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Nico Denz: "Drecksarbeit? Ich habe ein coole Aufgabe"

Tour-de-France-Starter im kicker-Interview

Denz: "Drecksarbeit? Ich habe eine coole Aufgabe, die ich liebe"

Will seinen Teammitgliedern als Capitaine de Route bei der Tour de France den Rücken freihalten: Nico Denz.

Will seinen Teammitgliedern als Capitaine de Route bei der Tour de France den Rücken freihalten: Nico Denz. IMAGO/Oryk HAIST

Nico Denz ist der einzige deutsche Fahrer im Tour-de-France-Aufgebot des in der Nähe von Rosenheim beheimateten Rennstalls von Ralph Denk, der bei dem wichtigsten Radrennen der Welt erstmals als Red Bull Bora hansgrohe an den Start gehen wird. Der 30-Jährige aus dem Schwarzwald feiert dabei sein Tour-Debüt - und dies in einer auf dem Papier vermeintlichen Nebenrolle, die in der Praxis aber eine ganz wichtige ist: Er fungiert als Capitaine de Route, was man ganz profan auch so ausdrücken könnte: Er muss die Drecksarbeit für seinen Leader Primoz Roglic verrichten. Der kicker hat sich vor der Tour mit dem Mann unterhalten, der vor einem Jahr zu der deutschen Equipe wechselte und unlängst seinen Vertrag verlängerte.

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Herr Denz, wird Ihr Radsportleben nun endlich komplett?

Das kann man so sehen, denn wegen der Tour de France habe ich als Bub überhaupt erst mit dem Radfahren begonnen. Der Traum, an ihr teilzunehmen, hat mich somit von Kindesbeinen an begleitet und angetrieben.

Welche generelle Erwartungen haben Sie an die Tour?

Alle haben wir immer erzählt, wie speziell und wie groß die Tour im Vergleich zu allen anderen Rennen ist. Jetzt hoffe ich, dass all diese Geschichten wahr sind, und freue mich riesig darauf, bei diesem Mythos dabei sein zu dürfen.

Ihre Teamleitung hat sich bereits im Januar bei der Teampräsentation darauf festgelegt, dass Sie bei der Tour der Bodyguard von Roglic sein werden. Wie wichtig war es für Sie, so früh diese Sicherheit zu haben?

Es war eine schöne Bestätigung dafür, dass meine Leistungen in der vergangenen Saison in Ordnung gewesen sein müssen. Richtig sicher bin ich mir erst jetzt, im Radsport kann bekanntlich in einem halben Jahr sehr viel passieren.

Ist das für Ihre Vorbereitung noch mal eine Extra-Motivation gewesen?

Eigentlich nicht, denn das würde ja bedeuten, dass ich in den vergangenen Jahren in meiner Vorbereitung nicht 100 Prozent gegeben hätte. Wer mich kennt, weiß, dass ich dafür aber nicht der Typ bin. Letztlich habe ich das gemacht, was ich vorher auch gemacht habe, nur jetzt vielleicht mit einer anderen Aufmerksamkeit von der Allgemeinheit.

Ihr Sportdirektor Rolf Aldag hat gesagt, dass bei einigen Fahrern die Gefahr besteht, durch den Trubel bei der Tour blockiert zu werden. Bei Ihnen geht er vom Gegenteil aus. Er behauptet, dass Ihnen jeder Zuschauer mehr am Straßenrand emotional gesehen eher helfen wird. Hat er recht?

Seinem Boss soll man bekanntlich nie widersprechen. Im Ernst: Das trifft auf jeden Fall zu, Rennen vor vielen Zuschauern zu fahren, gefällt mir deutlich besser, als dies vor menschenleeren Straßen zu tun.

Was Sie anscheinend auch mögen, für andere zu malochen und ihnen Windschatten zu geben. Bei dem Begriff Drecksarbeit jedenfalls huscht ein Lächeln über Ihr Gesicht.

Es ist jetzt kein Geheimnis, dass ich mit meiner Figur keine Bergankünfte mitgestalten kann. Das bestätigt mir jeden Tag der Spiegel, deswegen liegt meine Aufgabe eben vor den Bergen, was auch gar nicht schlimm ist. Im Gegenteil, ich finde, dass es eine sehr coole Aufgabe ist, die ich liebe. Primoz, Jai (Hindley, Anm. d. Red.) und Alexander (Vlasov, Anm. d. Red.) vorne abzuliefern, wenn es in den Berg geht, ist genau mein Ding.

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Dieses Vorne-Abliefern bedarf neben einer großen Tempohärte auch das Vermögen, ein Rennen lesen zu können. Haben Sie sich das nach und nach angeeignet, oder bringen Sie das von Haus mit?

Ich denke, es ist von beidem etwas. Ich habe schon früh gemerkt, einen gewissen Renninstinkt zu haben. Und den habe ich im Lauf der Jahre verfeinert.

Mit Blick auf Ihre Fähigkeiten stellt sich die Frage, warum Sie erst jetzt ihr Tour-Debüt geben?

Ich war schon ein paar Mal nah dran, doch das hängt letztlich auch immer davon ab, wie die Strecke bei einer Grand Tour ausschaut und mit welchen Ambitionen das Team eine Landesrundfahrt angeht.

Sie haben im vergangenen Jahr als Edelhelfer beim Giro zwei Etappen gewinnen können. So gesehen werden Sie wohl nicht böse sein, dass Sie 2023 nicht für die Tour nominiert waren.

Hätte mir Anfang 2023 jemand gesagt, du kannst zwischen der Tour-Teilnahme und zwei Etappensiegen beim Giro entscheiden, hätte ich Letzteres gewählt.

Als Capitaine de Route ist auch eine Vorab-Kenntnis der einzelnen Etappen wichtig. Wie fällt Ihr Urteil gleich zu der ersten aus?

Ein superschwerer Start mit extrem vielen Höhenmetern, bei dem du vom ersten Meter an hellwach sein musst. Es ist ein beständiges Auf und Ab mit vielen Engstellen und mit zwei, drei Anstiegen, in denen du definitiv vorne dabei sein musst.

Wie sehr bereitet Ihnen die 9. Etappe mit den 14 Schotterpassagen Kopfzerbrechen?

Große, wie wohl allen. Weil da von einem Sturz bis hin zu einem Defekt viele nicht kalkulierbare Gefahren lauern, liegt gerade diese Etappe allen aufs Gesamtklassement fahrenden Teams im Magen. Ich habe nichts gegen Gravel, überhaupt nicht, aber alles zu seiner Zeit. Auch wenn ich den Veranstalter verstehen kann, der auf noch mehr Spektakel aus ist, könnte ich darauf komplett verzichten. Auch wenn ich das natürlich nicht hoffe, diese Etappe kann zur totalen Lotterie werden.

Ihre Teamleitung hat betont, dass Red Bull Bora hansgrohe in Sachen Toursieg nicht als Underdog antreten wird. Erklären Sie zum Schluss bitte, warum Ihr Team allen voran Pogacar und Vingegaard, aber auch Evenepoel schlagen kann?

Weil unser Leader Primoz ebenfalls ein Ausnahmekönner ist und sich in beeindruckender Verfassung befindet - und weil wir insgesamt ein cooles, starkes Team sind, das auf den Punkt topfit ist.

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