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Golf: 150. British Open in St. Andrews

Vorschau auf das älteste Golfturnier der Welt

Die Magie des "Home of Golf" und Tiger Woods' Chancen: Die 150. British Open in St. Andrews

Der Old Course in St. Andrews an der schottischen Ostküste.

Der Old Course in St. Andrews an der schottischen Ostküste. imago images/CSP_stanfair

Baraka, Präsident der deutschen Berufsgolfer-Vereinigung (PGA of Germany) sagt auch, warum er an einem vierten Triumph von Tiger Woods zweifelt. Der US-Profi gewann die British Open zweimal in St. Andrews (2000 und 2005) und einmal in Liverpool (2006).

"Die Open ist immer ein spezielles Ereignis, weil es das älteste Golfturnier der Welt ist, eines der vier Majors. Man sieht es an den US-Profis, die sich sonst generell schwertun, außerhalb von Amerika abzuschlagen. Bei der Open zuckt keiner. Wer qualifiziert ist, nimmt im Vorfeld das eine oder andere europäische Turnier wie die Scottish Open oder die Irish Open noch zur Vorbereitung mit, weil "The Open" ja ausschließlich auf Links-Plätzen (klassische Dünenplätze, Anm. d. Red.) ausgetragen wird. Das hat Seltenheitswert, auch auf der Tour.

Die Magie des "Home of Golf"

Dazu kommt in diesem Jahr die Magie des "Home of Golf". Sie ist in St. Andrews an jeder Ecke zu spüren, wo es mehrere Golfplätze gibt, nicht nur den Old Course. Die Menschen laufen mit Golftaschen auf dem Rücken durch die Ortschaft. Allein daran sieht man, dass Golf in Schottland ein Volkssport ist. Es gibt mit Sicherheit noch beeindruckendere Kulissen oder vielleicht auch beeindruckendere Golfplätze für die Open. Aber in St. Andrews spürt man, dass hier an der Ostküste über Jahrhunderte Geschichte geschrieben wurde.

Man kennt sich als Golfer aus mit seiner Sportart. Man steht auf Tee 1 , Abschlag 18 oder Grün 17 und weiß, was dort vor zehn, 20, 30, 100 Jahren passiert ist. Welche Profis dort wie gewonnen oder verloren haben. Man denkt zum Beispiel an den enorm langen Putt von Costantino Rocca 1995, den er durch das "Valley of Sin" vor dem 18. Grün gelocht hat (eine "Tal der Sünde" genannte Senke, Anm. d. Red.), um ins Stechen zu kommen, das er gegen John Daly verlor. Oder den Abschlag von Mark Calcavecchia, den er an der 1 links über die 18 ins Aus geschlagen hat. Was eigentlich gar nicht geht.

Berühmt und berüchtigt: Loch 17

Es ist wahnsinnig beeindruckend, hier selbst zu spielen. Die Swilcan Bridge auf dem letzten Loch, ursprünglich vor 700 Jahren im römischen Stil erbaut, ist das bekannteste Motiv im Golfsport. Auch für die Spaziergänger, wenn der Old Course, der mehr oder weniger der Gemeinde gehört, für Golfer in der Regel sonntags gesperrt ist.

Barack Obama grüßt von der berühmten Swilcan Bridge

Barack Obama grüßt von der berühmten Swilcan Bridge. imago/PA Images

Das 17. Loch ist das markanteste. Es ist ein "Dogleg", eine nach rechts abknickende Spielbahn, dann wartet der tiefe "Road Hole Bunker" links vor dem Grün, den man unbedingt vermeiden möchte. Hier möchte ich meinen Abschlag im besten Fall rechts auf dem Fairway platzieren, um einen besseren Winkel beim Schlag ins Grün zu haben. Rechts vom Grün habe ich aber eine Ausgrenze, dahinter eine Mauer, die öfter ins Spiel kommt. Ein wahnsinnig schwieriger Abschlag! Und ein riskanter, wenn ich über das Old Course Hotel oder knapp daran vorbei schlagen will, um den Abschlag rechts auf das Fairway zu platzieren.

Beauty and Beast: der Old Course

Betrachtet man nur die Spielbahnen, ist es ein eher leichter Golfplatz. Die Fairways sind relativ breit. Das ist typisch für die alten Linksplätze: Man spielt neun Loch weg vom Klubhaus und neun Loch zurück. Auch St. Andrews wurde im Laufe der Jahre immer wieder verändert, verlängert, um der Entwicklung des Golfsports ein wenig entgegenzukommen. Die Profis hauen den Ball heute deutlich weiter. Der Platz hat mit 6584 Metern eine Länge, die völlig normal ist für ein Tour-Turnier.

