Bundesliga

Jürgen Kohler: "Franz sollte eine Statue neben Gerd Müller bekommen"

Der Weltmeister von 1990 im Interview über den Kaiser

Kohler: "Franz sollte eine Statue neben Gerd Müller bekommen"

Gemeinsam zum Titel: Jürgen Kohler gewann mit Franz Beckenbauer das WM-Finale 1990.

Gemeinsam zum Titel: Jürgen Kohler gewann mit Franz Beckenbauer das WM-Finale 1990. imago/Sven Simon

Herr Kohler, wie haben Sie den Tod von Franz Beckenbauer aufgenommen?

Ich bin tieftraurig, dass er von uns gegangen ist. Er war ein wichtiger Mensch in meiner ganzen Karriere, nicht nur als Trainer beim WM-Titel 1990. Auch wenn ich danach Rat gebraucht habe, konnte ich ihn immer anrufen. Egal, ob es um Sport, Sponsoren oder andere Themen ging. Das hat ihn so außergewöhnlich gemacht. Er war nicht nur ein riesiger Fußballer, wahrscheinlich der beste, den es jemals gab, sondern auch als Mensch beeindruckend.

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Was hat den Menschen Beckenbauer ausgezeichnet?

Seine Demut und Volksnähe. Mit seiner Leichtigkeit, seiner Unbekümmertheit und seinem Optimismus war er ein Idol über den Fußball hinaus. Nicht nur in Deutschland, sondern international. Es war beeindruckend, wie ein Mensch andere Menschen so in seinen Bann ziehen kann.

Gibt es eine Begegnung mit ihm, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Bei der WM 1990 kam ich vor dem Achtelfinale gegen Holland zu ihm aufs Zimmer. Die drei Gruppenspiele hatte ich zuvor verletzungsbedingt verpasst. Er fragte, wie es mir geht. Ich sagte, gut. Da hat er nur gesagt: "Der arme Marco …" Ich wusste also, dass ich gegen van Basten spielen werde. Er hat mir dann einen schönen Tag gewünscht und mir gesagt, dass ich mich noch ein bisschen ausruhen soll. Diese Art, solche Dinge im Vorbeigehen zu klären, hat ihn ausgezeichnet.

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Wie hat er die Mannschaft 1990 geführt?

Er hat mit seiner Leichtigkeit für ein Urvertrauen gesorgt. Nicht nur bei mir, sondern auch bei denen, die nicht gespielt haben. Ihnen hat er vermittelt, dass sie trotzdem ein wichtiger Teil sind und die anderen zu Höchstleistungen anspornen müssen. Ihm hat man das abgekauft. Selbst wenn er gesagt hätte, wir können durch den Comer See schwimmen, obwohl der gefroren ist, hätten wir das geglaubt.

Sein Spruch "Geht’s raus und spielt’s Fußball!" ist legendär. Aber der Trainer Beckenbauer hatte auch eine sehr akribische Seite.

Wenn man auf sein Zimmer kam, hat man nur VHS-Kassetten gesehen. Wer sich hinsetzen wollte, musste sich erst mal Platz schaffen. Er hat mit seinem Trainerteam um Holger Osieck sehr gut zusammengearbeitet und hatte in seiner Karriere schon unglaublich viel erlebt. Dadurch konnte er Themen sehr gut vermitteln.

Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt zu Franz Beckenbauer?

2020 während der Corona-Zeit. Die Weltmeister von 1990 haben sich in Italien getroffen, ich habe ihn angerufen, um zu sagen, dass ich nicht kommen kann. Damals wusste noch keiner, was das Virus bewirken kann. Ich hatte in dem Jahr meinen Sommerurlaub abgesagt und konnte auch nicht nach Florenz fliegen. Als es Franz später gesundheitlich schlechter ging, habe ich mehrmals mit seiner Frau Heidrun telefoniert.

Die Sommermärchen-Affäre warf einen Schatten auf Beckenbauers Leben. Wird ihm das gerecht?

Nein, das denke ich nicht. Wenn man genau hinschaut, sieht man, was er Unglaubliches für unser Land getan hat. Deutschland wurde 2006 sehr positiv wahrgenommen, die Fußballwelt hat gemeinsam gefeiert - daran hat Franz großen Anteil. Und die WM hat sicher auch sehr viel Geld in die Kassen unseres Landes gespült.

Ex-Bundestrainer Berti Vogts hat vorgeschlagen, den DFB-Pokal nach Franz Beckenbauer zu benennen. Was halten Sie davon?

Das würde ich zu 100 Prozent unterstützen, damit sein Name präsent bleibt. Es wäre eine Würdigung, die den Verdiensten entspricht, die er nicht nur um den deutschen Fußball, sondern um das gesamte Land hat. Und noch etwas: Gerd Müller hat zu Recht eine Statue neben der Allianz-Arena in München bekommen. Ich fände es schön, wenn Franz sich dazugesellen könnte. Er sollte eine Statue neben ihm bekommen.

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