Champions League

Ronaldo 2003 im Old Trafford: Galaktisch gut

Als Ronaldo das Old Trafford begeisterte

Galaktisch gut

Der wohl beste Stürmer seiner Generation: Ronaldo.

Der wohl beste Stürmer seiner Generation: Ronaldo. AFP via Getty Images

Real Madrid schlüpfte wieder ins kleine Schwarze, und Zufall war das nicht. In schwarzen Trikots hatten die Königlichen schon 2000 in Old Trafford gewonnen - und anschließend, zum zweiten Mal in drei Jahren, auch die Champions League. Es war nicht immer das ganz große Spektakel gewesen, doch nach über drei Jahrzehnten Absenz war der größte Klub des 20. Jahrhunderts beständig auf Europas Thron zurückgekehrt. Dann kam Florentino Perez.

Die großen Titel wollte auch der Bauunternehmer gewinnen, allerdings nicht irgendwie. Irgendwie wäre er im Sommer 2000 auch gar nicht zu Reals neuem Oberhaupt gewählt worden. "Wenn ich Präsident werde, wird Luis Figo für Madrid spielen", kündigte er vollmundig an - und handelte zu den gleichen Konditionen einen waghalsigen Vorvertrag mit dem Superstar des FC Barcelona aus. Mit diesem gerissenen Plan kam Perez tatsächlich durch. Und an die Macht.

Bernabeu dient als Vorbild

Perez' eigentlicher Plan war aber ein anderer, der mit Figo erst begonnen hatte. Im Sinne seines legendären Vorgängers Santiago Bernabeu wollte er Real nicht nur zur besten, sondern auch zur berühmtesten Fußballmannschaft der Welt formen. Die Idee von den "Galaktischen" wurde alsbald Realität: Was in den 1950er Jahren Alfredo di Stefano, Ferenc Puskas oder Raymond Kopa symbolisiert hatten, brachten nun Figo, Zinedine Zidane und Ronaldo mit sich, die Jahr für Jahr ihren Weg in die spanische Hauptstadt fanden - und Raul oder Roberto Carlos waren ja schon da.

Für den Traum, die größten Offensiv-Stars der Welt in seiner Mannschaft zu vereinen, ließ Perez nahezu alles, was das Spiel gegen den Ball oder die Kadertiefe betraf, bereitwillig verkümmern. Zunächst ging das gut. In der ersten Saison gewann Real 2001 nach vier Jahren wieder die Meisterschaft, in der zweiten zum dritten Mal binnen fünf Jahren die Champions League. Mit dem besten Spieler der Welt - Zidane - und seinem Siegtor im Finale gegen Leverkusen, von dem Fußballfans noch heute schwärmen. Florentino, du Teufelskerl.

Wenn die Elf von Real Madrid zu ihrem Spiel findet, ist ihr kein Gegner gewachsen.

Der kicker im Frühjahr 2003

Doch Sommer für Sommer kam ein neuer "Galactico", der die Balance der majestätischen Madrilenen immer mehr aus dem Gleichgewicht brachte. Und die Ziele wurden ja nicht demütiger. 2003 wollte Real als erster Klub die Champions League verteidigen - unter Bernabeu hatte man den Europapokal der Landesmeister schließlich fünfmal in Folge gewonnen. Mit einer Mannschaft, in der Zidane, Ronaldo, Figo und Raul stürmten, schien nichts unmöglich zu sein.

Real Madrid

Real Madrid im Jahr 2002: Luis Figo, Ronaldo und Zinedine Zidane zwischen ihren Vorgängern Raymond Kopa (li.) und Alfredo di Stefano. AFP via Getty Images

Auf dem Weg ins Viertelfinale hatten Trainer Vicente del Bosque und sein glitzerndes Gefolge vor 20 Jahren den deutschen Meister Borussia Dortmund, Carlo Ancelottis AC Mailand und im Hinspiel Sir Alex Fergusons Manchester United nicht nur geschlagen, sondern phasenweise vorgeführt. Fußball von einem anderen Stern. Perez saß in seiner Loge und grinste.

