Football

Super Bowl 2023: Die Geschichte von Jordan Mailata

Die besondere Geschichte von Eagles-Tackle Jordan Mailata

Der Super-Bowl-Profi, der mit 20 noch nie Football gespielt hatte

Ein Baum von einem Spieler: Jordan Mailata misst 2,03 Meter und wiegt 166 Kilogramm.

Ein Baum von einem Spieler: Jordan Mailata misst 2,03 Meter und wiegt 166 Kilogramm. IMAGO/Icon Sportswire

Am Montag nach dem Super Bowl hat er als Kind die Schule geschwänzt. "Aber ich habe das Spiel eigentlich gar nicht verstanden, sondern nur wegen der Halbzeitshow geguckt", gestand Jordan Mailata am Montag in einer Medienrunde. Der Super Bowl sei das einzige Football-Spiel im Jahr gewesen, dass er als Jugendlicher geschaut habe. Am Sonntag wird er selbst dort auflaufen.

Mailata ist Australier, 25 Jahre alt, und spielt in der Offensive Line der Philadelphia Eagles, die in der abgelaufenen Saison die mit Abstand beste der NFL war. Und Mailata ist als Left Tackle ihr wichtigster Teil, er beschützt die "Blind Side" von Quarterback Jalen Hurts. Kurz gesagt: Mailata ist einer der besten Spieler auf einer der wichtigsten Positionen im American Football. Und das, obwohl er im Alter von 20 Jahren kaum die Regeln kannte.

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Zu verdanken hat Mailata diesen eigentlich wahnwitzigen Aufstieg einem Video. In Australien spielt der Sohn samoanischer Eltern Rugby in einer U-20-Mannschaft. Auf einem Highlight-Clip erscheint er mit seinen 2,03 Meter und 166 Kilogramm wie ein ausgewachsener Mann, an dem die kleinen Jungs reihenweise abprallen. Nicht nur aufgrund der Statur, sondern vor allem, weil Mailata sich mit diesen Maßen außergewöhnlich geschmeidig bewegt. Perfekt für Rugby, perfekt aber auch für einen Offensive Tackle im American Football.

Irgendwie fällt das Video 2017 den Zuständigen des "NFL International Pathway Program" in die Hände. Das Programm veranstaltet Trainingcamps für talentierte Spieler außerhalb der USA. Oft nutzt das hauptsächlich der Strategie der Liga, den Sport überall auf der Welt bekannter zu machen - und weniger den Spielern selbst. Der Großteil der Talente betritt nie ein NFL-Feld. Zu groß ist der Rückstand, den sie in Sachen Technik und Spielverständnis im Vergleich zu den am US-College ausgebildeten und mit Football aufgewachsenen Athleten haben.

Es ist wie mit verbundenen Augen.

Jordan Mailata über seine ersten Gehversuche im Football

Trotzdem reist Mailata mit 20 in die USA, um am Pathway Program teilzunehmen. "Ich war angepisst", sagt seine ältere Schwester in einer NFL-Dokumentation. "Er hatte ja noch nie einen Football in seinen Händen gehalten."

Und auch Mailata selbst gibt zu, dass der Anfang ihn ziemlich überfordert habe. "Es ist wie mit verbundenen Augen", gesteht er in der Serie "Undiscovered", die ihn und andere Talente damals auf dem Weg zum Draft begleitet. "Mein Wissen über die NFL ist ziemlich begrenzt." Als er gefragt wird, auf welcher Position er spielen möchte, sagt er "Left Tackle" - weil es eine der wenigen ist, die er kennt. Und das auch hauptsächlich, weil er mal den Film "The Blind Side" mit Sandra Bullock gesehen hatte.

Optimale Voraussetzungen - und eine Portion Hingabe

Dass Mailata nun genau auf dieser Position spielt, ist einerseits ein gefundenes Fressen für die nach solchen Geschichten dürstende US-Medienlandschaft - andererseits aber auch alternativlos. Denn seine physischen Voraussetzungen sind nahezu optimal für einen Left Tackle. Bei über 160 Kilogramm hat er einen Körperfettanteil von unter 20 Prozent - und mit 2,03 Meter bewegt er sich, als sei er 1,70 Meter groß. "Ich hatte noch nie einen Spieler, der so aussieht", sagt Akademie-Trainer Jay Butler vor dem Draft. Hinzu kommt Mailatas Arbeitseinstellung. "Ich wollte den Amerikanern beweisen, dass nicht nur sie Football spielen können", sagt er.

