Formel 1

Der Rennfahrer, der nie Weltmeister werden wollte

Jochen Mass feiert 70. Geburtstag

Der Rennfahrer, der nie Weltmeister werden wollte

Jubilar: Jochen Mass, hier 1976 im McLaren-Ford in Monaco, wird 70.

Jubilar: Jochen Mass, hier 1976 im McLaren-Ford in Monaco, wird 70. picture alliance

Bald zwei Generationen sind es inzwischen schon, für die die Formel 1 im Fernsehen verbunden ist mit den Namen Heiko Waßer und Christian Danner. Hand aufs Herz: Wer käme spontan auf die Namen ihrer Vorgänger? Der von Waßer war bis 1992 der 2006 verstorbene Willy Knupp - ein Mann mit knarzendem Bass und großem Rennverstand. Der von Danner war Jochen Mass, zu dieser Zeit der neben Graf Berghe von Trips einzige (!) deutsche Grand-Prix-Sieger. Ja, Deutschland hatte bis Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts keinen wirklichen Platz auf der Formel-1-Weltkarte.

Jochen Mass' einziger Sieg datiert aus dem Jahr 1975. Ein Erfolg mit Trauerflor, denn auf dem für Formel-1-Rennen nun wirklich nicht sonderlich geeigneten Weltausstellungsgelände am Montjuich von Barcelona ereignet sich an diesem 27. April eine der großen Katastrophen der Rennsportgeschichte. Sie kommt aufgrund der mangelnden Sicherheitsvorkehrungen mit Ansage, und nach einem Unfall des Kölners Rolf Stommelen zu Beginn der 26. Runde sind unter den Zuschauern fünf Todesopfer zu beklagen. Stommelen kann nichts dafür, ein gebrochener Heckflügel am seinem Hill-Cosworth GH1 macht den Boliden unbeherrschbar. Das unkontrollierte Wrack reißt die schlecht geschützten Zuschauer in den Tod, Stommelen wird schwer verletzt geborgen.

Welch ein trauriger Sieg!

Nach 29 Runden wird das Rennen abgebrochen und der zu diesem Zeitpunkt nach unzähligen Ausfällen führende Jochen Mass (McLaren-Ford) zum Sieger erklärt. Wegen der noch nicht einmal zur Hälfte absolvierten Renndistanz gibt es dafür nur halbe Punkte - welch ein trauriger Sieg! Dabei hätte es neben Mass' Resultat genügend andere geschichtliche Merkmale gegeben, die dieses Rennen für lange in Erinnerung gehalten hätten: die ersten WM-Punkte für die Italienerin Lella Lombardi oder die ersten Führungsrunden für Mass und Stommelen.

Mass: "Die Rennerei war nie mein ein und alles"

Mass ist zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere ein PS-Freak, eine Art Renntier, wie sie zu dieser Zeit durchaus noch anzutreffen sind. Ganz im Gegenteil zeichnet es ihn aus, seinen Sport kritisch zu sehen, die Gefahren zu kennen und ihnen, wenn irgend möglich, aktiv zu begegnen. In einem kicker-Interview räumt er Ende 1991 aus Anlass seines Karriereendes offen ein, dass ihn stets eine innerliche Distanz zu seinem Beruf verbunden hat: "Sie hat mir oft zum Nachteil gereicht. Die Rennerei war aber nie mein ein und alles."

Impressionen aus der Karriere von Jochen Mass

"Als junger Mensch hat mir der Rennsport vor allem Freiheit verschafft"

Der immer ruhig auftretende Mass, der gelegentlich fast ein bisschen Depressivität ausstrahlt, ist deswegen jedoch keineswegs unglücklich mit seiner Laufbahn. Im selben Interview sagt er: "Es waren hervorragende Jahre. Als junger Mensch hat mir der Rennsport vor allem Freiheit verschafft. Nur ich war für mich verantwortlich. In diesem Berufszweig kann man sich trotz des enormen Drucks von außen selbst etwas aufbauen. Karriere zu machen, macht Spaß. Das sind die fantastischen Jahre. Du reist durch die Welt, lernst eine Menge Leute kennen, machst Erfahrungen, die es in anderen Berufen nicht gibt. Ich werde wohl noch mal zehn Jahre brauchen, um endlich zu wissen, was alles der Rennsport mir gegeben hat."

"Ich hasse Personenkult"

Voll konzentriert: Jochen Maas 1980 im Gespräch mit Ford-Teammanager Alan Rees.

Voll konzentriert: Jochen Maas 1980 im Gespräch mit Ford-Teammanager Alan Rees. imago

Mass ist dabei auch zu bescheiden, seine tragende Mercedes-Rolle zum Beginn der Schumacher-Ära herauszustellen. Er aber ist es seinerzeit, der als Senior in der Sportwagen-WM den allein in Fachkreisen schon ein wenig bekannten Michael Schumacher zum Profi ausbildet. Seine Rolle als "Fahrlehrer der Nation" und das später damit verbundene Lob lehnt er stets ab. Zitat: "Ich hasse Personenkult, weil er immer oberflächlich und unberechtigt ist."

"Ich wollte nie Weltmeister werden"

Jackie Stewart, dreimaliger Weltmeister aus Schottland und auch heute noch mit 77 Jahren Formel-1-Stammgast, hält Mass anfangs für einen kommenden Weltmeister. Doch Mass gibt zu, dass "ich innerlich wohl nicht entschlossen genug war. Ich habe das alles als schöne Jahre genossen, konnte den Rennsport aber nie zu einer wirklichen Leidenschaft machen". Sogar noch einen Schritt weiter geht er mit der Anmerkung: "Ich wollte nie Weltmeister werden." Erstaunliche Erkenntnisse. Am 30. September feiert Jochen Richard Mass seinen 70. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

Stefan Bomhard