EM

Simpler Fußball "ohne Logik": Ein Urschrei hallt durch Italien

Calafiori fehlt im Achtelfinale

Simpler Fußball "ohne Logik": Ein Urschrei hallt durch Italien

Das Jugendidol kopiert: Italiens "Matchwinner" Mattia Zaccagni.

Das Jugendidol kopiert: Italiens "Matchwinner" Mattia Zaccagni. IMAGO/SOPA Images

Es gibt diesen berühmten Ausruf von Sir Alex Ferguson, der in solchen Fällen oft in Erinnerung kommt. "Football, bloody hell!" - zu mehr Worten war der Schotte nach dem dramatischen Königsklassen-Sieg seiner Manchester-Jungs über die Bayern 1999 erst mal nicht fähig. Das Szenario in Leipzig war ein Nachweis, dass der Fußball auch bei dieser EM noch um sein Wesentliches kämpfen mag, das unvorhersehbare, simple Spiel - inmitten von erstickendem Show-Firlefanz, Countdowns, Regularien, Matchplänen oder irrsinnigen Ticket- und Bratwurst-Preisforderungen.

In letzter Sekunde in den Winkel: Italiens Erlösung gegen Kroatien im Video

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40 Sekunden reichen gerade einmal zur Zubereitung eines Espressos, am Montagabend bewegten sie Millionen von Zeitungen zum Druckaufschub. 40 Sekunden vor dem Ende hatte Italien für Luciano Spalletti und die Azzurri bereits das große Tribunal vorbereitet. Delegationschef Gianluigi Buffon hatte in seiner Karriere selten so entgeistert dreingeblickt und in dem ganzen eingewechselten Chaos ohne System stapfte Riccardo Calafiori mit letzter Kraft nach vorne, legte zu Mattia Zaccagni, ein Schlenzer, ein Urschrei.

Calafiori verpasst das Achtelfinale

"Die Mannschaft hat oft ohne Logik gespielt", sagte Spalletti später, obschon es womöglich müßig war, an diesem Abend jedwede Vernunft zu suchen. Calafiori und Zaccagni, zwei Namen, die unter logischen Voraussetzungen in der Tat eigentlich gar nicht mitreisen sollten. Der 22 Jahre alte Verteidiger hatte sich erst in diesem Jahr während Bolognas sensationeller Champions-League-Qualifikation in den Mittelpunkt gespielt und ist nach Paolo Maldini, Mario Balotelli und Gianluigi Donnarumma erst der vierte U-23-Italiener, der bei drei EM-Spielen in Folge in der Startelf stand. Am Ende lag er nicht bloß aus Freude weinend auf dem Rasen, denn er wird im Achtelfinale gesperrt fehlen.

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Calafioris Teamkollege Riccardo Orsolini sollte eigentlich das letzte Offensiv-Ticket bekommen, doch kurz vor Meldeschluss wählte Spalletti Lazios Zaccagni. Der hatte vor acht Jahren noch in der dritten Liga gekickt und seine Idole hießen Luka Modric und Alessandro del Piero. Es war ein Schlenzer a la del Piero und eine Kopie des Treffers der Juventus-Legende 2006 in Dortmund, der Italien nach Berlin brachte. Dort reisen die Azzurri nun erneut hin und treffen auf die Schweiz, die Italien die letzte WM-Qualifikation verbaute.

Das enge Weiterkommen in der Gruppe hat zumindest die Erwartungen relativiert. Als Favorit gehen die Azzurri in keine Partie mehr, auch nicht am Samstag. Dazu fehlt es an solider Defensive und einer durchdachten Aufbau-Ordnung. Doch womöglich ist der neue Trumpf für das restliche Turnier jetzt ganz simpel: gedankenlos und unlogisch.

Oliver Birkner