Champions League

Was Borussia Dortmund bei Lazio Rom alles "desolat" machte

Kehl und Favre schlagen Alarm

Dortmunds lange Mängelliste: "Sonst drohen sehr harte Wochen"

Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl richtete nach dem "desolaten" Auftritt bei Lazio Rom eine "eindrückliche Mahnung" an die BVB-Profis.

Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl richtete nach dem "desolaten" Auftritt bei Lazio Rom eine "eindrückliche Mahnung" an die BVB-Profis. picture alliance

Es war schon fast Mitternacht, genauer 23.41 Uhr, als die Ordner am Römer Olympiastadion kurz vor ihrem Feierabend noch einmal Haltung annahmen. Ein knallgelber SUV der italienischer Nobelmarke Lamborghini kam auf sie zugebraust. Und natürlich wussten sie, wer sich da näherte: Es war Ciro Immobile, der Ex-Dortmunder und heutige Stürmer von Lazio, ihr Idol - und der Matchwinner beim 3:1-Erfolg über seinen früheren Verein zum Auftakt der Champions-League-Gruppenphase.

13 Jahre lang hatten die Fans der Società Sportiva Lazio auf die Rückkehr in die Königsklasse warten müssen. 13 lange Jahre, die nun mit einem Sieg über den BVB endeten - dank Immobile, der ein Tor und eine Vorlage beisteuerte. "Grande, Ciro, grande!", riefen ihm die Ordner durch das geöffnete Autofenster zu, als der 30-Jährige ihren Posten im Schritttempo passierte. Dann trat er aufs Gas und entschwand in der römischen Nacht.

Sechs Minuten später kroch auch der Tross des BVB aus den Katakomben des Olympiastadions empor - vorne Polizei, hinten Polizei, dazwischen zwei Mannschaftsbusse voll enttäuschter Borussen. Noch am Tag zuvor hatte Abwehrchef Mats Hummels seine Mitspieler vor den Qualitäten Immobiles gewarnt - auch wenn der Italiener die in seinem Dortmunder Jahr nie wirklich gezeigt hatte. Doch die Warnung verpuffte. Nach sechs Minuten bereits hatte Immobile seinen Ex-Klub in Rückstand geschossen. Er sei von seinen Mitspielern nie eingeladen worden, hatte sich der Torjäger einst beschwert, als er Dortmund im Groll verließ. An diesem Oktoberabend jedoch konnte er sich über fehlende Einladungen nicht beschweren, so oft ließen ihn die Dortmunder in der ersten Hälfte nahezu unbedrängt aufs Tor schießen.

Favre: "Du musst laufen, du musst kämpfen - sonst kannst du machen, was du willst"

Als "desolat" bezeichnete später Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl den in allen Belangen enttäuschenden Auftritt der Borussen, BVB-Trainer Lucien Favre war keinen Deut weniger empört und wurde für seine Verhältnisse extrem deutlich: "Wir müssen wissen: Es ist ein Kampf, es ist ein Kampf", wiederholte der Schweizer, um dann an die Adresse seiner Spieler zu appellieren: "Du musst laufen, du musst kämpfen - sonst kannst du machen, was du willst."

Die Dortmunder Mängelliste an diesem Abend war lang: Die Borussen spielten schlampige Pässe, verpatzten Ballannahmen, eskortierten ihre Gegner nur im Corona-konformen Sicherheitsabstand anstatt sie zu attackieren. Sie liefen weniger und noch dazu weniger intensiv. Sie vertändelten beste Torchancen und kassierten selbst viel zu leichte, weil vermeidbare Gegentore. Es war ein Versagen auf vielen Ebenen - und eins, das sich durch nahezu alle Mannschafsteile zog. Mit Ausnahme von Stürmer Erling Haaland und Keeper Marwin Hitz, der erneut den Vorzug vor Roman Bürki erhalten hatte, konnte kein Dortmunder Startelfspieler an diesem Tag überzeugen.

Entweder, weil sie leichtfertig Gegentore verschuldeten und eigene Treffer verpassten wie der - um bei Kehls Wortwahl zu bleiben - ganz besonders desolate Thomas Meunier. Oder aber, weil sie überhaupt nicht anwesend zu sein schienen - wie die Offensivkräfte Jadon Sancho und Marco Reus, die Favre zwar nicht explizit erwähnte, aber gemeint haben dürfte, als er sagte: "Wir müssen alle da sein. Wenn ein oder zwei nicht da sind, dann ist es automatisch schwerer. Das war gegen Lazio der Fall."

Reus immerhin stand zu seiner schwachen Leistung und gab nach der Partie unumwunden zu: "Ich habe kein gutes Spiel gemacht - wie die gesamte Mannschaft." Eine Erklärung für die Nicht-Leistung seines Teams, das angesichts der eigenen Chancen gegen eine bei allem Eifer und Willen doch limitierte Römer Mannschaft dennoch hätte punkten können, hatte allerdings auch er nicht parat.

Kehl: "Am Wochenende wird uns ein anderer Fight erwarten"

Viel Zeit zur Analyse und Aufarbeitung allerdings bleibt nicht. Am Samstag steht bereits das Derby gegen Schalke an, am Mittwoch darauf das nächste Champions-League-Spiel gegen Zenit St. Petersburg. "Am Wochenende wird uns ein anderer Fight erwarten. Die Schalker gehen noch mal mit anderen Emotionen in dieses Spiel als Lazio", sagte Kehl am Dienstagabend, bevor er eine eindrückliche Mahnung an die Profis des BVB aussprach: "Wir müssen uns ganz anders präsentieren. Sonst werden die nächsten Wochen sehr hart für uns."

Matthias Dersch

Spieltagsbilder Vorrunde, 1. Spieltag 2020/21