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EM 2024: Diogo Costa kann die großen Defizite nicht kaschieren

Statisch und uninspiriert: Das Offensivspiel der Selecao enttäuscht

Portugals Held Diogo Costa kann die großen Defizite nicht kaschieren

Bernardo Silva (re.) wusste, wo er sich bedanken musste: Diogo Costa rettete Portugal.

Bernardo Silva (re.) wusste, wo er sich bedanken musste: Diogo Costa rettete Portugal. IMAGO/Jan Huebner

Für viele Zuschauer dürfte die Grillwurst im Frankfurter Waldstadion das Schmackhafteste des ganzen Abends gewesen sein - den quälend langen 120 Minuten fehlte jegliche Würze. Trotz all der hochbegabten Individualisten lahmte das Zusammenspiel der Portugiesen auf erschreckende Weise. Die technisch feine Ballbehandlung und einzelne Kabinettstückchen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bernardo Silva, Cristiano Ronaldo und Co. viel zu statisch agierten. Freilaufverhalten schien für die Selecao zumindest in diesem Spiel ein nie gehörtes Fremdwort zu sein. Es gelang kaum, in Ballnähe Überzahlsituationen zu schaffen. Die Ideenlosigkeit erinnerte an die gruseligen Auftritte der englischen Mannschaft.

Martinez‘ billiger Jammer über den Rasen

"Ich bin sehr stolz auf unsere Leistung", gab Trainer Roberto Martinez nach dem Spiel eine der üblichen Floskeln zu Protokoll. Selbstkritik ist seine Sache nicht, stattdessen monierte er den Rasen: "Das Spielfeld war nicht gut. Das hat der Mannschaft, die mit dem Ball spielt, nicht geholfen. Auch Slowenien hat darunter gelitten." Eine billige Ausrede. Es lag nicht am Rasen, dass sich seine Spieler viel zu wenig freiliefen und es nicht schafften, einen international bestenfalls zweitklassigen Gegner vor ernsthafte Probleme zu stellen. Ohnehin war der Frankfurter Rasen am Montagabend besser als sein Ruf.

Die slowenische Passquote lag bei 61 Prozent - ein geradezu unterirdischer Wert. Etliche Umschaltsituationen des Underdogs blieben ungenutzt, weil Slowenien selbst in Situationen ohne großen Gegnerdruck reihenweise abenteuerliche Bälle in die Tiefe spielte. Es war zum Verrücktwerden. Auch in der Defensive überzeugte Slowenien trotz bravouröser Leidenschaft und Kompaktheit nicht. Allen voran Rechtsverteidiger Zan Karnicnik und Innenverteidiger Jaka Bijol waren in vielen Situationen heillos überfordert.

Viele Flanken als Zeugnis der Ideenarmut

Doch Portugal fand keinen Schlüssel, um diesen limitierten Gegner in der regulären Spielzeit zu besiegen. In der zweiten Hälfte kam die Selecao nur ein einziges Mal aus dem Spiel heraus gefährlich zum Abschluss - in der 89. Minute durch Cristiano Ronaldo. Vorausgegangen war ein haarsträubender Ballverlust von Karnicnik. Wegen des mangelhaften Kombinationsspiels schlug die Martinez-Elf viel zu viele Flanken in den Strafraum - ein Zeugnis der Ideenarmut, die auch in Cristiano Ronaldos egoistischen Freistößen Ausdruck fand.

Mit der Rettungstat gegen Benjamin Sesko (115.) und drei parierten Elfmetern avancierte Torhüter Diogo Costa um kurz vor Mitternacht zum Helden. "Das war das beste Spiel meines Lebens", sagte der 24-Jährige hinterher stolz. Auf dem Podium im Pressekonferenzraum strahlte er wie ein Honigkuchenpferd. Beim Elfmeterschießen sei er lediglich seinem Instinkt gefolgt. Der ließ ihn nicht im Stich.

Trotz des Happy Ends im Elfmeterschießen muss sich Portugal erheblich steigern. Ein Teufelskerl im Tor und ein starker Sechser - Joao Palinha gewann 74 Prozent seiner 23 (!) Zweikämpfe - werden im Viertelfinale gegen Frankreich wahrscheinlich nicht zum Weiterkommen reichen.

Julian Franzke

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