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Spors über 777 Partners: "Jeder ist Erster unter Gleichen"

777-Partners-Sportchef im Interview

Spors: "Jeder ist Erster unter Gleichen, es gibt bei uns keine Hierarchie"

"Fast permanent unterwegs von Klub zu Klub": Johannes Spors.

"Fast permanent unterwegs von Klub zu Klub": Johannes Spors. Getty Images

Herr Spors, salopp gefragt: Was macht ein Global Sports Director? Schauen, welcher Profi von beispielsweise Genua CFC gut zu Hertha BSC passen und die Mannschaft sportlich verstärken könnte?

Auch das ist ein Teil meiner sehr vielfältigen Aufgaben. Unsere Klubs auf verschiedenen Kontinenten decken verschiedene Fußballkulturen und sportliche Levels ab. Das Transfergeschäft ist wichtig, genauso aber die Arbeit mit unserem Scouting und der Kaderplanungsprozess. Das eine ist der tägliche Austausch mit allen Sportdirektoren in den Klubs, um Dinge zu antizipieren und nah dran zu sein. Das andere ist, Synergien zu schaffen, wofür man viel Kommunikation und Transparenz benötigt, weil das einen großen Mehrwert für alle bringt.

Wie sprechen Sie mit den Direktoren: als konstruktiver Partner oder als Chef, der klare Ansagen macht?

Ich bin froh, dass wir starke Sportdirektoren haben, die in allen Vereinen tolle Arbeit machen. Meine Rolle ist es, das große Ganze im Blick zu haben, Entscheidungen durch viel Kommunikation zu antizipieren und im konstruktiven Austausch zu helfen und so Entscheidungen zu lenken. Ständig den Hammer rauszuholen, entspricht nicht meiner Idee und ist dann auch gar nicht notwendig.

Entsprechend viel werden Sie reisen, oder?

Ich bin fast permanent unterwegs von Klub zu Klub. Klar findet viel Kommunikation über Technologie statt, ich spreche beinahe täglich mit jedem Sportdirektor jedes einzelnen Klubs und schaffe den Raum für wöchentlichen Austausch untereinander. Zudem kommen alle Chefscouts und Sportdirektoren regelmäßig zusammen. Erst letzte Woche haben wir uns in Berlin zu unserem "777 Football Group Summit" getroffen. Dies gab uns die Möglichkeit, zusammen an Ideen zu arbeiten zu den Themen Spielerentwicklung, Performance, Kaderplanung sowie Daten und Analysen auszutauschen. Dennoch muss ich möglichst viele Spiele und Trainingseinheiten sehen, weil du nur so den Fußball im jeweiligen Umfeld und die Vereinskultur spürst.

Sie sprechen von Synergien: Braucht es dafür eine einheitliche Spielphilosophie wie bei RB?

Es braucht auf jeden Fall eine klare Idee, die wir auch sehr genau im Blick haben. Wir haben eine sehr hohe Diversität in unserer Gruppe an Fußballkulturen und Niveau, was es zu respektieren gilt. Wir haben Kriterien definiert und messen diese auch, wir wollen Intensität und Tempo sehen. Das wiederum beeinflusst die Personalauswahl bei Trainern und Spielern und vor allem die Kaderstruktur. In jedem Klub haben wir die Kader verjüngt und deutlich mehr Werte geschaffen durch einen starken Fokus auf Scouting und Datenanalyse.

777 ist ein renditeorientierter Investor. Inwiefern können finanzielle mit sportlichen Zielen Hand in Hand gehen, gerade mit Blick auf Spielerverkäufe?

Wir möchten jeden einzelnen Verein zur bestmöglichen Version seiner selbst entwickeln. Dazu gehören wirtschaftliche Stabilität und nachhaltiges Arbeiten. Es ist die Realität fast aller, dass dazu auch Transfereinnahmen gehören. Unser Ziel ist es, die Kader so zu planen, dass sich junge Spieler entwickeln können, wie wir das gerade in Berlin mit vielen Talenten sehen. Wenn es um konkrete Entscheidungen geht, gilt es abzuwägen. Da gibt es nicht die eine Antwort, weil jeder Klub individuell zu betrachten ist.

Wie dürfen wir uns das vorstellen, wenn Sie bei Vasco ein Mega-Talent haben, das den Sprung in die Bundesliga schaffen kann? Entdeckt Hertha das dann in einer internen Datenbank, meldet Interesse an und hat als 777-Klub ein Vorgriffsrecht?

