Europa League

Endstation London: Eine Lehrstunde für den SC Freiburg

Ein schwieriger Weg zurück nach Europa

Endstation London: Eine Lehrstunde für den SC Freiburg

Enttäuschte Freiburger: West Ham United im Achtelfinal-Rückspiel der Europa League eine Nummer zu groß für den Sport-Club.

Enttäuschte Freiburger: West Ham United im Achtelfinal-Rückspiel der Europa League eine Nummer zu groß für den Sport-Club. IMAGO/Crystal Pix

Aus London berichtet Moritz Kreilinger

Die Stimmung in englischen Fußballstadion ist für den an die Bundesliga gewöhnten Fan erstmal ungewöhnlich. Der Support ist viel stärker von einzelnen Spielsituationen abhängig. Passiert auf dem Rasen gerade nichts Spannendes, ist es auch mal für Minuten nicht lauter als sonntags in der Kirche. Doch es gibt diese Gänsehautmomente, in denen das ganze Stadion mitgeht und eine beeindruckende akustische Wucht entwickelt wird. Bei West Ham United ist das schon vor dem Spiel erstmals der Fall, wenn die Vereinshymne angestimmt wird: "I'm forever blowing bubbles" - dazu passend steigen traditionell Seifenblasen in die Luft.

Der SC Freiburg konnte den dafür am Spielfeldrand stehenden Maschinen am Donnerstagabend wohl nicht viel abgewinnen. Der Traum vom Viertelfinale in der Europa League löste sich mit jeder geplatzten Seifenblase weiter in Luft auf. Denn bei jedem Tor stiegen unzählige Blasen in die Luft. Und Tore gab es nicht zu wenig. Das Endergebnis von 0:5 wirkt angesichts der recht ausgeglichenen Spielanteile auf den ersten Blick etwas hoch ausgefallen. Ausgeglichen war das Spiel aber nur in den am Ende irrelevanten Bereichen. In den entscheidenden Momenten zeigte sich im London Stadium ein echter Klassenunterschied.

Heute war West Ham eine Nummer zu groß.

Matthias Ginter nach dem 0:5 in London

"Heute war West Ham eine Nummer zu groß. Es war von vorne bis hinten nicht viel drin", musste Matthias Ginter konsterniert feststellen "Wir haben im Hinspiel einen extrem hohen Aufwand getrieben, um ein Tor zu schießen, um 1:0 zu gewinnen. Sie waren heute sehr effizient, mussten nicht allzu hohen Aufwand betreiben, um Tore zu schießen. Wir waren ohne Chance, etwas dagegenzusetzen."

Nach dem 1:0-Erfolg im Hinspiel war der Glaube in Freiburg gewachsen, dem wirtschaftlich übermächtigen Klub aus der Premiere League Paroli bieten zu können. Doch am Ende erteilte das individuell auf fast jeder Position besser besetzte Team den Breisgauern eine Lehrstunde. Es waren keine krassen individuellen Fehler der Elf von Christian Streich. Es war nur einfach von allem etwas zu wenig. Die Engländer nutzten gnadenlos aus, dass sie in nahezu jeder Situation den einen Meter und die eine Sekunde mehr bekamen als noch im Hinspiel.

Verhältnismäßig dankbares Restprogramm in der Bundesliga

Zehn Spiele absolvierte der Sport-Club in dieser Saison in der Europa League, sechs wurden gewonnen, drei gingen verloren - alle gegen West Ham, das schon in der Gruppenphase Gegner war. Somit ist wie schon in der Vorsaison das Achtelfinale die Endstation, damals gegen Juventus Turin. Mit etwas Abstand, wenn die erste Enttäuschung verflogen ist, wird man das beim SC als das betrachten, was es ist: ein riesiger Erfolg. In den Spielen gegen Lens und im Hinspiel gegen West Ham zeigten die Freiburger zwar, dass sie gereift sind und an ihren internationalen Aufgaben wachsen können, doch unterm Strich ist die jetzt noch im Wettbewerb verbliebene Konkurrenz übermächtig: Liverpool, Milan, Rom, Benfica ... Man muss es so ehrlich sagen: In diesem Kreis hat der Sport-Club nichts verloren.

Die Enttäuschung muss jetzt ganz schnell abgeschüttelt werden. Am Sonntag (15.30 Uhr) gastiert Tabellenführer Bayer Leverkusen in Freiburg. Es ist neben dem Spiel gegen Leipzig Anfang April der einzige echte Top-Gegner in den verbleibenden neun Bundesligaspielen. Freiburg hat ein verhältnismäßig dankbares Restprogramm und spielt sonst nur noch gegen Mannschaften, die in der Tabelle schlechter stehen: Darmstadt, Mainz, Köln, Union, Wolfsburg, Gladbach und Heidenheim. Um in der nächsten Saison erneut durch Europa reisen zu dürfen, muss ein erfolgreicher Schlussspurt her. Denn das internationale Geschäft könnte über die Bundesliga so schwer zu erreichen sein, wie lange nicht.

Freiburg mit Rückstand auf die internationalen Plätze

Falls Kaiserslautern, Saarbrücken oder Düsseldorf und eben nicht Bayer Leverkusen den DFB-Pokal gewinnen sollte, ginge der Europa-League-Startplatz aus dem Pokal erstmals seit Jahren nicht an die Liga. Auch die Hoffnungen auf den erstmals möglichen fünften Startplatz in der Champions League schwinden. Im Rennen um eines der beiden Tickets, das die UEFA an die beiden besten Verbände der laufenden Spielzeit vergibt, ist das Freiburger Aus gegen West Ham ein herber Rückschlag. Unterm Strich könnte das bedeuten: Nur Rang fünf reicht am Ende für die Europa League - da ist Leipzig schon 13 Punkte entfernt. Rang sechs qualifiziert dann für die Conference League - da hat Eintracht Frankfurt schon sieben Zähler Vorsprung. Der SC Freiburg ist gefordert.

Womöglich muss sich der Verein aber zeitnah mit deutlich tiefgreifenderen Themen beschäftigen. Christian Streich kündigte an, sich kommende Woche zu seiner persönlichen Zukunft äußern zu werden. Sollte der 58-Jährige nach über zwölf Jahren als Cheftrainer einen Schlussstrich ziehen, würden sicher mehr Freiburger Tränen rollen als am Donnerstagabend in London.

"Freiburger Traum geplatzt wie Seifenblasen"

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