3. Liga

"Kompetenz und Punch": Wittmanns Chef zieht Parallele zu Nagelsmann

Beim UEFA-Karriereforum steht Ingolstadts Pionierin im Mittelpunkt

"Kompetenz und Punch": Wittmanns Chef zieht Parallele zu Nagelsmann

Sabrina Wittmann stand beim UEFA-Karriereforum im Mittelpunkt.

Sabrina Wittmann stand beim UEFA-Karriereforum im Mittelpunkt. IMAGO/Stefan Bösl

Als erste Cheftrainerin im deutschen Profifußball startet Sabrina Wittmann (32) an diesem Donnerstag beim FC Ingolstadt in die Vorbereitung. Ihre Rolle als Pionierin sorgt aber schon vorher für internationale Aufmerksamkeit. Beim ersten Trainerinnen-Karriereforum der UEFA am DFB-Campus in Frankfurt saß die gebürtige Ingolstädterin am Mittwoch auf dem Podium.

Ebenso wie Marie-Louise Eta (32), als Co-Trainerin von Union Berlin die erste Frau an der Seitenlinie in Bundesliga und Champions League, sowie American-Football-Trainerin Nadine Nurasyid (38). Drei Karrieren, die beispielhaft für ein zentrales Anliegen von DFB und UEFA stehen und dieses zugleich weiter voranbringen sollen: Frauen generell auf Trainer-Top-Level zu etablieren - auch im Männerbereich.

Beim nächsten Pro-Lizenz-Lehrgang könnte Ingolstadts Chefin am Start sein

Welch großer Nachholbedarf in dieser Beziehung besteht, macht die einstige Starspielerin Nadine Keßler (36) deutlich, heute UEFA-Abteilungsleiterin für Frauenfußball-Entwicklung: "In Europa haben wir 75 Mal so viele Pro-Lizenz-Trainer wie Trainerinnen. Beim DFB ist das Verhältnis dabei am ausgewogensten - mit 28 Mal so viel männlichen Pro-Lizenz-Inhabern."

Ein Punkt, den Wittmann prompt in eigener Sache aufgriff: "Ich habe die Pro-Lizenz noch nicht und wäre glücklich, wenn ich die bald machen könnte." Die Zulassungsvoraussetzung für den nächsten Lehrgang würde sie jedenfalls dadurch erfüllen, dass der FCI sich zu ihr als Dauerlösung auf dem Cheftrainerposten bekannt hat.

Beiersdorfer war von Wittmann schon als U-17-Trainerin beeindruckt

Wittmanns Schlagfertigkeit könnte durchaus auch eine Eigenschaft gewesen sein, die Dietmar Beiersdorfer gleich bei der ersten Begegnung an keinen Geringeren als Julian Nagelsmann denken ließ. Die Parallele zum heutigen Bundestrainer zieht Ingolstadts Geschäftsführer Sport ausdrücklich in Bezug auf diese Qualitäten: "Wie schnell Sabrina als Trainerin Situationen erfasst, Komplexität auflöst und zielgenau den Spielern vermittelt, was sie zu tun haben, hat mich direkt an diesen jungen Hoffenheimer Trainer erinnert, den ich 2014 bei einem Vortrag erlebt habe." Bei Beiersdorfers Antritt in Ingolstadt 2021 coachte Wittmann, nebenbei auch Schnellsprecherin wie Nagelsmann, noch die U-17-Junioren.

"Hätte sie bei einem anderen Verein die U 19 trainiert, hätten wir sie nicht ausgewählt."

Die fast zwei Jahrzehnte lange Sozialisierung der neuen Chefin im Verein macht aber auch deutlich: Ohne weiteres übertragbar ist das aktuelle Ingolstädter Modell auf andere Klubs ad hoc nicht. "Wir hatten sehr viel Zeit, uns zu überzeugen, wie sie arbeitet und auch mit Drucksituationen umgeht. Hätte sie bei einem anderen Verein die U 19 trainiert, hätten wir sie sicher nicht für den Job bei unseren Profis ausgewählt", erklärt Beiersdorfer nachvollziehbar.

Schlussfolgerung: Der Weg zu mehr Trainerinnen in Top-Jobs führt zwar zum einen über "Sichtbarkeit" von Vorbildern, wie Eta anmahnt, die einst als U-13-Trainerin bei Werder Bremen den Einstieg schaffte. Vor allem aber braucht es eine breitere Basis von Trainerinnen in den NLZ.

"Die NLZ sind der Schlüssel, um mehr Trainerinnen auf Top-Niveau zu heben."

Darüber waren sich am Mittwoch alle einig, auch DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig: "Wir müssen schauen, dass wir die Kopfzahl auf ein höheres Niveau bringen." Wittmann begann in Ingolstadt als Trainerin der U 10 und folgert auch aus eigener Erfahrung: "Diesen ganzen Weg zu gehen und damit alle Facetten kennenzulernen, war das Beste, was mir passieren konnte. Die NLZ sind der Schlüssel, um mehr Trainerinnen auf Topniveau zu heben."

Woran es in der Praxis freilich nach wie vor mangelt, sind entsprechende Bewerberinnen, berichten Wittmann und Beiersdorfer mit Blick auf ihren Klub übereinstimmend. Dass eine Quote im Spitzenbereich dazu beitragen könnte, Vorbilder und Nachahmer-Effekte zu schaffen, stellt Keßler in den Raum. So ist in den UEFA-Frauenwettbewerben schon seit geraumer Zeit vorgeschrieben, dass mindestens eine Stelle im Trainerteam weiblich besetzt sein muss.

DFB-Geschäftsführer Rettig sieht eine Quote skeptisch: "Eine Frage der Akzeptanz."

Den Gedanken, dieses Modell auf den Männerbereich zu übertragen, sieht indes nicht allein Rettig skeptisch: "Der Erfolg als Trainer ist auch eine Frage der Akzeptanz. Hätten Spieler das Gefühl, da steht eine Person nur vor ihnen, weil sie eine Quote erfüllt, dann wäre das schon der erste Kratzer. Ich wäre deshalb vorsichtig mit der Theorie, dass die Vereine zu ihrem Glück gezwungen werden sollten." Auch Beiersdorfer glaubt, dass sich "das Thema Trainerinnen entwickeln wird, so wie sich der Frauenfußball insgesamt entwickelt hat. Dadurch werden auch immer mehr Spielerinnen sich für eine Trainerlaufbahn entscheiden."

Was wiederum "die strategische Personalentwicklung" leichter mache, "Frauen in die NLZ einzubauen". Worauf es am Ende geschlechtsunabhängig ankommt, bleibt ohnehin die Persönlichkeit. Mit Blick auf Wittmann formuliert Beiersdorfer das so: "Sie hat inhaltliche Kompetenz, Punch, das Gefühl für die Situation und eine klare Spielidee." Weshalb sie sich bei der Vergabe des Ingolstädter Cheftrainerpostens auch gegen mehrere männliche Bewerber durchgesetzt habe.

Thiemo Müller

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