Bundesliga

Jonathan Tah im Interview: "Das ist wirklich verrückt"

Leverkusens Abwehrchef über WM-Chancen, Seoane und die Krise

Tah im Interview: "Das ist gerade wirklich verrückt"

"Man muss immer bei sich selbst anfangen": Jonathan Tah.

"Man muss immer bei sich selbst anfangen": Jonathan Tah. IMAGO/Laci Perenyi

kicker: Herr Tah, wie schätzen Sie die aktuelle Situation bei Bayer 04 ein?

Jonathan Tah (26): Wir machen gerade eine schwierige Phase durch.

Bayer hat nach sieben Spielen nur fünf Punkte auf dem Konto. Wo sehen Sie Ansatzpunkte, den Bock umzustoßen?

Man sieht, dass wir zuletzt keine schlechten Spiele gemacht haben, aber dass wir es aktuell einfach nicht schaffen, zu finalisieren, unsere aussichtsreichen Situationen zum Abschluss zu bringen. Am Ende geraten wir ins Straucheln, weil wir halt nur 1:0 führen und dann ein Standardgegentor kriegen - was auch zu oft passiert.

Wie nehmen Sie diese immer wiederkehrenden Negativerlebnisse wahr?

Das ist gerade wirklich verrückt. Wenn ich mir nur die erste Hälfte gegen Bremen ansehe, habe ich das Gefühl, dass wir 3:0 gewinnen. Und am Ende geht es halt wieder nur 1:1 aus. Es gibt sicherlich unterschiedliche Ansatzpunkte, aber am Ende sind wir es alle als Team. Mit den Trainern und dem ganzen Verein müssen wir gemeinsam schauen, was jeder Einzelne besser machen kann.

Was macht das mit der Mannschaft, wenn man es immer wieder versucht und immer wieder mehr ans sich selbst scheitert als am Gegner?

Du bist schon geknickt, wenn du danach in der Kabine sitzt und dir denkst: Was war das jetzt? Woran genau hat es gelegen? Was haben wir nicht gut gemacht? Was hätten wir noch besser machen können? Wenn du weißt, dass du ein scheiß Spiel abgeliefert, dem Gegner zu viel gegeben und deswegen verloren hast, dann ist es ein anderes Gefühl als dieses, das wir jetzt haben. Aber gerade auch das sollte uns positive Energie und Hoffnung geben für die nächsten Spiele. Wir müssen genau da weitermachen, das Positive aus den Spielen rausziehen. Wir müssen einfach unsere Chancen besser ausspielen und beenden und gleichzeitig darauf achten, dass wir nicht so einfache Gegentore bekommen.

Die müssen zuerst sich selbst hinterfragen.

Jonathan Tah über Leverkusens Führungsspieler

Nach dem 1:1 gegen Bremen hatte der Klub zum ersten Mal auf die Frage nach dem Trainer nicht unmissverständlich erklärt, dass es mit Gerardo Seoane weitergeht, und sich ein Hintertürchen offengelassen. Wie haben Sie den Trainer in dieser für ihn neuen Situation erlebt?

Er übernimmt sehr viel Verantwortung, stellt sich vor die Mannschaft, ist weiterhin sehr kritisch mit uns Spielern, aber eben auch mit sich selbst. Genauso steht die Mannschaft hinter dem Trainer - unser gegenseitiges Vertrauen ist groß, da gibt es eine gemeinsame Linie. Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir es zusammen da raus schaffen. Und so gehen wir es gemeinsam an.

Am Dienstag hat der Verein sich dann zum Trainer positioniert, dass dieser "fest im Sattel" sitzt.

Ich kann nur sagen, dass die Mannschaft das genau so will und alles dafür gibt.

Sie sagen, der Trainer übernimmt Verantwortung. Wie zeigt sich das?

Das war schon immer so. Auch in der vergangenen Saison, wenn wir mal schwierige Phasen hatten, hat er geschaut, was können wir, aber auch, was kann er in seinem eigenen Handeln besser machen. Auch im Umgang mit uns. Das finde ich gut, weil er nun mal als der Chef derjenige ist, der die Entscheidungen trifft. Dass er als Vorbild vorangeht, bei sich anfängt und erst dann auf die anderen schaut - genau so sollte das auch jeder einzelne Spieler tun. Und natürlich auch die Leader in der Mannschaft, zu denen ich mich zähle. Die müssen zuerst sich selbst hinterfragen, ehe sie sich mit den Leistungen der anderen beschäftigen. Nur so geht es. Man muss immer bei sich selbst anfangen und in den Spiegel gucken.

Kommt die Länderspielpause angesichts der schwierigen Situation in Leverkusen auch gelegen, um kurz durchschnaufen zu können?

Vielleicht tut uns das gerade mal ganz gut. Wir haben ja noch ein paar Spieler hier, mit denen wir wirklich gute Trainingseinheiten durchführen, viel investieren, viel reflektieren können.

Zu Ihnen persönlich. Die Nationalmannschaft trifft sich gerade letztmals vor der WM im November. Sie sind jetzt bei den Spielen gegen Ungarn und in England nicht dabei. Wie bewerten Sie das?

Es ist natürlich schade und enttäuschend, wenn man nicht dabei ist. Das ist immer so und das wird sich, glaube ich, auch nie ändern. Aber ich mache natürlich trotzdem weiter. Jetzt erst recht. Die Phase, die wir gerade mit Bayer 04 durchleben, zehrt natürlich an einem. Man investiert sehr viel Energie. Das werde ich weiterhin tun und versuchen, mich für die WM anzubieten. Ich will dabei sein. So eine Endrunde ist ein großartiges Turnier. Das wird weiterhin mein Ziel bleiben, auch wenn ich aktuell nicht dabei bin.

Besteht denn überhaupt noch eine realistische Chance für Sie, auf den WM-Zug aufzuspringen?

So hat man es mir gesagt, dass diese Tür nicht geschlossen ist für mich.

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