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EM 2024 | Matthias Sammer: "Wir hatten unsere Identität komplett verloren"

Europameister von 1996 erklärt im kicker seine neue Zuversicht

Sammer exklusiv: "Wir hatten unsere Identität komplett verloren"

Der Leader der deutschen Sieger-Elf bei der EM 1996 - heute unter anderem Berater beim BVB: Matthias Sammer.

Der Leader der deutschen Sieger-Elf bei der EM 1996 - heute unter anderem Berater beim BVB: Matthias Sammer. IMAGO/RHR-Foto

Mit der enttäuschenden Weltmeisterschaft 2022 in Katar im Hinterkopf, die Gedanken geprägt von nur einem Sieg aus bis dato fünf Länderspielen im Kalenderjahr 2023 - dazu das Vorrunden-Aus der DFB-Frauen bei der WM -, sah Matthias Sammer den deutschen Fußball im vergangenen September in "der größten Krise" der jüngeren Vergangenheit. "Wir liegen am Boden", klagte er in der Süddeutschen Zeitung.

Gut ein Dreivierteljahr später, kurz vor dem Start der Europameisterschaft im eigenen Land, versprüht eben jener Sammer auf einmal Optimismus, traut der DFB-Elf sogar den Titelgewinn zu. Woher kommt der Sinneswandel?

Deutschland bei der EM

"In gewissen Situationen muss die Wahrheit gesagt werden, um zu verstehen, was und wer wir im deutschen Fußball sind. Wir hatten unsere Identität komplett verloren und sprachen nur noch über Taktik und Nebensächlichkeiten", blickt der 56-Jährige bei seinem großen Interview im EM-Sonderheft des kicker auf seine Kritik von damals zurück. Mittlerweile aber sei etwas passiert im deutschen Fußball - und das habe auch mit dem spanischen Trainer des neuen Deutschen Meisters zu tun.

Bayer Leverkusen: Fußball total mit deutschen Tugenden

"In den vergangenen Monaten habe ich gespürt, dass die Leverkusener mit Trainer Xabi Alonso Fußball total boten, aber mit den deutschen Tugenden angereichert", erklärt der derzeitige Berater bei Borussia Dortmund und TV-Experte. Bayer gebe nie auf, was zu diesen Tugenden wie "die Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt zu stellen, ergebnisorientiert zu spielen, physisch stark zu sein" passe.

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Neben Leverkusen bot auch Stuttgart "herausragenden Fußball, die Dortmunder zeigten international Außergewöhnliches", führt Sammer weiter aus. Der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann habe zudem eine Einfachheit in die Nationalmannschaft zurückgebracht, und "das Schönreden", das Sammer im Herbst des vergangenen Jahres oftmals vernahm, "ist vorbei". Kurzum: "Das Blatt hat sich gewendet im deutschen Fußball."

Die Gründe für Sammers Titel-Traum

Sein Optimismus fußt auch auf der aktuellen Zusammensetzung der Nationalmannschaft und deren Verantwortlichen. "Trainer und Team passen zusammen, dazu Sportdirektor Rudi Völler", betont Sammer. "Die Elf hat nun eine Achse, Klasse und besondere Individualisten, deshalb traue ich ihr trotz einiger Schwachstellen sogar den Titel zu."

Kroos hätte es verdient, der nächste Weltfußballer zu werden.

Matthias Sammer

Insbesondere die Rückkehr von Toni Kroos sieht der Europameister von 1996 als gutes Zeichen. Als "outstanding" bezeichnet Sammer den Mittelfeldstrategen, Grund sei der Mix aus Erfolgen, Ausstrahlung und Qualität. Zwar sei Kroos kein Lautsprecher, doch Führung habe "mit Qualität, Charakter und Einfluss zu tun, nichts mit Lautstärke". Diese drei Dinge spricht Kroos niemand ab, er habe es sogar verdient, "der nächste Weltfußballer zu werden".

EM 2024

Und die angesprochenen Schwachstellen? "Es gab Diskussionen, ob wir auf den Außenverteidigerpositionen gut genug besetzt sind und in der Sturmmitte, aber diese Positionen waren nie das Hauptproblem", meint Sammer. "Mit Kimmich haben wir rechts Top-Qualität, links ist die Elf mit Mittelstädt und Raum gut besetzt. Für vorne bieten sich Havertz für die spielerische Variante, Füllkrug für die Wucht an."

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Zudem herrsche mittlerweile Klarheit, "welche Spieler die Achse bilden sollen, wie die Hierarchie aussieht, wer der verlängerte Arm des Trainers sein soll". Nagelsmann hatte unlängst den Titel als Ziel ausgegeben, auch Sammer ist inzwischen optimistisch. "Deutschland wird Europameister", sagt er klipp und klar.

Welches Geheimrezept hinter dem deutschen EM-Triumph 1996 stand, warum er mit dem Begriff "Sommermärchen" in Zusammenhang mit der WM 2006 nichts anfangen kann und wie er die Nicht-Berücksichtigung von Mats Hummels und Leon Goretzka einschätzt, lest Ihr im kompletten Interview im EM-Sonderheft des kicker, das ab sofort am Kiosk und als eMagazine erhältlich ist.

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