Bundesliga

kicker-Meisterserie: Jonas Hofmann über Bayer-04-Comebacks

Meisterserie: Unser fast perfektes Jahr

Hofmann über Bayers Comebacks: "Mannschaft hat besonderen Charakter"

Ein Traum geht in Erfüllung: Die Meisterschaft macht Bayer früh perfekt. Sie ist für Jonas Hofmann der wichtigste aller Titel.

Ein Traum geht in Erfüllung: Die Meisterschaft macht Bayer früh perfekt. Sie ist für Jonas Hofmann der wichtigste aller Titel. IMAGO/Sven Simon

Der Sieg im Pokalfinale in Berlin war für uns der perfekte Abschluss einer fast perfekten und außergewöhnlichen Saison. Es war unbeschreiblich und einfach cool, die nächste Trophäe in die Höhe zu stemmen. Erst die Meisterschale, jetzt den Pokal - in der Nacht haben wir das Double bei der Party im Club Theater Berlin bis in den frühen Morgen gefeiert. Im Flieger nach Köln habe ich am Sonntagmittag in viele müde, aber glückliche Gesichter geblickt.

Der Empfang, der uns dann in Leverkusen bereitet wurde, war einfach phänomenal. Erst der Autokorso vom Schloss Morsbroich zum Stadion. Dann die Double-Feier mit allein 40 000 Fans in der Bay-Arena. Einfach überwältigend. Und wir konnten endlich unseren Erfolg in vollen Zügen genießen.

Probleme gegen West Ham lagen nicht an der Meisterfeier

Nach dem 5:0 gegen Bremen, als wir schon als Meister feststanden, hatten wir natürlich die ganze Zeit im Hinterkopf, dass wir vier Tage später bei West Ham spielen mussten. Daher musste jeder für sich seine Grenze und einen guten Mittelweg finden: Wie viel kann ich trinken, damit ich am nächsten Tag nicht völlig kaputt bin? Und das haben auch alle richtig gemacht. Dass wir bei diesem 1:1 in London vor der Pause ein paar Probleme hatten, lag dann auch am guten Spiel von West Ham und ganz sicher nicht daran, dass wir zu lange gefeiert hatten.

Natürlich gab es nach dem Bremen-Spiel in der Kabine Alkohol, aber es wäre auch schwierig gewesen zu sagen: Ihr trinkt gar nichts, auch wenn ihr gerade Meister geworden seid. Doch wenn man da drei, vier Bier trinkt, hat das vier Tage später keine Auswirkungen mehr. Und jemand wie Lukas (Hradecky, Anm. d. Red.) kann auch das eine oder andere Glas mehr vertragen. (lacht)

Die Meisterschale in die Höhe zu strecken, war ein unbeschreibliches Gefühl. Und davon will man immer mehr.

Jonas Hofmann

Die Meisterschale dann nach dem letzten Spieltag in die Höhe zu strecken, war ein unbeschreibliches Gefühl. Und davon will man immer mehr. Jetzt am Samstag nach dem Pokalfinale gab es dementsprechend kein Halten mehr nach dem Double!

Im Trainingslager in Österreich hatte ich ja im kicker gesagt, dass für diese Mannschaft mit diesem Talent und diesem Potenzial ein Titel der Anspruch sein muss. Diese Aussage konnten wir bestätigen. Dass es am Ende aber wirklich nahezu perfekt lief, hätte ich damals auch nicht gedacht, ganz ehrlich. Der Traum, einen Titel zu holen, war zwar schon bei meinem Wechsel aus Gladbach im Sommer existent. Ich hatte aber eher den Pokal oder die Europa League im Blick, weniger die Meisterschaft aufgrund der Dominanz der Bayern in den vergangenen Jahren.

Dieser Meistertitel ist für mich der wichtigste Titel. Gerade aufgrund der Konstellation, dass der Verein noch nie Meister geworden war und man jetzt zu der Mannschaft gehört, die das erstmals geschafft hat. Ich bin schon lange dabei. Jedes Jahr sieht man Spieler die Schale hochstrecken. Und jedes Mal, wenn ich das sah, dachte ich: Ein einziges Mal willst du das auch machen. Das wäre ein Traum. Jetzt ist er in Erfüllung gegangen.

Entscheidung zwischen Europa League und DFB-Pokal wäre wohl auf den Pokal gefallen

Wobei der DFB-Pokal natürlich auch ein besonderer Wettbewerb ist. Hätte ich mich zwischen der Europa League und dem DFB-Pokal entscheiden müssen, hätte ich den Pokal aufgrund des Flairs in Berlin vielleicht sogar bevorzugt.

Und das sage ich nicht, weil es Mittwochnacht so übel für uns gelaufen ist. Dass wir im Europa-League-Finale gegen Bergamo in Dublin einen so schlechten Tag erwischt haben, ist natürlich schade. Da haben wir verdient 0:3 verloren. Doch nur drei Tage später haben wir in Berlin gegen Kaiserslautern den Pokal gewonnen. Und dass wir jetzt sagen können, wir haben das Double geholt und sind dabei national sogar ungeschlagen geblieben, das ist einfach außergewöhnlich.

