Man muss die Standortbestimmung Supercup und Bayerns heftige Niederlage nicht überhöhen. Vor einem Jahr siegten die Münchner mit 5:3 in Leipzig, fegten anschließend zum Bundesligastart mit 6:1 über Eintracht Frankfurt hinweg, und kaum jemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, was für eine fatale Entwicklung die Saison nehmen würde. Insofern sind Panik und Untergangsszenarien verfrüht.
Ein heftiger Warnschuss sollte die höchste Heimniederlage seit einem 0:3 gegen Mönchengladbach im Oktober 2018 dennoch sein. Die Münchner fielen sechs Tage vor dem Bundesligastart bei Werder Bremen (Freitag, 20.30 Uhr, LIVE! bei kicker) in alte, über den Sommer abgestellt geglaubte Muster zurück. Das Selbstverständnis eines Champions strahlen sie auf dem Platz schon länger nicht mehr aus.
Nach wie vor fangen sich die Münchner viel zu einfache Gegentore, ist das individuelle Defensivverhalten in den entscheidenden Szenen mangelhaft bis ungenügend. Schon in der zweiten Minute führte am Samstagabend ein Ballverlust Joshua Kimmichs zur ersten Leipziger Chance. Im Anschluss an die erste Standardsituation pennte die Defensive keine 60 Sekunden später bei einem zweiten Ball, 0:1.
Es dürfte Tels vorerst letzte Startelfchance gewesen sein
Beim zweiten Tor, zweifelsfrei genial von Dani Olmo gemacht, ließ dieser Matthjis de Ligt und Konrad Laimer wie Schulbuben stehen, beide wechselte Tuchel zur Halbzeit aus. Auch Benjamin Pavard traf der Bannstrahl des Trainers. Der Franzose wirkte, als sei er in Gedanken schon weg aus München und bei Manchester United, das um ihn wirbt. Der dritte Gegentreffer war die Folge eines unglücklichen Handspiels des ansonsten guten Noussair Mazraoui. Auch diese Szene roch nach Fortsetzung, bereits in der vergangenen Saison hatten die Münchner eine zweistellige Zahl an Elfmetern gegen sich verursacht.
In der Offensive betrieben die Münchner Chancenwucher. Mathys Tel durfte als zentrale Spitze beginnen und vergab nach dem frühen 0:1 zwei dicke Chancen zum Ausgleich. Es dürfte die vorerst letzte Startelfchance für den jungen Franzosen gewesen sein, Tuchel verteilte in der Pressekonferenz eine Startelfgarantie für den frenetisch bei seiner Einwechslung gefeierten Harry Kane, beginnend mit dem Spiel in Bremen.
Der tags zuvor verpflichtete Engländer konnte als Joker wenig überraschend noch keine Impulse setzen. Insgesamt offenbarten die Münchner viele Missverständnisse, kam der letzte Ball zu oft nicht, wirkt vieles nicht abgestimmt. Den Chancenwucher soll Kane schon in Bremen beheben. Die Schwächen in der Defensive bleiben einstweilen Tuchels größte Baustelle. Auch nach einer kompletten Vorbereitung.