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Mintzlaff und das Problem mit den ECA-Statuten

Experte Leuschner sieht Wahlkriterien verletzt

Mintzlaff und das Problem mit den ECA-Statuten

Zukünftiges Board-Member bei der ECA? Oliver Mintzlaff  stellt sich zur Wahl.

Zukünftiges Board-Member bei der ECA? Oliver Mintzlaff  stellt sich zur Wahl. IMAGO/Picture Point LE

Wenn Anfang September die Großklubvereinigung ECA nach Berlin kommt, dann wird es besonders am dritten Tag spannend. An jenem 7. September stehen die Wahlen ins ECA-Board an. Also den Vorstand der Großklubvereinigung, der höchsten Einfluss auf die Gestaltung der UEFA-Klubwettbewerbe und die Verteilung der Milliardeneinnahmen daraus hat. Aus deutscher Perspektive wird es zu einer Doppel-Rochade kommen. Denn mit dem Aus von Oliver Kahn als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern im Mai geht automatisch auch das Ende seiner Rolle als Vize-Vorsitzender des ECA-Vorstands einher. Der ehemalige Weltklassetorhüter kann bei den turnusmäßigen Neuwahlen nicht mehr kandidieren und wird schon nicht mehr als Board-Member geführt auf der ECA-Webseite. Alles deutet daraufhin, dass Jan-Christian Dreesen, sein Nachfolger als CEO beim Rekordmeister, sich in Berlin zur Wahl stellen wird.

Mintzlaff stellt sich zur Wahl

Neben Kahn dürfte ein zweiter Bundesliga-Vertreter das Gremium verlassen: Hans-Joachim Watzke. Denn der BVB-Geschäftsführer und Sprecher des Ligapräsidiums hatte angekündigt, aus dem ECA-Board auszuscheiden im Falle seiner Wahl ins UEFA-Exekutivkomitee - seit April 2022 sitzt Watzke nun im "Exko" der Konföderation. Dafür wirft mit Oliver Mintzlaff ein anderer Deutscher seinen Hut in den Ring. Eine Personalie, die eine gewisse Spannung verspricht.

Denn laut ECA-Statuten müssen Vorstandsmitglieder eine operative Rolle einnehmen bei einem ordentlichen Mitglied - "must hold active office" heißt es in den Regularien. Mintzlaff aber schied im November 2022 aus der RB-Leipzig-Geschäftsführung aus, um bei der Red-Bull-GmbH Geschäftsführer zu werden, also dem Haupteigner der Kapitalgesellschaft des deutschen Fußballablegers des Getränkekonzerns. Seit Dezember 2022 ist der 48-Jährige allerdings Aufsichtsratsvorsitzender beim amtierenden DFB-Pokalsieger. Zählt das als "active holding office"? Die ECA konkretisiert diese Bezeichnung tatsächlich in den Statuten, wo von Einbeziehung in Entscheidungen des täglichen gehobenen Managements oder operativer Führungsrolle wie Präsident, Vorstandschef oder Vorstand die Rede ist. Der Begriff Aufsichtsrat aber, explizit ein Kontrollorgan und kein ausführendes, ist hier nicht genannt.

Mit Prof. Dr. Lars Leuschner von der Universität Osnabrück äußert ein renommierter Gesellschafts- und Vereinsrechtsexperte Bedenken: "Herr Mintzlaff erfüllt meines Erachtens nicht die Wählbarkeitsvoraussetzungen, da er als Aufsichtsratsmitglied bei RB Leipzig nicht die in der Satzung der ECA geforderte geschäftsführende Funktion in einem Mitgliedsverein ausübt. Die einschlägige Vorschrift lässt zwar grundsätzlich genügen, dass jemand 'member of the board' ist, was grundsätzlich auch ein Aufsichtsratsmandat mit einschließt. Sie beschränkt dies aber auf eine 'executive position', was nach dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch voraussetzt, dass das Organmitglied eine geschäftsführende und keine rein aufsichtführende Funktion ausübt."

