2. Bundesliga

Hannover 96: Kinds Bumerang für die DFL

Hannover 96 und die Sache mit 50+1

Kinds Bumerang für die DFL

Hannovers Geschäftsführer Martin Kind.

Hannovers Geschäftsführer Martin Kind. IMAGO/localpic

Es war im Februar 2019, wenige Monate, nachdem die Deutsche Fußball-Liga DFL Martin Kind eine Ausnahmegenehmigung von 50+1 a la Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim verwehrt hatte mit der Begründung, dass die Bedingung der "erheblichen und ununterbrochenen Förderung über 20 Jahre" im Falle Kind/Hannover nicht erfüllt sei. Da publizierte der Ligaverband eine Mitteilung, in der es hieß: "Die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA hat die aus Sicht der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH satzungswidrigen Änderungen ihrer Satzung vom vergangenen September nach Gesprächen mit der DFL rückgängig gemacht. Die von der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA im Einvernehmen mit dem Hannover 96 e.V. in den Gesprächen vorgelegten Vorschläge für Neuformulierungen der Satzung sind mit den satzungsmäßigen Vorgaben der 50+1-Regel vereinbar oder berühren diese nicht."

Sonderheft

Damals ging es um Zustimmungspflichten des Aufsichtsrats jener KGaA und wer das Konstrukt sowie die Probleme in der niedersächsischen Hauptstadt verstehen möchte, der muss sich zunächst mit dem Verhältnis zwischen e.V., KGaA und weiteren Gesellschaften beschäftigen. Die KGaA ist seit 1999 Lizenznehmer, sie organisiert und finanziert den Profispielbetrieb. Die Anteile an der KGaA hält die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, die wiederum Kind, dem Drogerieunternehmer Dirk Roßmann und dem Immobilien- und Hotellerieunternehmer Gregor Baum. Das ist die so genannte Kapitalseite.

Wie das mit 50+1 vereinbar ist, der Regel, wonach die Stimmenmehrheit auch im Lizenzbetrieb am Ende beim e.V. liegen muss? Dank einer zwischengeschalteten, so genannten voll haftenden Komplementär-GmbH (Hannover 96 Management GmbH), die in Vereinsbesitz ist und die Geschäfte führt. In dieser hat der e.V. das Sagen. Ähnlich ist das bei Hertha BSC, wo mittlerweile Lars Windhorst und seine Tennor-Gruppe die Anteilsmehrheit an der KGaA halten, oder bei Borussia Dortmund, wo der Verein nur knapp 5 Prozent der KGaA-Aktien hält. Die Geschäftsführung setzt dort jeweils der e.V. ein.

Aufgeregtes und wackeliges Hannover-96-Konstrukt

So war das auch in Hannover, Kind ist seit 2006 Boss der Management GmbH. Diese Ära wollte der Vereinsvorstand um den Vorsitzenden Sebastian Kramer nun beenden. Man berief Kind ab mit dem Verweis, dass "die Kapitalseite schon mehrfach gegen den Hannover-96-Vertrag und die zugleich abgeschlossene Fördervereinbarung verstoßen und eine festgelegte Spende in Höhe von 200.000 € nicht und weitere Spenden nicht zum vereinbarten Zeitpunkt gezahlt und hiermit wissentlich die Liquidität des H96 e.V. geschwächt" habe. Zudem seien Darlehen nicht ausgezahlt und Rechnungen ohne vertragliche Grundlage gestellt worden, etwa für die Nutzung des Nachwuchsleistungszentrums durch Mannschaften des e.V. Der Hannover-96-Vertrag regelt Rechte und Pflichten von Kapital- und Vereinsseite in dem aufgeregten wie wackeligen Hannover-96-Konstrukt.

Anhörung am 16. August

Kind schlug via Pressemitteilung zurück, publiziert in der Klubsparte der 96er-Webseite - ein kurioser Umstand, der an den durch die Datenaffäre ausgelösten Machtkampf Anfang 2021 beim VfB Stuttgart erinnert, wo Teile des damaligen Präsidiums auf der einen und Vereinspräsident Claus Vogt auf der anderen Seite via Klubhomepage binnen kürzester Zeit konträre Statements herausgaben. Der Kapitalseite ist in Hannover nun ein Teilerfolg gelungen, weil sie Kinds Abberufung per Zwischenverfügung vor dem Landgericht (LG) rückgängig machen konnte. Die zuständige Kammer lädt beide Seiten für den 16. August zur Anhörung, um dann final über Kinds Antrag auf "Anspruch auf Fortführung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer", so heißt es seitens des LG, zu entscheiden.

Die Krux ist offensichtlich: eine Pattsituation

Kind nämlich ist laut LG der Meinung, dass "eine Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers nur durch den Aufsichtsrat der Antragsgegnerin (Hannover 96 Management GmbH) vorgenommen werden dürfe und auch kein wichtiger Grund zur Abberufung ersichtlich sei". Diesem Kontrollgremium gehören neben Kramer und Ralf Nestler als Vertreter der Vereinsseite mit Roland Frobel und Rainer Feuerhake zwei Anhänger der Kapitalseite an. Die Krux ist offensichtlich: eine Pattsituation. Und nun wird es spannend mit Blick auf 50+1: Wie sichert man in Hannover die Einhaltung der Regel?

Podcast
Podcast
Saison 2001/02: Seuchen- oder Traumsaison?
51:48 Minuten
alle Folgen

Wenige Monate nach der eingangs erwähnten Pressemeldung der DFL nämlich sah sich der Ligaverband ob kontroverser Berichterstattungen zum Hannover-Konstrukt zu einer weiteren Klarstellung aufgerufen: "Entgegen mancher heutiger Berichterstattung hat es keine Zustimmung der DFL zu einer 'Sonderregelung' für Hannover 96 in Bezug auf die 50+1-Regel gegeben. Der sogenannte 'Hannover-96-Vertrag' ist nach Auffassung der DFL mit der 50+1-Regel vereinbar. Maßgeblich ist, dass der Hannover 96 e.V. als Alleingesellschafter der Hannover 96 Management GmbH weiterhin ein uneingeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung hat und auch gesellschaftsvertraglich die Rechte des Hannover 96 e.V. unverändert bleiben."

Auf dieses Weisungsrecht beruft sich nun der e.V. als alleiniger Gesellschafter der Management-GmbH. Dies bedeutet im Umkehrschluss: Gibt das LG Kind recht, wäre dieses Weisungsrecht nicht erfüllt und 50+1 in Hannover ausgehebelt. Kinds Klage könnte gewissermaßen als Bumerang zurückkommen, weil dann die Lizenz für den Zweitligisten zumindest einer genaueren Prüfung unterzogen werden dürfte. Zu klären wäre dann, ob Weisungsrecht bedeutet, dass der e.V. den Geschäftsführer ohne mehrheitliche Zustimmung des Aufsichtsrats abberufen kann respektive, ob durch eine etwaige Blockade des Kontrollgremiums 50+1 verletzt wäre. An einem Lizenzentzug mitten in der laufenden Spielzeit dürfte zwar niemand wirklich Interesse haben, schon gar nicht die DFL. Doch allein die aktuelle Konstellation würde späteren Klagen, beispielsweise von Absteigern, die im Nachgang argumentieren könnten, Hannover habe sich außerhalb der Statuten bewegt, Tür und Tor öffnen.

Benni Hofmann

Wo sich etwas geändert hat und wo nicht: Die Kapitäne der Zweitligisten