"Manchester machtlos gegen die königliche Galavorstellung" schrieb der kicker, "wenn die Elf von Real Madrid zu ihrem Spiel findet, ist ihr kein Gegner gewachsen". Das war aber nur die halbe Wahrheit. "Sie gewinnen derzeit auch bei dürftigen Auftritten", hieß es in anderen Ausgaben dieser Wochen, speziell Weltmeister Ronaldo, damals 26, "enttäuschte einmal mehr". Die Mannschaft der magischen Momente hatte die Stabilität verloren, die sie bei ihrer Auferstehung wenige Jahre zuvor noch ausgezeichnet hatte.

Real gegen United 2003

Und so wackelten die Galaktischen, mit einem 3:1-Vorsprung im Rücken, zunächst auch in Old Trafford. Einzig Claude Makelelé, der noch als defensiv denkender Gegenpol geblieben war, stemmte sich beherzt dagegen - ehe dieser unwiderstehlichen Show-Mannschaft wieder mal ein einziger Angriff genügte. Zidane leitete elegant weiter zu "Ersatz-Galactico" Guti, nach dessen herrlichem Steilpass Ronaldo Uniteds Torhüter Fabien Barthez im kurzen Eck überraschte. Qualität, die man kaufen kann. Wenn man denn bereit ist, den Preis dafür zu zahlen.

Auch Manchester hatte gute Spieler, wirklich gute Spieler. Aber keine Galacticos. Sie schossen Tore, bekamen jedoch "Zauberer Zidane" (kicker) nicht in den Griff, während Ronaldo zum 2:1 einschob, mit einem fulminanten Fernschuss den Dreierpack schnürte und Real damit eine Runde weiter schoss - auch wenn David Beckham United das Rückspiel noch 4:3 gewinnen sollte. In der 67. Minute nahm del Bosque Ronaldo vom Platz. Und das Old Trafford konnte nicht anders, als diesem Ausnahmekönner Applaus zu spenden.

Ronaldo im Old Trafford

Applaus für den Bezwinger der eigenen Mannschaft: Ronaldos Auswechslung im Old Trafford 2003. Mark Leech/Offside

Doch eines hatten die Fans der Red Devils vielleicht übersehen, und da steckte der Teufel im Detail. Selbst in Ronaldos Torjubel war die Explosivität vergangener Tage einer gewissen Behäbigkeit gewichen, die nicht nur mit seinen schweren Verletzungen zusammenhing. Den WM-Titel, seinen größten, hatte der Brasilianer im zurückliegenden Sommer errungen, mehrmaliger Weltfußballer war er auch schon. Genauso grätschte Figo keinem Gegenspieler mehr hinterher wie noch ein Jahr zuvor, als er - wie Zidane - endlich mal den Henkelpott gewinnen konnte. Pflicht erfüllt, jetzt die Kür.

Perez lernt aus seinen Fehlern nicht

Die "Galacticos" waren ab 2002 eine Ansammlung von Superstars, die niemandem mehr etwas beweisen mussten. Die schon zu diesem Zeitpunkt kaum mal mehr alle gleichzeitig fit oder in Form waren, in deren Rücken gelernte Mittelfeld- und Flügelspieler so etwas wie eine Viererkette bilden sollten. Es gab noch Abende wie den von Manchester, da spielten sie einfach galaktisch gut. Doch Perez' Hochglanz-Gebilde bröckelte langsam, aber sicher das Fundament weg.

Schon im Halbfinale gegen das ausgeglichenere Juventus Turin ging das dann nicht mehr gut - wegen all der Symptome, die sich längst angedeutet hatten. Auch Baumeister Perez hätte sie frühzeitig erkennen können. Doch der jagte mit Makelelé lieber seinen letzten Balancespieler vom Hof und kaufte sich mit Beckham den nächsten Galactico.

Niklas Baumgart

13 verschiedene Klubs, zwei deutsche: Alle Champions-League-Sieger seit 1993