Die Frage der Wählbarkeit wird zu gegebener Zeit intern von Fall zu Fall geprüft.

ECA-Statement

Die ECA sagt auf kicker-Anfrage: "Die Frage der Wählbarkeit wird zu gegebener Zeit intern von Fall zu Fall geprüft." In der Tat gibt es ein unter Juristen nicht ganz unumstrittenes Schlupfloch, wie Experte Leuschner erläutert. Wählbarkeitsvoraussetzungen, wie sie in den ECA-Statuten unter Artikel 21 festgeschrieben sind, hätten keine Gesetzeskraft. Würde also die Generalversammlung Mintzlaff mit großer Mehrheit oder gar einstimmig wählen, sei der Beschluss nicht zwingend unwirksam, sondern wäre wohl als sogenannte Satzungsdurchbrechung wirksam. Da derartige Wahlen in Führungsgremien des Fußballs nicht selten im Vorfeld abgesprochen werden, dürfte Mintzlaff trotz der Statutenproblematik ins ECA-Board einziehen. Aus Deutschland wählen der FC Bayern, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, RB Leipzig und der VfL Wolfsburg als ordentliche Mitglieder. Die kooptierten ECA-Mitglieder Schalke 04, Werder Bremen, die TSG Hoffenheim, der VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt haben kein Vorstandswahlrecht.

Allerdings sind gerade die Hessen dabei, ihren Einfluss innerhalb der Großklubvereinigung auszuweiten. So laufen gerade finale Verhandlungen über eine Sonderberichterstatter-Rolle für Axel Hellmann, den Vorstandssprecher des Europa-League-Champions von 2022. Hellmann soll im ECA-Board eine Position erhalten, die momentan noch unter dem Arbeitstitel "Observer" definiert wird. Dies ist wohl auch als Entgegenkommen der ECA gegenüber der kürzlich gegründeten "Union of European Clubs" (UEC) zu sehen, die sich als Anwalt der Klein- und Mittelständler Fußball-Europas offenbar regen Zulaufs erfreut.

Deutscher Fußball könnte an Einfluss gewinnen

Hellmann also mit Sonderrolle, Dreesen für Kahn, dazu Fernando Carro - der bestens vernetzte Geschäftsführer von Bayer Leverkusen dürfte erneut ins Board gewählt werden - und künftig mutmaßlich Mintzlaff für Watzke. Der deutsche Fußball scheint seinen Einfluss innerhalb der ECA ausbauen zu können. Zumal mit Bayern-Aufsichtsrat Karl-Heinz Rummenigge ein weiterer Bundesliga-Topvertreter als Ehrenvorsitzender des Vorstands besonderes Gehör genießt.

Mit Blick auf die UEFA verspricht Mintzlaffs wahrscheinliche Wahl, die dem Vernehmen nach auch das Gusto des wandelnden Interessenkonflikts und ECA-Vorstandschefs Nasser Al-Khelaifi genießt, weitere Reibung. Denn es stellt sich die Frage, wie sich die ECA künftig in Sachen Mehrfach-Klubeigentümerschaft positionieren wird. Einem Phänomen, dem UEFA-Boss Aleksander Ceferin seit geraumer Zeit Einhalt gebieten will. Schließlich ist Al-Khelaifi neben seiner Führungsrolle beim katarischen Medienkonzern "Bein", Rechtepartner der Ligue Un und der UEFA-Champions-League, auch CEO von Paris St. Germain und der Sportinvestmentsparte des Emirats, Qatar Sports Investments (QSI). QSI hält neben PSG auch noch KAS Eupen in Belgien und hat sich vergangenes Jahr an der vierten Kraft in Portugal, Sporting Braga, beteiligt. Hat also wie Mintzlaffs Red Bull in ein sogenanntes Multiklub-Netzwerk investiert.

Benni Hofmann