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Koch: "Verrückt, wie sich eSport entwickelt hat"

BFV-Präsident im Interview

Koch: "Verrückt, wie sich eSport entwickelt hat"

Dr. Rainer Koch sieht beim BFV die Notwendigkeit, sich dem eSport zu öffnen.

Dr. Rainer Koch sieht beim BFV die Notwendigkeit, sich dem eSport zu öffnen. kicker eSport

Schon im April 2018 kündigte der BFV ein erstes eSport-Turnier an, den BFV eSports Cup. Doch das Thema ist beim Bayerischen Fußball-Verband weiter omnipräsent. Auch in Zukunft will sich der BFV in diesem Bereich etablieren und den eSport auf ihre ganze eigene Art und Weise für sich nutzen. Denn Fußball und das Videospiel FIFA: Das passt doch gut zusammen.

kicker eSport: Wieso ist eSport interessant für den BFV?
Dr. Rainer Koch: Wir wollen vermeiden, dass fußballbezogener eSport sich vollständig außerhalb unserer Strukturen etabliert. Damit schaffen wir auch für unsere Vereine Handlungsalternativen in diesem Bereich und bieten ihnen die Möglichkeit, sich dem Thema eSport (eSoccer) zu öffnen. Wir negieren die Zeichen der Zeit nicht, sondern öffnen uns. eSport ist eine weitere Facette des Fußballs, wie etwa Beachsoccer. Wir Fußballer müssen uns öffnen, um die hohe Attraktivität des Vereinsfußballs zu erhalten. Und klar ist auch: Wenn wir solch ein Thema anpacken, dann mit der vollen Fußball-Kompetenz, die wir als Verband flächendeckend bieten. Wir zeigen Woche für Woche, dass wir den Spielbetrieb perfekt organisieren. Zudem leisten wir in vielen Bereichen Aufklärungsarbeit – warum nicht auch hier? Eltern beispielsweise wissen zwar, dass ihre Kinder an der Konsole spielen – aber was ist gut und worauf gilt es ein Auge zu haben? Auch das gehört für uns zu diesem Thema.

kicker eSport: Was haben Sie in den vergangenen Monaten seit der Ankündigung Ihres Turniers über den eSport gelernt?
Koch: Wer sich näher mit der Thematik beschäftigt und mit offenen Augen durch die Welt geht, der wird ganz schnell feststellen, dass es viele aktive Fußballer gibt, die auch virtuell an der Konsole FIFA kicken. Diese Schnittmengen sind für uns ganz besonders interessant. Was aber auch klar ist, dass wir bei Blick auf die ambitionierten eSport-Spieler von einer sehr eigenen, dynamischen und durchaus visionären Community reden, die es schafft, echte Events zu organisieren. Vieles dabei ist sehr kommerziell ausgerichtet, was keinesfalls unser Ansinnen ist. Wir wollen gezielt eine Sparte besetzen und Symbiosen zwischen dem Spiel auf dem Platz und dem an der Konsole schaffen.

kicker eSport: Was kann die eSport-Szene vom BFV lernen?
Koch: Das müssen andere beurteilen. Unser Vorteil ist sicherlich, dass wir in Bayern flächendeckend auf ganz vielfältige Art und Weise vertreten sind. Dieses Netzwerk hat sich über Jahre hinweg etabliert. Wir kennen unsere Vereine, die aktiven Menschen dort, ihre Wünsche und wir wollen sie in der täglichen Arbeit rund um den Amateurfußball unterstützen: Das beginnt bei der reibungslosen Organisation des Spielbetriebs, den wir bereits komplett digital abbilden, und endet bei Hilfestellungen in ganz vielen Themen, die ein ehrenamtlicher Vereinsfunktionär heute zu besetzen hat. Auch abseits des normalen Spiels.

Wir wollen gezielt eine Sparte besetzen und Symbiosen zwischen dem Spiel auf dem Platz und dem an der Konsole schaffen.

BFV-Präsident Dr. Rainer Koch

kicker eSport: Wie blicken Sie auf Ihr erstes Event, den BFV eSports Cup, zurück?
Koch: Das war eine absolut tolle Sache. Wir hatten bei dieser Turnierserien-Premiere auf Anhieb 400 Teilnehmer. Das finde ich stattlich. Auch hier hat der Verband gezeigt, dass wir keine halben Sachen machen. Wer sich alleine dieses Finale angesehen hat, weiß, dass wir bestmögliche Voraussetzungen geschaffen haben. Es ist schon verrückt, wie sich eSport entwickelt hat, alleine die Technik hier in diesem Studio ist gigantisch. Das ist auch für die Teilnehmer nochmals ein neuer Blick. Ich bin mir sicher, dass wir auf einem guten Weg sind.

kicker eSport: Wie sehen die zukünftigen Pläne des BFV im eSport aus?

Koch: Auf den ersten Blick mögen das zwei unterschiedliche Welten sein, doch wer sich näher damit beschäftigt, wird schnell erkennen, dass wir es schaffen können, Jugendliche, die vornehmlich an der Konsole spielen, auch wieder über die Gemeinschaft auf den Platz zu bringen. Das ist auch eines unserer Ziele. Wir wollen unsere Vereine mit auf die Reise nehmen, warum nicht auch mal ein Offline-eSoccer-Turnier nach dem Training im Sportheim veranstalten? Es geht um das gemeinschaftliche Fußballerlebnis. eSoccer bietet die Chance, eine Gruppe, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr aktiv ist, wieder zum Fußball zu bringen. Sei es im ersten Schritt eben beschriebenes Turnier im Vereinsheim. Daraus kann sich etwas entwickeln. Warum nicht eigene Turnierserien schaffen, bei dem Spieler für ihren Verein spielen? Da sind wir, der Verband, in der Pflicht, Modelle zu entwickeln, die dem Verein einen Mehrwert in Sachen Mitgliederbindung beschert. Turniere, gemeinsame Veranstaltungen, Elternabende, vielleicht auch einmal ein regionaler Ligen-Spielbetrieb. Das Feld ist breit, die Möglichkeiten groß. Konkret vorstellbar ist es, dass wir bei der Fußballiade im kommenden Jahr in Landshut ein großes Open-Air-Finale in der Fußgängerzone mit Public Viewing spielen. Etwas, was es so noch nicht gegeben hat.

Christian Mittweg