Bundesliga

Lichte: "Es gibt immer wieder Anfragen und Gespräche"

Erstes Interview nach der Freistellung als Mainz-Trainer

Lichte: "Es gibt immer wieder Anfragen und Gespräche"

Jan-Moritz Lichte als Trainer des FSV Mainz 05.

Jan-Moritz Lichte als Trainer des FSV Mainz 05. DeFodi Images via Getty Images

Am dritten Spieltag der Saison 2020/21 löste der 41-Jährige schließlich Achim Beierlorzer als Cheftrainer ab. Jan-Moritz Lichte war im Sommer 2017 als Assistent von Sandro Schwarz zum FSV Mainz 05 gekommen, blieb auch unter dessen Nachfolger Co-Trainer und bekam im Oktober 2020 das Cheftraineramt in sehr schwierigen Zeiten anvertraut. Ein Spielerstreik und die vorübergehende Suspendierung von Adam Szalai hat für viel Ärger gesorgt.

Herr Lichte, wie haben Sie die Zeit seit Ende 2020 genutzt?

Ich treffe mich so gut es geht mit Kollegen, bin allerdings momentan deutlich mehr telefonisch im Austausch. Es ist schade, dass man die Zeit aufgrund der Pandemie nicht noch besser nutzen kann. Aber ich weiß ja selbst: Wenn du im Verein arbeitest, bist du in dieser Situation um jeden froh, der nicht noch von außen dazukommt. Ich hoffe, dass sich das jetzt alles ein bisschen relativiert.

Wie ist es Ihnen nach der Freistellung ergangen?

Ich war erst einmal raus aus dem gewohnten Rhythmus, dann war da natürlich auch der Lockdown. Bei uns in der Familie war der gesamte Januar Homeschooling angesagt. Ich befand mich plötzlich in einem ganz anderen Modus, die Verarbeitung habe ich erst einmal beiseitegeschoben. Danach habe ich mich in Ruhe hingesetzt und alles aufgearbeitet: Wie ist es gelaufen, warum ist es so gelaufen, was mache ich beim nächsten Mal genau so wieder und was ein bisschen anders.

Ich bin das für verschiedene Bereiche durchgegangen: Technisch-Taktisch, Trainingsarbeit, Matchpläne, Mannschaftsführung und so weiter. Das habe ich niedergeschrieben und mir Feedback geholt in Telefonaten mit Leuten, die mich kennen und den Verein auch vielleicht von außerhalb ein bisschen einschätzen können, um nicht nur in seiner eigenen Idee gefangen zu sein.

Es ist auch wichtig, mal von außen hören, dass einige Sachen vielleicht nicht in meiner Hand lagen.

Jan-Moritz Lichte

Gibt es einen Kerngedanken?

Als Cheftrainer bin ich natürlich für alles verantwortlich, aber es ist auch wichtig, mal von außen hören, dass einige Sachen vielleicht nicht in meiner Hand lagen, um dann insgesamt gestärkt aus so einer Situation herauszugehen. Man kann die Lage im Herbst mit Streik, Gehaltsverzicht, Suspendierung von Adam Szalai und die Situation im Gesamtverein ja nicht wegdiskutieren.

Mit Sportvorstand Christian Heidel soll es erst im März, April den ersten persönlichen Kontakt gegeben haben?

Ja, es war ein sehr angenehmes Gespräch mit Christian Heidel, mit dem ich vorher nie gesprochen hatte. Er hat mir sehr fair erklärt, warum er Ende Dezember der Meinung war, er möchte den Cheftrainer wechseln. Das war für mich ein wichtiges Feedback, wir sind positiv auseinandergegangen. Beide Seiten haben gesagt, vielleicht gibt es eine Position, die sich beide Seiten vorstellen können.

Ihr früherer Assistent Michael Falkenmayer arbeitet jetzt als Scout …

… über Scouting haben wir nicht gesprochen, die Frage, ob ich es mir vorstellen kann, wurde nicht gestellt - das war, glaube ich, auch vernünftig.

