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Gewalt ebbt nicht ab: DFB-Lagebild zum Amateurfußball

Tod eines Berliner Jugendspielers "muss endgültig ein Warnsignal für alle sein"

Gewalt ebbt nicht ab: DFB präsentiert Lagebild zum Amateurfußball

Schwere Aufgabe: Schiedsrichter wurden auch 2022/23 wiederholt aggressiv angegangen.

Schwere Aufgabe: Schiedsrichter wurden auch 2022/23 wiederholt aggressiv angegangen. IMAGO/Hanno Bode

Im Mai kam es zum Äußersten: Bei einem Jugendturnier in Frankfurt wurde ein 15-jähriger Spieler aus Berlin bei einer Auseinandersetzung so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus an schweren Hirnverletzungen verstorben ist. Tatverdächtig ist ein 16-jähriger Fußballer aus Frankreich.

Ein Extremfall gewiss, doch trotzdem ist die Gewalt auf deutschen Amateurfußballplätzen allgegenwärtig und nimmt im Vergleich zur Saison 2021/22 nicht ab. Die Abbruchquote liegt weiterhin bei 0,08 Prozent, konkret wurden 961 Fußballspiele wegen Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen abgebrochen. Zum Vergleich: In den Spielzeiten 2016/17 (672) und 2017/18 (667) waren es noch deutlich weniger. 126 Abbrüche entfielen übrigens auf die Altersstufen F- bis D-Junioren.

Gewalt und Diskriminierung drücken sich aber nicht nur in der Zahl der Spielabbrüche aus. Der DFB hat 2022/23 in den 1.234.154 abgeschlossenen Spielberichten insgesamt 3907 Gewalt- und 2679 Diskriminierungsfälle gezählt. Auch Bedrohungen werden als Gewalthandlung klassifiziert. Überproportional sind Schiedsrichter die Leidtragenden, denn obwohl in unteren Ligen oft nur ein Mann an der Pfeife mindestens 22 Spielern gegenübersteht, wurden die Unparteiischen 2680-mal angegangen, Spieler 3496-mal. Bei der Frage der Verursacher liegen Spieler (4116 Fälle) vor Zuschauern (2200) und Betreuern (1191).

Oft ist die Vorstellung, was einen Gewaltvorfall ausmacht, schlimmer als es die Wirklichkeit hergibt.

DFB in seiner Vorstellung zum Lagebericht

Gleichzeitig möchte sich der DFB nicht ausschließlich an nackten Zahlen orientieren, sondern genauer wissen, was in den einzelnen Fällen überhaupt passiert ist. So haben einzelne Landesverbände damit begonnen, die Zahlen auch qualitativ zu gewichten. DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann, der beim Verband als Repräsentant für den Amateurfußball fungiert, macht das am Beispiel Württemberg fest. Dort sei es in der Hinrunde zu neun Gewaltvorfällen gekommen, darunter aber auch Vorgänge wie leichtes Schubsen oder Stoßen. "Oft ist die Vorstellung, was einen Gewaltvorfall ausmacht, schlimmer als es die Wirklichkeit hergibt", schreibt der DFB in einer Meldung und führt weiter aus: "Für eine Steigerung der Datenqualität des Lagebilds wäre ein Abgleich mit Sportgerichtsentscheidungen wünschenswert." Diese Thematik will der Verband in den kommenden Jahren angehen.

DFB-Vize Zimmermann ging am Montag noch mal auf den tödlichen Vorfall in Frankfurt ein: "Jenseits aller Statistiken müssen wir zunächst festhalten, dass in der zurückliegenden Saison ein Mensch sein Leben verloren hat. Das muss endgültig ein Warnsignal für alle im Fußball sein, gleichgültig welche Rolle man im Sport einnimmt - ob Trainer, Betreuer, Spieler, Zuschauer oder Funktionär." Zimmermann fordert: "Tatsächlich kann überall und jeden Tag etwas Schlimmes geschehen, daher müssen wir alle aufmerksamer und wacher werden und negativen Entwicklungen frühzeitig entgegentreten." Die 21 Landesverbände wollen mit ihren Anlaufstellen für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle zur Präventation beitragen. Hierzu erklärt der DFB: "Wem etwas zustößt, der kann sich hier Beratung oder auch konkrete Hilfe holen. Darüber hinaus gibt es auf Ebene der DFB-Landesverbände etliche weitere Präventionsprojekte."

stw

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