Es gibt das Vorgriffsrecht im Sinne des Nutzens der Synergien. Das ist das, was ich mit Kommunikation und Transparenz gemeint habe. Jeder Klub aus unserem Netzwerk hat die Möglichkeit, diese Informationen zu beziehen und zu nutzen. Ein wichtiges Element ist, dass bei uns jeder Verein Erster unter Gleichen ist - es gibt keine Hierarchie! Wir erzwingen keine Transfers, die Vereine machen eine sehr unabhängige Kaderplanung. Wenn Bedarf aber auf die Möglichkeit eines Transfers trifft, versuchen wir das umzusetzen, wobei es immer um individuelle Karrierewege der Spieler geht.

Wie viel Mitspracherecht haben Sie bei der Auswahl neuer Klubs durch 777 um CEO Josh Wander?

Mein Team und ich nehmen Analysen vor über Vereine, an denen die Gruppe interessiert ist, und das fließt ein. Ich bin dann für die Einbindung im gesamten sportlichen Bereich zuständig. Die Auswahl und die Verhandlung obliegen selbstverständlich Josh und seinem Managementteam.

777 kauft gerade den FC Everton. Mit Haupteigner Farhad Moshiri ist man sich längst einig, dennoch dauert der Kaufvorgang an. Woran liegt das?

Das Genehmigungsverfahren mit der englischen Premier League und anderen Aufsichtsbehörden läuft derzeit. Solange dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, kann ich nichts weiter über Everton sagen. Aber ich war mehrfach im Goodison Park und im Trainingszentrum Finch Farm, um Everton zu sehen. Ein toller Verein mit einer starken Tradition und einer leidenschaftlichen Fangemeinde.

Es gibt kontroverse Berichte über die 777-Finanzen. Gegen Vasco da Gama lag zeitweise eine Transfersperre vor, auch gegen Genua gab es wegen ausstehender Zahlung einer Ausbildungsentschädigung von 100.000 Euro ein FIFA-Verfahren, das aktuell beim CAS liegt. Böse formuliert: Da lässt sich ein Muster erkennen.

Letztlich besteht das Modell von 777 darin, in Vereine zu investieren, die eine stolze Geschichte und den Wunsch haben, nach schwierigen Jahren auf und neben dem Spielfeld wieder zu wachsen und näher an die Spitze des Fußballs zurückzukehren. Einige der erworbenen Vereine haben Probleme, finanziell nachhaltig zu arbeiten, sodass unsere Aufgabe darin besteht, sie langfristig auf eine stabile operative und finanzielle Basis zu stellen. Mein Fokus liegt dabei auf dem Sport, nicht auf den Finanzen. Was wir ändern, sind die Kaderstrukturen, und das sehr schnell und erfolgreich - das hilft den Klubs auch finanziell. Genua ist ein gutes Beispiel. Wir haben durch gute Neuverpflichtungen und umsichtiges Finanzmanagement geholfen, auf Anhieb wieder in die Serie A aufzusteigen, dabei auch hier die Kaderstruktur deutlich verjüngt und Werte geschaffen, die es vorher so nicht gab. Natürlich bringt ein Eigentümerwechsel immer auch wirtschaftliche Probleme mit sich, aber die haben wir immer gelöst.

In Deutschland ist der Einfluss durch 50+1 begrenzt. Inwiefern verändert das Ihre Arbeit mit Hertha?

Sie ist komplett unterschiedlich im Vergleich zu den anderen, dennoch ist der Klub gut integriert in unser Netzwerk. Wir haben alle Türen aufgemacht, der Verein profitiert von dem Wissenstransfer. Gleichzeitig treffen wir eben keine sportlichen Entscheidungen dort, sondern stehen nur beratend zur Seite, weil wir 50+1 voll respektieren.

In Lüttich können Sie den Trainer also abberufen, in Berlin nicht.

Ich bin sehr froh, dass wir in allen Vereinen starke und kompetente Sportdirektoren haben, die Verantwortung tragen. Natürlich kommt man auch mal an den Punkt, wo eine Entscheidung ansteht, da scheue ich mich auch nicht, zu entscheiden. Bei Hertha ist das mit 50+1 anders.

Zahlreiche Geldgeber investieren in Multiklub-Strukturen. Wie bewerten Sie die Kritik daran?