Beim Links-Golf sind zwei Faktoren ganz entscheidend dafür, ob die Ergebnisse gut sind oder eben nicht. Das eine sind Wind und Wetter, was an der Küste jeden Tag anders sein kann. St. Andrews liegt an einer Bucht, da hat man oft den Wind nicht aus der gleichen Richtung, was es für die Spieler auch nicht leichter macht. Das andere ist natürlich das Links-Golf an sich. Fairways und Grüns sind sehr, sehr hart, der Platz ist mit vielen Bunkern ausgestattet. Gerade aus den Fairway-Bunkern kann man sehr oft nicht den nächsten Schlag aufs Grün schlagen. Wenn die Bälle auf einem normalen Golfplatz aufkommen, rollen diese vielleicht noch 20, 30 Meter.

In St. Andrews rollen sie noch 40, 50 Meter, die Fairways sind wahnsinnig onduliert. All das muss man mit einkalkulieren. Du erlebst bei einer Open Schläge, die du bei keinem anderen Turnier siehst. Sie putten teilweise 30, 40 Meter vor dem Grün, sie spielen Annäherungsschläge in erster Linie nicht hoch, weil die Grüns zu hart sind. Wenn man über Bunker muss, muss man eher vorbeispielen. Und dann noch Breaks auf den Fairways und Vorgrüns mit einkalkulieren! Es ist ein völlig anderes Golf, das die Besten in dieser Woche spielen.

Favoriten? 100 von 156 können gewinnen

Grundsätzlich ist es ganz, ganz schwer bei einem Golfturnier, ein, zwei oder drei Favoriten herauszupicken. Von 156 Startern können 100 jedes Turnier gewinnen. Wenn man dennoch von Favoriten sprechen will: Dieses Jahr hat Scottie Scheffler zwei Majors gewonnen. Will Zalatoris ist seit einigen Majors jedes Mal vorne mit dabei. Rory McIlroy ist derzeit gut drauf.

Tiger Woods (li.) und Rory McIlroy

Die Golf-Größen Tiger Woods (li.) und Rory McIlroy auf dem Old Course in St. Andrews. IMAGO/Action Plus

Vor seinem Unfall hätte ich Tiger Woods (erlitt im Februar 2021 bei einem Autounfall schwere Beinverletzungen, Anm. d. Red.) zugetraut, dass er noch einmal ein Major-Turnier gewinnt. Aber an seinen Bewegungen, der Art, wie er läuft, erkennt man, dass er nicht fit ist. Sein Golfschwung ist ein anderer. Sein Sieg würde mich wahnsinnig überraschen.

Kaymer? Er hat die Qualität

Diesmal ist kein deutscher Spieler bei diesem europäischen Saison-Höhepunkt am Start. Insgesamt sehe ich dennoch den deutschen Golfsport heute in einer völlig anderen Situation als vor zehn, 15, 20 Jahren. Erst Bernhard Langer, dann Martin Kaymer, waren überragend, beide Nummer 1 der Welt. Sie haben große Turniere, darunter Majors, gewonnen, wenngleich nie "The Open". Nach ihnen kam wenig bis nichts. Heute haben wir deutlich mehr Spieler, die regelmäßig die Cuts schaffen, sich also für die beiden letzten Runden qualifizieren, die teilweise vorne landen. Aber es fehlen noch die Siege auf der Tour. Mittel- und langfristig haben wir dort jedoch ein gutes Potenzial, das gilt auch für die Damen.

Was Kaymer betrifft, ist es kein Geheimnis, dass er sich seit einer Weile sportlich schwertut und nicht die Ergebnisse liefert, die er sich vorstellt. Gerade bei einem Sportler, der relativ schnell und jung so gut wurde, ist die Erwartungshaltung seitens der Öffentlichkeit enorm. Wir müssen uns nur die Karrieren anderer Spitzenspieler anschauen. Ich kenne keine Laufbahn, die nicht irgendwo über einen gewissen Zeitraum ein Tief hatte.

Ob es Lee Westwood war, ob es Henrik Stenson war, ob es Tiger war, ob es Jordan Spieth ist, ob es McIlroy ist. Es geht nicht, dass man in dieser Sportart über Jahrzehnte in der Weltspitze mitspielt und jedes Jahr Turniere gewinnt. Der Einzige, der es über einen längeren Zeitraum anders gemacht hat war Tiger - aber er war ein unbeschreiblicher Ausnahmesportler. Martin hat die Qualität für einen erneuten Sieg auf einer Tour. Ich habe ihn noch nicht  abgeschrieben."

Kariem Baraka (43) ist Vorsitzender der PGA of Germany, dem Verband der deutschen Berufsgolfer, und Geschäftsführer des GC München-Riedhof. Von 2000 bis 2008 spielte er in den beiden höchsten Turnierserien Europas.

Aufgezeichnet von Jörg Jakob

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