Bundesliga

Selke, Tigges, Dietz: Kölns Qualitätsproblem in der Offensive

Schultz' Zeichen an Dietz und Tigges - Welche Rolle spielt Adamyan?

Harmlos und hilflos: Kölns Qualitätsproblem in der Offensive

Aussichtslos am Ball: Sargis Adamyan wirkte gegen Dortmund immerhin am Ende ein paar Minuten lang mit.

Aussichtslos am Ball: Sargis Adamyan wirkte gegen Dortmund immerhin am Ende ein paar Minuten lang mit. IMAGO/Treese

"Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Meisterschaften" - diese Sport-Weisheit könnte dem 1. FC Köln Hoffnung machen - auch wenn es für die Rheinländer momentan um alles geht, außer um Meisterschaften. Mit 33 Gegentoren nach 18 Spielen steht die Abwehr der Rheinländer immerhin besser da als sechs andere Teams. Doch das Sprichwort sollte den Kölnern eher Sorgen machen. Denn der FC stellt die mit Abstand schlechteste Offensive der Liga. Der Angriff des FC gewinnt schon seit einiger Zeit mehr keine Spiele.

Köln ist derzeit historisch harmlos. Elf Treffer nach 18 Partien hatten die Geißböcke zuletzt um die Jahrtausendwende in der Saison 2001/02 auf dem Konto. Nur fünf Teams hatten nach 18 Spieltagen noch weniger Tore erzielt, den Negativrekord hält Tasmania Berlin mit acht. Besserung ist derzeit keine in Sicht: Auch beim 0:4 am Samstag gegen Borussia Dortmund kam Köln nur zu zwei klaren Chancen.

Tigges, Dietz - oder lieber keiner von beiden?

Kölns bester Stürmer Davie Selke (fünf Saisontore) ist nicht zu ersetzen - und derzeit verletzt. Also muss Trainer Timo Schultz umplanen, doch einen qualitativ adäquaten Ersatz hat er nicht im Kader. Florian Dietz ist zwar ähnlich groß wie Selke, nach seiner Kreuzbandverletzung aber gerade wieder ein paar Monate mit dabei und hat überhaupt erst 13 Bundesligaspiele in seiner Karriere gemacht.

Auch Steffen Tigges ist ein Spieler vom Profil Ankerstürmer, hat seine Vorjahresform (sechs Tore, zwei Vorlagen) aber offenbar irgendwo im Kölner Stadtwald vergraben und findet sie seitdem nicht wieder. Tigges' Auftritte (kicker-Notenschnitt 4,9) sind derzeit so dramatisch, dass ihn Schultz beim 0:2 im Testspiel der Reservisten gegen Bochum am Samstag erst nach der Pause brachte und rund ums Geißbockheim nur noch wenige unterwegs sind, die Tigges für einen bundesligatauglichen Angreifer halten. Der Geissblog etwa tickerte vom Bochum-Test vernichtend: '"Tiggi, mach den Ball fest", brüllt Schultz. Der Stürmer agiert eher wie ein Flipperautomat."'

Testspiel am Sonntag

Thielmann verzweifelt gegen Süle und Schlotterbeck

Schultz' ganze Hilflosigkeit zeigte seine Sturmformation gegen den BVB. Tigges blieb ganz auf der Bank, Dietz schaffte es nicht einmal in den Spieltagskader. Ein Wink mit dem Zaunpfahl: Als naheliegender Teil der Lösung sieht Schutz beide wohl nicht  - obwohl doch gerade gegen einen eher dominant erwarteten Gegner wie Dortmund mehr Körpergröße bei Standardsituationen hätte helfen können.

Statt Dietz oder Tigges rieb sich dann Jan Thielmann im Sturmzentrum auf, blieb mit seinen 1,78 Metern Körpergröße gegen die mehr als 1,90 Meter großen Niklas Süle und Nico Schlotterbeck aber chancenlos. Wieso seine Mitspieler trotzdem 17 Flanken in den Strafraum feuerten, bleibt wohl für immer ihr Geheimnis. Von den insgesamt 19 Torschüssen wurden nur zwei gefährlich.

Schultz ist zu einer schlechten Lösung verdammt

Ohne Selke stecken Schultz und der FC in der Zwickmühle. Ein erfolgreiches Offensivspiel ohne Sturmtank gehört zu den anspruchsvollsten Taktiken im Fußball - so anspruchsvoll, dass die Kölner derzeit damit überfordert sein dürften. Die beiden Stoßstürmer Dietz und Tigges wiederum bringen dem Angriffsspiel schlicht keinen Mehrwert. Schultz ist zu einer schlechten Lösung im Angriffszentrum verdammt, bis Selke wieder zurück ist.

Denn Talent Justin Diehl ist - wenn überhaupt - ein Kandidat für eine Außenposition. Dem 19-Jährigen fehlt noch die Robustheit um gegen gestandene Bundesliga-Innenverteidiger bestehen zu können. U-21-Stürmer Damion Downs spielte zwar gegen Bochum wieder mit, fehlte aber am Samstag ganz im Kader.

Wird Adamyan wieder eine echte Option?

Ganz anders als Sargis Adamyan, der plötzlich wieder in einem Pflichtspiel auf dem Platz stand und kurz vor Schluss eingewechselt wurde. Der 30 Jahre alte Armenier hatte zuvor zuletzt Mitte September für den FC gespielt, galt dann als untauglich und fehlte oft im Kader. Nun erhielt er den Vorzug vor Dietz und Tigges, spielte auch gegen den VfL engagiert mit. Ob der eher mitspielende Typ Adamyan, der in 39 Pflichtspielen für den Effzeh auf drei Tore kommt, unter Schultz wieder eine ernstzunehmende Option wird?

"Grundsätzlich bin ich mit der Flexibilität und der Intensität, die die Jungs vorne an den Tag gelegt haben, zufrieden", sagte der Coach nach dem BVB-Spiel zurückhaltend. Er wird wissen, dass es ohne Tore nicht geht. Die nächsten Aufgaben heißen Wolfsburg, Frankfurt und Hoffenheim. Da könnte sich dann zeigen, dass die Offensive Spiele gewinnen kann - aber eine untaugliche Offensive in der Bundesliga den Kopf kosten kann.

Jim Decker