Zusammenschlüsse von Vereinen zu Netzwerken sind weltweit die Realität, ich habe ja auch schon für RB gearbeitet. Diese Netzwerke stellen einen Riesenmehrwert dar, gerade dann, wenn man wie wir die Historie und Kultur der Klubs respektiert. Wir schaffen für alle Klubs die Möglichkeit, Expertise zu beziehen und Wissen auszutauschen. Wir vernetzen nicht nur die Sportdirektoren, sondern etwa auch Scouting und Akademien. Das ist sehr wertvoll für die Nachwuchsdirektoren: zu verstehen, wie Talentpfade weltweit funktionieren. Wir haben in allen Klubs den Frauenfußball auf unterschiedlichsten Leveln entwickelt, von ganz unten bis hin zu Trophäenträgern wie den Frauen von Standard Lüttich, die den Pokal gewonnen haben. Auch da ist der Erfahrungsaustausch fruchtbar.

Glauben Sie, dass das Vereine zerstören wird, deren Geschäftsmodell auf Spielerentwicklung abzielt?

Der Fußball bietet genug Platz für alle möglichen Modelle. Es gibt immer Trends und Entwicklungen wie eben die aktuelle zu Netzwerken. Letztlich hat jeder Verein die Option, sich zu frei entscheiden.

Wo sehen Sie die Fußballsparte von 777 in fünf Jahren?

Die Vision ist, jeden Verein bestmöglich zu entwickeln. Dazu gehört, gute Kader zu bauen, gute Strukturen zu schaffen, die Einzelbereiche modern aufzustellen, mit Innovation zu versehen. Wir treffen keine Entscheidung ohne Einbezug eines hochkompetenten Datenanalyse-Teams, geleitet von Mladen Sormaz. Wir investieren viel in den Ernährungsbereich, arbeiten stark mit Standardtrainern zusammen. Das alles sind kleine Puzzleteile.

War Hertha angesichts des defizitären Wirtschaftens des Klubs das bislang schwierigste Projekt?

Nein. Es war sicher ein herausfordernder Sommer mit einem großen, aber nötigen Kaderumbruch. Jedes Projekt aber ist anders, bringt also andere Herausforderungen mit sich.

Sie waren in Hoffenheim und bei RB, wo Ralf Rangnick als Spiritus Rector gilt. Eine Art Vorbild für Sie?

Die Arbeit mit Ralf hat mich geprägt, ich habe da viel gelernt. Was ihn immer auszeichnet, ist, dass er tolle Expertenteams um sich herum aufbaut. Daran orientiere ich mich. Ich habe auch schon bei Traditionsvereinen gearbeitet, als erster deutscher Sportdirektor in den Niederlanden und Italien (bei Vitesse Arnheim und Genua, d. Red.), dieser Blick über den Tellerrand hat mich auch sehr geprägt. Schafft man es in einer anderen Fußballkultur, wo man mit den Leuten ein Stück weit anders umgehen muss, mit einer klaren Idee, erfolgreich zu sein?

In Arnheim arbeiteten Sie mit Thomas Letsch zusammen. Sein Tun in Bochum wird Sie kaum überraschen.

In den Niederlanden hat er herausragend gearbeitet, wir haben bei Vitesse die beste Zeit gestaltet, die dieser Verein in den letzten Jahrzehnten hatte. Daher: Nein, das überrascht mich nicht (grinst).

Also haben Sie ihn auch auf dem Radar?

Allein schon aus freundschaftlicher Verbundenheit, selbstverständlich. Darüber hinaus ist es aber auch Teil meiner Aufgabe, den Trainermarkt generell sehr gut zu kennen, also Coaches zu sehen, die aus ihren Vereinen mehr herausholen, als man denken könnte. Und auch das trifft auf Thomas beim VfL Bochum zu.

Wo sehen Sie Hertha BSC in fünf Jahren?

Ich möchte mich da eher auf die Gegenwart konzentrieren, weil der Klub einen großen Umbruch hinter sich hat. Es ist sehr positiv zu sehen, wie viele Talente dort Spielzeit sammeln dürfen. Dennoch ist der Kader an sich sicherlich ein bisschen besser als der aktuelle Tabellenstand. Ich hoffe, dass sich der positive Trend nun stabil entwickelt.

Interview: Benni Hofmann