Torjägerkanone

Herfordt geht "dahin, wo es weh tut"

Die Torjägerkanone® für alle

Rammbock statt Filigran-Techniker: Herfordt geht "dahin, wo es weh tut"

Jan Herfordt wird aller Voraussicht nach die "Torjägerkanone® für alle" der achten Ligen gewinnen.

Jan Herfordt wird aller Voraussicht nach die "Torjägerkanone® für alle" der achten Ligen gewinnen. Tobias Lentz

Torjägerkanone® für alle

Wer am vergangenen Wochenende den Weg zum Vereinsgelände des CF Victoria Bremen '05 fand, dem bot sich ein kurioses Bild. Am letzten Spieltag der Kreisliga A empfing der bereits feststehende Meister Victoria Bremen den Tabellenzweiten FC Union 60 II zum Spitzenspiel. Bereits zur Pause lag Union mit 3:0 in Führung. Als die Hausherren nach der Pause aber auf 1:3 verkürzten, brach plötzlich grenzenloser Jubel beim Tabellenführer aus. Der Grund dafür? Der vermeintlich bedeutungslose Anschlusstreffer war sogleich der 52. Saisontreffer für Top-Torjäger Jan Herfordt, der damit im bundesweiten Achtliga-Ranking die Führung übernahm.

Weil der Großteil der Konkurrenz mittlerweile schon in der Sommerpause weilt, dürfte Herfordt auch in der Endabrechnung nicht mehr von der Spitze zu verdrängen sein. "Das ist natürlich ein überragendes Gefühl", versucht "Herfi" die Stimmungslage im Hause Herfordt einzuordnen. "Dass ich an der bundesweiten Spitze stehe, ist ein Produkt unserer sensationellen Saison. Das macht mich stolz", teilt sich der Angreifer die Lorbeeren mit seinen Mannschaftskollegen, die ihn nach seinen Angaben "in eine luxuriöse Situation" brachten, weil er meist nur den Fuß hinhalten musste.

Vom Mittelfeld-Motor zum Sturm-Rammbock

Dass der 30-jährige Sozialpädagoge überhaupt auf Torejagd geht, ist dabei mehr oder weniger dem Zufall geschuldet. "Bis vor drei Jahren war ich noch im Mittelfeld zuhause. Ich war der klassische laufstarke Sechser, der im defensiven Mittelfeld aufräumt", erinnert sich der mittlerweile zum Angreifer umfunktionierte Herfordt zurück. Grund für den Positionswechsel sei laut Herfordt ein "riesiges Überangebot" auf seiner Position gewesen. "Mein Trainer meinte dann zu mir: 'Versuchen wir es doch einfach mal im Sturm.'" - ein Rezept, das sich gänzlich auszahlte.

In seiner ersten Saison als Stürmer traf Herfordt über 30-mal, in der letzten Saison warf ihn dann eine Verletzung zurück. In der frisch abgelaufenen Spielzeit "ist die Statistik dann explodiert"  52-mal netzte der 30-Jährige und leistete damit einen erheblichen Anteil an der Meisterschaft in der Kreisliga und dem damit verbundenen Aufstieg in die Bezirksliga.

Ich bin kein Filigran-Techniker. Ich stoppe den Ball so weit wie ich schießen kann.

Jan Herfordt (30) nimmt seine technischen Defizite mit Humor

Herfordt selbst beschreibt sich als geradlinigen Stürmer, der zweckorientiert auf Torejagd geht. Soll bedeuten: Wenig Schnick-Schnack, viel Ertrag. "Ich bin wie ein Rammbock, der durch die gegnerische Abwehr stößt. Wenn ich einmal ins Rollen komme, bin ich schwer zu halten", beschreibt er seinen Spielstil, der nichts für Fußball-Romantiker und Fans von "unnötigen Übersteigern und Zidane-Rollen" ist. Für seine Mannschaft ist Herfordt als Fels in der Brandung goldwert. "Ich gehe dahin, wo es weh tut", sagt der Angreifer selbstbewusst.

Seine rustikale Spielweise lässt aber auch Raum für Defizite. "Ich bin kein Filigran-Techniker. Ich stoppe den Ball so weit wie ich schießen kann", lacht der 1,80 Meter große Angreifer.

Der Blick nach Oberhöchstadt

Fast schon besessen verfolgte Herfordt in den vergangenen Wochen und Monaten das bundesweite Torjäger-Ranking. "Es gab zuletzt glaube ich keinen Tag, an dem ich nicht fünfmal am Tag die kicker-App offen hatte, um das Ranking zu checken", gesteht der ehrgeizige Stürmer. Herfordts Siegeswille ging sogar soweit, dass er den Spielplan der SG Oberhöchstadt, der Verein seines stärksten Konkurrenten Yassin Ennaji (52 Tore), den er in der Endabrechnung nur aufgrund des besseren Quotienten überholte, regelmäßig überprüfte.

"Ich war in Gedanken immer wieder bei der SG Oberhöchstadt. Ich habe mir angeschaut, gegen welchen Gegner sie am Wochenende spielen und mir dann ausgemalt, wie oft Yassin wohl treffen würde und was das für mich bedeuten würde", gewährt Herfordt Einblick in seine Gedanken. "Ich habe gesehen, dass Yassin und die SG Oberhöchstadt sich für die Aufstiegsrelegation qualifiziert haben, da wünsche ich natürlich viel Erfolg."

Ich habe mal gehört, dass Prominente ihre Trophäen und Auszeichnungen immer über die Toilette stellen.

Jan Herfordt (30) ist noch auf der Suche nach einem Stellplatz für die Kanone

Sportsgeist hin oder her, die Kanone kann sich am Ende nur einer sichern, und das ist - aller Voraussicht nach - Jan Herfordt. Das "Wie" - immerhin war der entscheidende Treffer am letzten Spieltag ein Elfmeter - ist dem bescheidenen Stürmer, der sich ungern selbst ins Rampenlicht rückt, "scheißegal". Schon bald wird er die schneeweiße Kanone in den Händen halten können, sollte nicht noch ein weiteres Gesicht in der Spitzengruppe des Achtliga-Rankings auftauchen.

Um auf den Gewinn der "Torjägerkanone® für alle" vorbereitet zu sein, ist Herfordt bereits auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz. "Ich habe mal gehört, dass Prominente ihre Trophäen und Auszeichnungen immer über die Toilette stellen", scherzt Deutschlands gefährlichster Achtliga-Knipser, der scheinbar noch nicht die ideale Lösung gefunden hat.

Herfordt appelliert an die Liebe zum Fußball

In der "Torjägerkanone® für alle" sieht Herfordt "einen totalen Anreiz, sich über die regionalen Grenzen hinaus mit den besten Torjägern der Republik zu messen". Dass im Zuge dessen auch positive Nachrichten über seinen Verein und den Bremer Fußball, der zuletzt vor allem immer wieder mit steigender Gewalt zu kämpfen hatte, die Runde machen, stimmt den Angreifer froh. "Mit Blick auf die letzten Wochen im Bremer Amateurfußball freut es mich, dass ich mal auf positive Art und Weise bundesweit für Schlagzeilen sorgen konnte. Uns Spielern muss bewusst werden, dass wir auf dem Platz als Vorbilder agieren. Wir müssen hinterfragen, ob wir die Grundtugenden des Fußballs - dazu zählen Respekt, Toleranz und Fair Play - vertreten. Denn das ist es, was den Fußball ausmacht."

Lukas Karakas

Das sind die Führenden der "Torjägerkanone® für alle" 2023/24"