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Toni Kroos: Ein Großer tritt ab - Es ist der richtige Schritt

Würdigung

Toni Kroos: Ein Großer tritt ab - Es ist der richtige Schritt

Die Weltmeisterschaft 2014 - der Höhepunkt der Nationalmannschaftskarriere von Toni Kroos.

Die Weltmeisterschaft 2014 - der Höhepunkt der Nationalmannschaftskarriere von Toni Kroos. Getty Images

Diese Entscheidung kommt nicht überraschend. Schon nach der missratenen Weltmeisterschaft 2018 wälzte Toni Kroos diesen Gedanken, nun machte er ihn wahr: Für ihn ist nach 106 Länderspielen Schluss beim DFB. Es ist ein vernünftiger und vollkommen richtiger Entschluss, den Kroos da gefasst hat, obwohl sein Alter von 31 Jahren eine Fortsetzung seiner Laufbahn im Nationalmannschaftstrikot durchaus noch erlaubt hätte. Doch Kroos, feinfühlig nicht nur als Fußballspieler, sondern auch als Mensch, spürte, dass er sich damit keinen Gefallen getan hätte.

Enormes Vertrauen von Löw

Schon nach der WM 2018 und seither immer wieder, verstärkt unmittelbar vor und während der aktuellen EM, wurden die Zweifel an seinem Status immer lauter, drängender die Forderungen, die von Joachim Löw verfügte Stammplatzgarantie zu löschen. Doch der Bundestrainer erwog nicht im Ansatz, eine Startelf ohne Kroos zusammenzustellen. Für ihn war seine Nummer 8, die Kroos tatsächlich immer darstellte und nie eine Nummer 6, die er in diesem Turnier hätte sein sollen, der Stratege und Gestalter. Deshalb baute er Mittelfeld-Konstellationen um diesen Fixpunkt, Joshua Kimmich musste urplötzlich nach rechts weichen, weil sonst mindestens ein Mann im Zentralbereich zu viel gewesen wäre. Kimmich, Leon Goretzka, Ilkay Gündogan, auch Florian Neuhaus hießen die anderen Kandidaten für das Mittelfeld.

Doch dieses enorme Vertrauen des Bundestrainers konnte Kroos nicht mehr rechtfertigen. Die Debatten um seine Person und Position, die sich an dieses zweite erfolglose Turnier hintereinander angeschlossen hätte, hat er nun vorauseilend abgegrätscht. Mit dieser Aktion bewies er den Weit- und Rundumblick, der ihn auf dem Feld schon vor der Ballannahme und der geschickten Weiterverarbeitung auszeichnete. Zudem erspart er damit dem neuen Bundestrainer Hansi Flick weitere öffentliche und auch interne Diskussionen. Kroos macht den Weg frei für die ambitionierten Nachfolger, die nun diese Lücke schließen müssen.

Im Hunderter-Klub der DFB-Auswahl

Denn bei aller Kritik an seiner Spielweise mit vielen verlangsamenden Querpässen und der dosierten Beschleunigung war er für den DFB ein großer Spieler. Mehr als seine 106 Länderspiele hatten lediglich sechs andere Auserwählte in der deutschen Fußballhistorie: Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (150 Einsätze), Miroslav Klose (137), Lukas Podolski (130), Bastian Schweinsteiger (121), Philipp Lahm (113) und Jürgen Klinsmann (108). Diese Quantität gründet selbstredend auf sportlicher Qualität. Kroos beherrschte den Präzisionspass über die Kurz- wie Langstrecke, den Ball wusste er mit einer selten gesehenen Selbstverständlichkeit dank eines so logisch und leicht aussehenden Körpereinsatzes zu behaupten. Außerdem verfügte er über einen satten Schuss, 17 Tore sind da eine zu geringe Quote, auch die Assists, 16, erscheinen nicht sonderlich viele.

Stille Führungsfigur und einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer

Als Typ strahlte Kroos Autorität, Souveränität, Dominanz und Ruhe aus. Ihn schien nichts erschüttern zu können. Er war eine stille Führungsfigur, die große Geste gehört nicht zu seinem Stil und Naturell, was ihn authentisch und sympathisch macht.

Hören gemeinsam auf: Toni Kroos und Bundestrainer Joachim Löw.

Hören gemeinsam auf: Toni Kroos und Bundestrainer Joachim Löw. imago images

Was am 3. März 2010 in München beim 0:1 gegen Argentinien begann - Kroos debütierte seinerzeit wie Thomas Müller, für den bislang ebenfalls 106 Einsätze gelistet sind, was für ein Zufall! -, endete nun in Wembley. Passend war die ehrwürdige Stätte, unpassend das Ergebnis. Dreimal nahm Kroos an einer Europameisterschaft, dreimal reichte es nicht zum Titel. Dreimal spielte Kroos ein Weltturnier, 2014 kehrte er als Weltmeister aus Brasilien heim. Er war ein wichtiger Teil dieser goldenen deutschen Generation der 2010-er Jahre. Obwohl seine Vita nicht der Doppeltriumph aus Welt- und Europameisterschaft schmückt, zählt er zu den erfolgreichsten deutschen Fußballern. Mit dem FC Bayern gewann er einmal und mit Real Madrid dreimal die Champions League. Beim "königlichen Klub" aus Madrid ist er seit 2014 angestellt, dort hat er sein Glück gefunden, wie diese bemerkenswert lange Verweildauer mit diesen Erfolgen (zusätzlich zweimal Meister Spaniens) belegt. Bei Real gilt seine Anstellung noch bis 2023, dort wird er sich weiteren Herausforderungen in diesem notorisch aufgeregten Verein und Fußball stellen.

Außerdem möchte er sich mehr seiner Familie widmen, wie er mitteilt. Wenn Kroos betont, künftig mehr Ehemann und Papa für seine drei Kinder sein zu wollen, klingen diese Worte nicht aufgesetzt, sondern absolut glaubhaft.

Dirigent, Passmaschine, Weltmeister: Die DFB-Karriere von Toni Kroos