Die Niederlage auf der Alm sieht Lichte als Knackpunkt seiner kurzen Amtszeit an.

Die Niederlage auf der Alm sieht Lichte als Knackpunkt seiner kurzen Amtszeit an. Getty Images

Wie haben Sie die 05-Spiele nach der Freistellung verfolgt?

Im TV habe ich sie mir selten angeschaut. Mein Gefühl war, es hätte mich nicht weitergebracht, nach einer so kurzen Zeit war ich emotional noch nicht distanziert genug. Es hätte Momente gegeben, in denen ich mich gefragt hätte, warum geht der Ball jetzt rein und damals nicht. Wie beim 1:2 in Bielefeld, wo wir bei Erfolg mit einem ganz anderen Selbstvertrauen weitergemacht hätten. Ich habe natürlich die Mainzer Ergebnisse verfolgt und mich ganz ehrlich gefreut für alle Mitarbeiter, dass sie es noch gebogen haben. Auch für die Spieler, denn ich habe sie nicht kennengelernt als Profis, die einen im Stich lassen, sie haben versucht, das umzusetzen, was wir erarbeitet haben. Die Art und Weise, wie der Klassenerhalt gelang, war dann aber sensationell.

Wie verlief der Kontakt zu Nachfolger Bo Svensson?

Ich hatte Bo per SMS zum neuen Job beglückwünscht, wofür er sich bedankte. Ich habe ihm angeboten, sich mit mir auszutauschen, was er aber nicht wollte, weil er sein Ding machen wollte, was für mich total nachvollziehbar ist.

Es waren zu viele Dinge, die wir umsetzen wollten.

Jan-Moritz Lichte

Was werden Sie das nächste Mal anders machen?

Ich werde bestimmt nicht sagen, ich habe alles richtig gemacht, aber es sind eher Kleinigkeiten, die ich konkret verändern würde. Da war zum Beispiel das erste Spiel bei Union, bei dem ich zu viel Input gegeben hatte, wir waren da so sehr im Kopf, dass wir emotional und leidenschaftlich nicht mehr ins Spiel gekommen sind. Es waren zu viele Dinge, die wir umsetzen wollten.

Wo war der Knackpunkt, dass Mainz unter Ihnen in elf Spielen nur sechs Punkte holte?

Es soll keine Ausrede sein, aber wenn man sich den Verlauf der Spiele anschaut, war Bielefeld für mich der Knackpunkt. Davor hatten wir von der Leistung her ordentlich gespielt, drei Spiele nicht verloren, hätten dabei neben Freiburg eigentlich auch Schalke besiegen müssen. Wir hatten bis dahin eine positive Entwicklung angestoßen, bei der wir beim Umschalten in beide Richtungen gute Fortschritte machten. Wir haben uns rein statistisch viele Großchancen erarbeitet, die wir allerdings zu selten nutzen konnten und hatten uns in kleinen Schritten wieder mehr Selbstvertrauen erarbeitet.

In Bielefeld mussten wir in Führung gehen, bekommen dann die zwei Schüsse aus der zweiten Reihe rein. Da hat man gemerkt, wir waren als Mannschaft und als Verein nicht stabil genug. Die Partie in Bielefeld hat Spieler und Verein wieder runtergezogen, nachdem die Spieler zuvor sehr viel Kritik geerntet hatten für ihre Streikaktion. Die Partie bei der Arminia hat uns viel Kraft, Energie und Vertrauen gekostet. Im Nachhinein betrachtet würde ich einiges genauso wieder machen, weil ich auch für mich Belege dafür habe, dass es funktionieren kann.

Wo sehen Sie Ihre Zukunft?

Ich bin breit aufgestellt, es gab und gibt immer wieder Anfragen und Gespräche. Ich möchte allerdings eine Aufgabe annehmen, bei der ich aus vollem Herzen sagen kann, das ist es jetzt und ich spüre zudem, dass es der Verein genauso sieht. In welcher Funktion das dann ist, ob Cheftrainer, Co-Trainer oder in irgendeiner anderen Position, das wird man sehen - ich schließe da nichts aus.

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