Champions League

Christian Heidel über Thomas Tuchel: "Er hat sogar am Gras geschnuppert"

Christian Heidel über seinen ehemaligen Trainer

Perfektionist Tuchel: "Er hat sogar am Gras geschnuppert"

Zwei Trainer-Giganten mit ihrem Förderer Christian Heidel (Mi.). Und was ist nun der Unterschied zwischen Thomas Tuchel und Jürgen Klopp?

Zwei Trainer-Giganten mit ihrem Förderer Christian Heidel (Mi.). Und was ist nun der Unterschied zwischen Thomas Tuchel und Jürgen Klopp? imago images

Die besten Entscheidungen werden manchmal spontan getroffen, dachte sich Mainz-Manager Christian Heidel im August 2009 und beurlaubte fünf Tage vor dem Bundesliga-Start Cheftrainer Jörn Andersen. Um seinen U-19-Coach zu befördern.

Dann aber lernte Heidel, der in einer Medienrunde vor dem Champions-League-Finale verriet, noch am selben Samstag mit seinem guten Freund Jürgen Klopp in den Urlaub zu fahren, auch Thomas Tuchel so richtig kennen. Den Perfektionisten Thomas Tuchel.

"Er forderte zwei Wochen Bedenkzeit, weil er viele Dinge, auch privat, akribisch abklären wollte", erinnert der 57-Jährige, der nach einer Zeit bei Schalke inzwischen zum FSV zurückgekehrt ist, und flachste: "'Wenn du immer so lange brauchst, wirst du nie Trainer bei den Profis', hab' ich ihm gesagt." Tuchel entschied sich dann doch innerhalb weniger Stunden - und wurde Trainer bei den Profis.

Tuchel beeindruckte Klopp schon 2009

An der Stamford Bridge sei das zwölf Jahre später zwar "eine ganz andere Qualitätsstufe" wie damals am Bruchweg, an gewisse Parallelen zu den Mainzer Anfängen glaubt Heidel im jungen Chelsea-Team trotzdem: "Mit seinem ersten Auftritt vor der Mannschaft war Thomas akzeptiert", denkt er an den Sommer 2009 zurück, "vor allem junge Spieler kann er mit seinem unglaublichen Fachwissen beeindrucken".

Oder auch einen seiner Vorgänger, den damaligen Dortmund-Trainer Klopp, mit dem Heidel 2009 das Finale um die deutsche A-Junioren-Meisterschaft zwischen BVB und FSV anschaute und der sah, dass "zehn bessere Spieler gegen eine bessere Mannschaft verloren".

Den Greenkeeper am Telefon

Möchte man zusammenfassen, wie Tuchel das angestellt hat, bringt ein Wort vieles auf den Punkt: Detailversessenheit. Dazu fallen Heidel dann noch mehr Anekdoten ein. Wie die eines Vorbereitungsspiels gegen Olympiakos Piräus, das auf einem Platz stattfand, der Tuchel euphorisch werden ließ. "Thomas hat die ganze Zeit gesagt, wie toll dieser Rasen ist, er ist sogar auf die Knie gegangen und hat am Gras geschnuppert."

Anschließend pochte Tuchel sogar darauf, den zuständigen Greenkeeper gleich mit nach Mainz zu nehmen, den Heidel ein paar Tage später tatsächlich am Hörer hatte. Der kuriose Transfer kam nicht zustande.

Und alles begann in Mainz: Für Tuchel hätte Heidel fast mal einen Greenkeeper verpflichtet.

Und alles begann in Mainz: Für Tuchel hätte Heidel fast mal einen Greenkeeper verpflichtet. imago images

"Er analysiert einfach alles, Disziplin ist das A und O für seine Arbeit", führt der Manager die Tuchel'sche Detailliebe aus. "Wenn einer seiner Spieler nur einen Meter neben seinem Plan steht, trifft es ihn, Niederlagen schmerzen ihn körperlich", so Heidel. "Jedes Training muss perfekt sein, jede Vorbereitung muss perfekt sein, jedes Spiel muss perfekt sein. Und an jeden stellt er die gleichen Anforderungen wie an sich selbst."

Wo sich Klopp und Tuchel unterscheiden

Womit Heidel an der Stelle angekommen ist, an der er die ihm mit Abstand meist gestellte Frage - die nach den Unterschieden von Klopp und Tuchel - ganz ehrlich beantwortet. Auch wenn das "ganz, ganz schwierig" sei. "Beide waren keine großen Fußballer", scherzt er, "aber sie haben sich mit dieser Thematik immer mehr beschäftigt als die, die eine tolle Karriere hatten".

Thomas ist für mich der größte Taktiker, den es überhaupt gibt.

Christian Heidel

Heidel betont vor allem die Gemeinsamkeiten beider Erfolgstrainer, die es selbst charakterlich gebe. Wobei Klopp schon der größere "Menschenfänger" und Tuchel etwas weniger extrovertiert und auch streitbarer sei. "Beide arbeiten nahe an der Perfektion", und doch ist es der aktuelle Trainer des FC Chelsea, "der wie kaum ein anderer verstanden hat, wie dieses Spiel funktioniert. Thomas ist für mich der größte Taktiker, den es überhaupt gibt."

Mainz international

Zum vierten Mal in Folge steht am Samstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) ein Trainer im Finale der Champions League, dessen Weg einst beim 1. FSV Mainz 05 begonnen hatte. Weshalb noch einmal deutlich wird, warum Heidel die Parallelen seiner ehemaligen Schützlinge bevorzugt.

"Jürgen hat einmal verloren und einmal gewonnen. Thomas hat letztes Jahr verloren", zählt der 57-Jährige auf. "Jetzt hoffen wir natürlich, dass auch Thomas einmal gewinnt."

Niklas Baumgart