. Wie aussagekräftig ist das für Hawaii?
Man erkennt schon, wie weit man in Form ist. Roth war für mich diesmal speziell, weil ich nach meiner schweren Schultereckgelenksprengung im Februar nach ärztlicher Einschätzung gar nicht hätte starten können. Das zeigt mir, welches Potenzial ich noch für die kommenden Jahre habe, wie gut mein "Heilfleisch" ist. Ich bin dort die schnellste jemals auf einer Langstrecke registrierte Marathonzeit gelaufen (2:35:10 Stunden, d. Red.). Für mich ein absolutes Aha-Erlebnis, zu sehen, was möglich ist. Und das gibt natürlich Rückenwind für Hawaii.

Mit welchem Ziel starten Sie 2022?
Wann immer ich am Start stehe, möchte ich gewinnen. Auch mein Training ist natürlich auf einen optimalen Rennverlauf ausgerichtet - und bei einem optimalen Rennverlauf gewinne ich in der Regel. (lacht) Aber zum Beispiel in Roth wurde ich Zweiter und sage: Das war eines meiner besten Rennen überhaupt. Je nach Bedingungen und mentaler Belastung lautet mein Ziel, meine bestmögliche Leistung an dem Tag abzurufen - und dann wird’s auch für relativ weit vorne reichen.

Tolle Aussicht: Während des Wettkampfs haben die Athletinnen und Athleten keine Zeit für die schöne Natur.

Tolle Aussicht: Während des Wettkampfs haben die Athletinnen und Athleten keine Zeit für die schöne Natur. Getty Images for IRONMAN

Was ist für Sie persönlich das Schwierigste auf Hawaii?
Das sind die Bedingungen. Was es ganz gut beschreibt: Es gibt da beim Marathon eine Stelle "Energy Lab". Das muss man sich wie eine Kuhle vorstellen. Da ist es so heiß, dass Athleten schon ihre Schuhsohlen verloren haben, weil sich der Kleber verflüssigt hat. Diese extreme Hitze, extremer Wind beim Radfahren auf dem Highway, generell extreme Luftfeuchtigkeit - das alles gepaart mit einem absoluten Top-Feld, wie du es das ganze Jahr sonst nicht siehst - all das macht das Ganze sehr speziell.

Seit 2014 hat auf Hawaii stets ein Deutscher gewonnen, 2019 mit Anne Haug auch erstmals eine deutsche Frau. Woran liegt das?
Ich glaube, dass wir von den Erfahrungen anderer Athleten, die das Rennen schon mal gewonnen haben, extrem profitieren. Ich zum Bespiel bin von Faris Al-Sultan trainiert worden, dem Sieger von 2005. Sebastian Kienle hat ein gutes Verhältnis zu Thomas Hellriegel. Und die Philosophie hinter dem Training entspricht sehr unseren Tugenden und dem deutschen Werte-System: hart arbeiten, konsequent handeln, Durchhaltevermögen beweisen.

Nun haben Jan Frodeno, Sieger 2015, 2016, 2019, und Sebastian Kienle, der Gewinner 2014, ihr Karriereende für 2023 angekündigt. Bröckelt damit die deutsche Dominanz?
Wir sind immer noch eine starke Community. Und es kommen neue Jungs hoch mit dem Potenzial, auch Hawaii mal gewinnen zu können. Ich denke da an Frederik Funk (2021 Europameister auf der Halbdistanz, d. Red.), mal sehen, wie der sich auf der Langstrecke schlägt, oder an Jan Stratmann aus meiner Trainingsgruppe unter Björn Geesmann. Ich selbst werde noch einige Jahre im Sport bleiben und versuchen, diese deutsche Phalanx möglichst lange aufrechtzuerhalten.

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Wo sehen Sie Ihre eigenen Stärken und Reserven?
Meine klare Stärke, das, womit ich meine Rennen gewinne, ist das Laufen. Ich denke, ich habe dazu beigetragen, dass sich die Sportart in dieser Richtung weiterentwickelt hat. Ich habe mich als Erster sehr intensiv mit dem Aspekt Lauf-Technik beschäftigt und mit Adidas Schuhe entwickelt. Das zahlt sich jetzt für mich aus. Generell sehe ich - gerade nach meiner Schulterverletzung - noch Reserven im Schwimmen. Da ist bei mir in den vergangenen Jahren viel passiert. Ich bin von einem Athleten, der regelmäßig an der Spitze des Feldes aus dem Wasser kam, zu einem geworden, der standartmäßig ganz vorne rauskommt. Dann hat mich die Schulterverletzung im Februar zurückgeworfen. Da muss ich noch was aufholen.

Apropos Schuhentwicklung: In vielen Sportarten spielt das Material eine immer größere Rolle. Gilt das auch für Triathlon?
Der Triathlon ist die Königsdisziplin der Materialschlacht. Das ist wirklich der Wahnsinn. Ich bin froh über Partner, die mich unterstützen. So hat zum Beispiel mein Rad-Sponsor von meinen Körpermaßen eine 3-D-gedruckte Figur, die sie aufs Rad setzen und so im Windkanal die Aerodynamik optimieren können. Oder eben die Schuhe mit den Karbonsohlen und einem speziellen Dämpfungsmaterial. Man muss am Puls der Zeit sein, um nicht abgehängt zu werden.

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Sie haben in diesem Jahr eine Autobiografie herausgebracht mit dem Titel "Becoming Ironman". Ist das nicht ein bisschen früh?
Mir war es wichtig, mal meinen Werdegang und den Menschen zu zeigen. Ich war offenbar nicht immer optimal beraten. Meine Außendarstellung hat nicht mit dem wirklichen Menschen Patrick Lange übereingestimmt. Die Anfrage des Verlages kam zu einem Zeitpunkt in meiner nun schon 20-jährigen Karriere, wo ich an einem Scheidepunkt war. Für mich hat es gepasst, jetzt mal zu dokumentieren, dass ich ein anderer Athlet bin als meine Konkurrenten, und dass das auch okay ist. Zumindest in der Triathlon-Szene habe ich dieses Ziel erreicht. Ich werde oft auf das Buch angesprochen und höre, dass es Nuancen gibt, wo jeder für sich etwas herausziehen kann.

Aber es ist nicht nur für Spezialisten geschrieben?
Nein. Ich denke, jeder sportinteressierte Mensch kann daraus etwas mitnehmen, Anreize für sein eigenes Handeln finden. Weil das Buch auch ganz klar die Achterbahn des Erfolges aufzeigt. Ich bin jemand, der einen wirklich untypischen Weg zum Erfolg genommen hat. Der gegen enorme Widerstände in der Jugend kämpfen musste. Teile meiner Familie haben damals versucht, mir meinen Plan auszutreiben.

Mit 12 Jahren die Stärke zu haben und zu sagen: Nein, ich verfolge meinen Traum und gehe den Weg, war nicht leicht. Ich will zeigen, dass dieser Weg eben nicht gradlinig aufsteigend zum Weltklasse-Athleten geführt hat. Dass es auch andere Modelle des Erfolges gibt, dass man dranbleiben muss, trotz der Steine, die einem in den Weg gelegt werden. Wie ich eingangs schon sagte: Wenn einem das Bauchgefühl sagt, dass es das ist, wofür man brennt…

Interview: Sabine Vögele