Sieg gegen Bayern ein Schlüsselereignis

Der Gedanke, dass wir Meister werden, dass wir es wirklich packen könnten, ging mir zum ersten Mal nach dem Heimspiel gegen die Bayern durch den Kopf, als wir sie Anfang Februar verdient 3:0 geschlagen haben. Vor dem Spiel hatten ja viele damit gerechnet, dass die Bayern voll da sein und an uns vorbeiziehen würden. Doch an dem Tag waren eben wir da und haben unseren Vorsprung auf fünf Punkte erhöht. Da war mir klar, auch wenn noch 13 Spiele zu spielen waren: Wir können das schaffen. Mit unserer Art und Weise und mit diesem Fokus, den Xabi uns Tag für Tag vorlebt.

Ein Sieg gegen die Bayern setzt zudem immer ein paar Extra-Kräfte frei. Gerade in dieser Konstellation, in der man wusste, worum es geht. Nach dieser Partie, auf der viel Druck lag, auch wenn er für die Münchner noch mal größer war, ist einiges von uns abgefallen. Und danach ging es auch von außen los: Jetzt kann es Leverkusen wirklich packen, hieß es auf einmal. Dieses Gefühl an diesem Abend war einmalig.

Aber es gab noch andere Schlüsselmomente: Der späte 1:0-Sieg in Augsburg im ersten Spiel nach der Winterpause zum Beispiel. Da dachten einige, uns fehlen der verletzte Boniface, Tapsoba, Kossounou und Adli, die beim Afrika-Cup spielen - und jetzt kommen wir ins Trudeln.

Xabi Alonso lebte seinen Spielern um Jonas Hofmann die Mentalität vor.

Xabi Alonso lebte seinen Spielern um Jonas Hofmann die Mentalität vor. IMAGO/Uwe Kraft

Auch unser Sieg im Achtelfinal-Rückspiel gegen Qarabag, als wir nach 90 Minuten noch 1:2 zurücklagen und fast schon ausgeschieden waren, war so ein spezieller Moment. Dieses Spiel noch zu drehen und auch das Viertelfinale gegen Stuttgart im DFB-Pokal nach dem 1:2 ganz am Ende noch 3:2 zu gewinnen, waren einschneidende Erlebnisse.

Wir haben in der Rückrunde ja oft in den letzten Minuten getroffen, weil wir auch in Rückstand einfach so weitergespielt haben wie zuvor und nicht auf lange Bälle gesetzt haben. Wir haben immer daran geglaubt. Und irgendwann hast du die Erfahrung gemacht: Das funktioniert. Xabi hat das vorgegeben.

Und als Trainer wählst du ja den Weg, auf dem du am wahrscheinlichsten ein Tor erzielst. Das machst du von Anfang an, weil du davon überzeugt bist - und dann eben auch bis zur 97. Minute. Wir sind immer weiter angelaufen, haben die Gegner bis zum Ende laufen lassen. Und diese Momente, in denen sich ihre Müdigkeit zeigte, die haben wir dann gnadenlos ausgenutzt.

Wir haben gedacht: Scheißegal, wir spielen weiter.

Jonas Hofmann

Die Bayern hatten das zu ihren Glanzzeiten ähnlich gemacht. Immer weiter daran zu glauben und dranzubleiben, das ist eine Qualität, die sich meistens durchsetzt. Eine solche Mentalität habe ich auf meinen Stationen in Dortmund, Mainz und Gladbach nirgends in dieser ausgeprägten Form wie bei uns erlebt.

Wir sind ja manchmal sogar 0:2 in Rückstand geraten, aber man hatte nie das Gefühl, dass es schiefgehen würde. Wir haben gedacht: Scheißegal, wir spielen weiter - und in der nächsten Aktion machen wir gleich den Anschlusstreffer. Dann, daran haben wir immer geglaubt, drehen wir noch das Spiel. Daran sieht man auch, wie wichtig der Kopf, das Mentale im Fußball ist. Wenn alle so denken, entsteht etwas. Diese Mannschaft hat einfach einen besonderen Charakter.

Besondere Haltung ein Grund, warum wir ganz oben stehen

Ich kann mich an ein Training im März erinnern, das wirklich scheiße gelaufen war. Direkt danach haben wir uns in der Kabine zusammengesetzt und gesagt: So geht das nicht. Das ist nicht unser Anspruch. Wir wollen in jedem Training Gas geben. Und das sind Momente, die man nicht oft erlebt. Wie gesagt: Wir haben uns damals nicht über ein schlechtes Spiel unterhalten, sondern darüber, dass ein Training schlecht gelaufen ist.

Das zeigt diese besondere Haltung, jedes Training nutzen zu wollen, jeden Tag an sich zu arbeiten. Das ist ein Grund, warum wir jetzt ganz oben stehen. Und dass wir sogar ohne Niederlage Meister geworden sind. Wir haben uns in die Geschichtsbücher eingetragen. Jeder von uns ist Teil dieses in dieser Bundesliga-Saison unschlagbaren Teams. Das hat in Deutschland noch keiner geschafft. Und wer weiß, ob es jemals noch einer schaffen wird? Dass ich ein Teil davon sein durfte - da gibt es aus meiner Sicht wenig Schöneres.

Dieser Text erschien erstmals in der Montagsausgabe des kicker am 27. Mai. Hier können Sie sich den kicker als eMagazine im Flex-Abo sichern.

Jonas Hofmann

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