Bundesliga

Jansen zieht keine Konsequenzen: Ein Auftritt der verpassten Chancen

HSV-Aufsichtsrat schafft keine Klarheiten nach Wüstefeld-Aus

Jansen zieht keine Konsequenzen: Ein Auftritt der verpassten Chancen

Vermied klare Worte nach dem Aus von Thomas Wüstefeld: HSV-Aufsichtsratsboss Marcell Jansen.

Vermied klare Worte nach dem Aus von Thomas Wüstefeld: HSV-Aufsichtsratsboss Marcell Jansen. IMAGO/Oliver Ruhnke

Jansen hatte viele Optionen nach dem Aus des Mannes, dem der bis zuletzt und am Ende fast als Einziger die Treue gehalten hat. Er hätte seinen Rücktritt erklären können, oder eher sollen, weil am Abend zuvor deutlich geworden ist, dass er in seinem Gremium nicht mehr den vollen Rückhalt hat - stattdessen setzt er auf die Aufsichtsrats-Neuwahlen im November, bei denen er als Präsident des e.V. ein Vorschlagsrecht hat; er hätte mindestens Fehler einräumen können bezüglich seiner Treue zu Wüstefeld, stattdessen verstieg er sich unter anderem in der Floskel "hinterher ist man immer schlauer".

Er hätte auch Aufklärung betreiben können bezüglich des Doktortitels von Wüstefeld, Fragen dazu gab es ausreichend und sie waren auch konkret genug, doch der Ex-Profi blieb selbst bei diesem Punkt im Ungefähren. "Thomas hat ja angekündigt, dass er das ausräumt und es gab auch ein Treffen, weiter sind wir nicht mehr gekommen." Was unglaublich klingt, will Jansen Glauben machen und erklärt, ein Teil seines Gremiums habe sich mit Wüstefeld getroffen, um entsprechende Unterlagen einzusehen. Wie die genau ausgesehen haben, hätten ihm die Kollegen nicht genau mitgeteilt, und da es nun zur Trennung kam, "ist das jetzt ja auch nicht mehr Sache des HSV, sondern seine Sache." Aha.

Marcell Jansen, Präsident des Fußball-Zweitligisten Hamburger SV, spricht auf einer Pressekonferenz im Volksparkstadion.

Jansen im Kampfmodus: "Verantwortlich ist nicht nur Marcell Jansen"

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"Ich kenne das ja schon in Hamburg..."

Sache des HSV aber ist es, ob Jansen von den Teilen seines Gremium wirklich nicht informiert wurde, oder ob auch er in der Angelegenheit wissentlich die Wahrheit verschweigt. "Ich war nicht dabei, gehe aber davon aus, dass seine Unterlagen nicht nur ein weißes Blatt Papier waren, sonst wäre ich wohl informiert worden." Das ist etwas wenig für einen Aufsichtsratsboss, dessen Kernaufgabe Kontrolle ist.

Dass Jansen dieses Amt weiter ausführen will, daran lässt er keine Zweifel aufkommen. Auf die Frage, ob er nicht daran denke, Konsequenzen aus den für den HSV desaströsen letzten Wochen zu ziehen, antwortete er bissig: "Wir sind als Gesamtgremium verantwortlich, es ist nicht immer nur Marcell Jansen. Aber ich kenne das ja schon in Hamburg und habe hier schon viele Rollen eingenommen. Wenn etwas nicht läuft, dann ist es allein Marcell Jansen…"

Hoffen auf die Hauptversammlung?

Klar ist: Dass es mit Wüstefeld nicht weiterlief, war eben nicht allein Marcell Jansen. Und der Rücktritt am Mittwoch war auch kein ganz freiwilliger Rückzug. Wüstefeld ist, wie Mittwoch vom kicker berichtet, seinem Aus zuvorgekommen, weil die Stimmung im Rat gekippt ist, spätestens seit den erneuten "Spiegel"-Enthüllungen vor zwei Wochen und dem Bericht im "Hamburger Abendblatt" um die Zweifel an seinem Doktor-Titel. "Es gab nochmal eine Veränderung und noch mehr Themen rund um das Düsseldorf-Spiel", sagt Jansen, "die Themen haben nicht mehr zusammengepasst und deshalb haben wir entschieden, dass wir zusammenkommen müssen." Wüstefeld wusste von den Mehrheitsverhältnissen im Rat: Noch bevor sich die Kontrolleure für den gestrigen Mittwoch verabredet hatten, hatte der Medizinunternehmer Jansen am Samstag ins Vertrauen genommen und von seinem Rückzug in Kenntnis gesetzt. Immerhin jetzt sagt auch Jansen: "Es ist der richtige Schritt für den HSV, damit jetzt Ruhe einkehrt."

Wie es konkret weitergeht, lässt der frühere Nationalspieler offen, bleibt auch hier im Ungefähren: Das Vertrauen in Jonas Boldt reicht zwar, um dem bisherigen Sportvorstand nun die alleinige Verantwortung zu übertragen, nicht aber, um dessen im Sommer auslaufenden Vertrag zu verlängern, denn: "Wir haben ja eine lange Winterpause ab November." Und in dieser auch eine Hauptversammlung, bei der neue Aufsichtsräte gewählt werden, die Kandidaten schlägt pikanterweise Jansen mit seinen Präsidiumskollegen aus dem Beirat vor. Womöglich die Antwort auf die Frage, weshalb er bis dahin weiter einem Gremium vorstehen will, in dem er keine Mehrheit mehr hat?

Hilfe von Kühne "ohne etwas zu fordern"?

Letzter Rettungsanker wird wohl abermals Klaus-Michael Kühne. Dessen Bedingung, das Ende von Wüstefeld, ist seit Mittwoch erfüllt. Sie war durchaus nachvollziehbar, nachdem Wüstefeld in seiner Rolle als Gesellschafter gegen den Milliardär geklagt hatte, dennoch hat das Wort des 85-Jährigen einmal mehr Gewicht gehabt. "Krach zwischen zwei Gesellschaftern und der Fakt, dass Herr Kühne den Kopf von Thomas gefordert hat, hat natürlich Einfluss auf den Aufsichtsrat genommen." Stellt Kühne nun tatsächlich keine weiteren Forderungen, wäre der Weg für ihn und die HSV-Sanierung frei. "Wenn er dem HSV helfen möchte ohne etwas zu fordern",  erklärt Jansen, "dann wären wir ja bescheuert, wenn wir das nicht annehmen würden."

Die finanziellen Probleme des HSV ließen sich mit Kühne lindern. Andere, so scheint es, werden bleiben.

Sebastian Wolff

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