Ohne diese Hingabe wäre eine Zukunft in der NFL wohl auch kaum möglich gewesen. "Wenn er aufs College gegangen wäre, wäre er ein Erst- oder Zweitrundenpick" gewesen, findet sein heutiger O-Line-Coach Jeff Stoutland. Aber das ist Mailata eben nicht. Als erst zweiter Spieler der NFL-Geschichte nach dem Deutschen Moritz Böhringer wird Mailata ohne jegliche College-Erfahrung im Draft ausgewählt - aber nicht in der ersten oder zweiten Runde, sondern in der siebten. Der letzten.

Die Philadelphia Eagles, damals amtierender Super-Bowl-Sieger, nehmen das Risiko in Kauf, dass aus Mailata niemals ein NFL-Spieler wird. "Bei manchen Spielern willst du es einfach nicht sehen, dass sie woanders Erfolg haben", erklärt General Manager Howie Roseman den Mailata-Pick später in einem Interview. "Es hätte uns verfolgt, wenn wir ihn nicht bekommen hätten."

Super Bowl LVII

Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt hat Mailata - anders als Böhringer, der zuvor in der deutschen GFL spielte - noch immer kein einziges Down in einem Football-Spiel absolviert. Von Protection Calls und Blocking Schemes hat er keine Ahnung - in einem derart komplexen Spiel ist er eigentlich zum Scheitern verurteilt. "Als ich in meinem ersten Trainingslager das Playbook in die Hand gedrückt bekam, war das für mich wie eine andere Sprache", sagt er 2021 in einem Interview mit dem Franchise-TV.

Dass Mailata direkt eine Hilfe für Philadelphia sein könnte, hatte ohnehin niemand erwartet. Aber das große Experiment steht trotzdem auf wackligen Beinen. In seinen ersten beiden Saisons fällt Mailata oft verletzungsbedingt aus, macht kein einziges Spiel. Es braucht schließlich die Verletzung von Starter Jack Driscoll am ersten Spieltag der Saison 2020, damit er nach knapp zweieinhalb Jahren erstmals das Feld betritt. 

Jordan Mailata

Muss es auch mal mit zwei Gegenspielern aufnehmen: Jordan Mailata (Mitte) gehört aktuell zu den besten Left Tackles der NFL. IMAGO/Icon Sportswire

"Als Jack raus musste, habe ich mich umgedreht und mich gefragt, wer jetzt reinkommt", erzählt Mailata später über die Situation. "Dann wurde mir klar: Oh, das bin ja ich." Drei Wochen später erwischt es auch den etatmäßigen Left Tackle Jason Peters. Mailata, der Mann, dem Football noch mit 20 völlig fremd war, steht nun in der O-Line der Eagles Seite an Seite mit Veteranen wie Jason Kelce oder Lane Johnson, die rund ein Jahrzehnt lang zu den besten auf ihrer Position gehören - und fällt kaum ab.

Die Arbeit an den Feinheiten zahlt sich schließlich aus. Mailata überzeugt als Ersatzmann und gibt den Posten nicht mehr her. Peters, vor seiner Verletzung einer der besten Left Tackles der 2010er-Jahre, kommt nicht mehr an einem australischen Rugby-Spieler vorbei - und der wird mit wachsender Erfahrung immer besser.

In der laufenden Saison ist die O-Line der Eagles die treibende Kraft hinter dem Erfolg. Im Run Game blockt sie große Löcher frei, im Pass Game verschafft sie Quarterback Hurts die nötige Zeit. Im Super Bowl bekommt sie es nun mit der D-Line der Chiefs um Chris Jones und Frank Clark zu tun. Mailata spielt eine wichtige Rolle im größten Spiel eines Sports, den er vor fünf Jahren noch nicht einmal verstanden hat.

Wie es sich für einen Offensive Tackle gehört, denkt er aber eher an seine Teamkollegen. "Ich kann mir nur vorstellen, wie es für sie sein muss", sagte er bei der Opening Night am Montag. "Sie schauen das ja, seit sie klein sind." Und zwar nicht nur wegen der Halbzeitshow.

Michael Bächle

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