EM

Raue Schale, weicher Kern?

Spanien-Coach Luis Aragones im Porträt

Raue Schale, weicher Kern?

Luis Aragones

Nach außen hin mitunter ruppig, aber erfolgreich: Luis Aragones. dpa

Wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Spieler (zumeist bei Atletico Madrid, dort vor allem wegen seiner Freistoß-Hämmer bewundert und gefürchtet) und später als Trainer eines Dutzend Klubs. Zwar trägt er dem Spitznamen angesichts des weißen Haares und der hohen Denkerstirn längst auch äußerlich Rechnung. Doch weise oder auch nur altersmilde ("Wenn wir den EM-Titel holen, pilgere ich auf dem Jakobsweg") gibt sich der älteste Trainer dieser EURO selten: Legendär seine rassistische Entgleisung aus dem Jahr 2004, als er Thierry Henry als "Scheißneger" bezeichnete. Später hatte er sich für seine Aussage entschuldigt.

Dass er trotz seiner rauen Schale durchaus auch negative Stimmen zur Kenntnis nimmt, beweist ein anderes Zitat: "Es gab auch Zeiten, in denen ich viel kritisiert wurde. Diese Kritik hat mich stimuliert, hat mich ermutigt, die Dinge besser zu machen."

Nach der EURO 2004 ins Amt gekommen, reiste Aragones mit der Aussage "Wenn wir nicht ins Halbfinale kommen, trete ich zurück" zur WM 2006. Nach dem Achtelfinal-Aus gegen Frankreich wollte er davon nichts mehr wissen, strich vielmehr auch aufgrund persönlicher Animositäten Kultstürmer Raul aus dem Kader - und holte ihn selbst nach Fanprotesten nicht zurück. Seinen Vorstellungen bleibt der als unflexibel geltende Aragones nun mal "treu bis in den Tod", wie sie in Spanien sagen.

"Ich bin nicht derjenige, der groß feiert"

Auch nach dem überzeugenden Sieg der Spanier gegen Russland wirkte Aragones - im Gegensatz etwa zu Joachim Löw nach dessen Halbfinale gegen die Türkei - alles andere als gelöst. Wie es aber in ihm aussah, ließ er nach dem Spiel etwas durchblicken: "Ich bin nicht derjenige, der groß feiert. Ich zeige meine Gefühle nicht. Aber das heißt nicht, dass ich mich nicht freue." Und weiter: "Dass einer meiner Enkel heute hier war, hat mich zu Tränen gerührt."

Mit der EM endet sein Vertrag, als Nachfolger wird Vicente del Bosque gehandelt. Auch wenn Fans, Spieler und Verband versuchten, Aragones umzustimmen: "Es ehrt mich, dass meine Arbeit so geschätzt wird. Aber mein Entschluss steht fest. Punktum!" Ob er bei Fenerbahce Istanbul anheuert, ließ er offen. Einen von den Türken bereits gemeldeten Vorvertrag ließ er umgehend dementieren.

Doch zuvor hat Aragones, dessen polternde Art und sein Drang, mit Journalisten zu streiten, berüchtigt sind, jetzt noch Großes vor. Gegen Deutschland stünden die Chancen allerdigs nur "50:50". Und zitiert das mittlerweile geflügelte Wort von Gary Lineker: "Am Ende gewinnen immer die Deutschen." Und fügt hinzu: "Ich kenne ihn sehr gut, denn ich hatte ihn in Barcelona in meiner Mannschaft."

Vor dem Turnier hörte sich das noch so an: "Wir können die Besten besiegen. Wir können aber auch gegen sie verlieren." Und das klingt doch wiederum sehr weise.