Basketball

Bostons Umbruch der anderen Art - Sixers im Harden-Dilemma - Das größte Mysterium der NBA

Vorschau auf die NBA-Saison - Atlantic Division

Bostons Umbruch der anderen Art - Sixers im Harden-Dilemma - Das größte Mysterium der NBA

Drei Stars aus der Atlantic Division: Ben Simmons (Nets), Jayson Tatum (Celtics) und Joel Embiid (Sixers, v.l.).

Drei Stars aus der Atlantic Division: Ben Simmons (Nets), Jayson Tatum (Celtics) und Joel Embiid (Sixers, v.l.). imago images (3)

DIE FAVORITEN

Boston Celtics (Vorsaison: 57-25)

Einzug in die NBA Finals 2022, im Folgejahr nur ein Sieg von der erneuten Finals-Teilnahme entfernt - auf dem Papier keine schlechten Resultate, und doch entschieden sich die Verantwortlichen in Boston um Teampräsident Brad Stevens dazu, den Kader im Sommer gewaltig umzumodeln. Ganz geklappt hat es mit der 18. Championship der Franchise-Historie eben nicht, genau das ist aber der Anspruch.

Also mussten Marcus Smart - immerhin Emotional Leader, Publikumsliebling und einer der besten Guard-Verteidiger der Liga -, Center Robert Williams III, Forward Grant Williams oder der amtierende Sixth Man of the Year Malcolm Brogdon ihre Koffer packen. Neu mit dabei sind unter anderem Kristaps Porzingis (vorher Wizards) und Jrue Holiday (Bucks), Jaylen Brown bekam zudem eine lukrative Vertragsverlängerung spendiert (fünf Jahre, bis zu 304 Millionen Dollar).

Porzingis kommt aus der besten Saison seiner NBA-Karriere (23,2 Punkte, 8,4 Rebounds bei 49,8 Prozent Wurfquote), der Big Man sollte die Offensive variabler und mit seinen Fähigkeiten als Dreierschütze das Feld für die Celtics-Stars Jayson Tatum und Brown gut breitmachen können. Sein Fit ist daher vielversprechend, der von Holiday als Defensiv-Ass im Backcourt sowieso. Fraglich ist nur, ob der verletzungsanfällige Porzingis sowie der alternde Al Horford (37) gesund durch die Saison kommen. Wenn nicht, könnte es Probleme geben: Die Tiefe der Kelten ist bedenklich.

NBA-Previews 2023/24

Dennoch gehört Boston klar zu den Top-Anwärtern auf den Titel 2024. Der bereits viermalige All-Star Tatum hat sich auch in der Vorsaison weiter verbessert, zum Beispiel beim Playmaking. Belohnt wurde dies mit einer Top-5-Platzierung bei der MVP-Wahl, vielleicht klappt es kommende Saison auch mit Edelmetall. Mit Tatum und den Celtics ist auf jeden Fall zu rechnen.

DIE WILD-CARD

Philadelphia 76ers (Vorsaison: 54-28)

In der Stadt der brüderlichen Liebe wird es in der Saison 2023/24 "ungemütlich", das hat James Harden schon vor Wochen angekündigt. Der MVP von 2018 will die Sixers nach Streitigkeiten mit Teampräsident Daryl Morey, den Harden unlängst als "Lügner" bezeichnete, unbedingt verlassen, idealerweise in Richtung L.A. Clippers. Ein Trade kam bislang aber nicht zustande.

Also verpasste Harden vergangene Woche einige Trainingseinheiten zunächst unentschuldigt, aktuell hält er sich aus "persönlichen Gründen" vom Team fern. Es ist unwahrscheinlich, dass The Beard nochmals mit vollem Einsatz für Philadelphia auflaufen wird. Das wiederum macht es schwer bis unmöglich, Vorhersagen zu den Sixers zu treffen.

Auf dem Papier hat das Team den amtierenden MVP und den neben Nikola Jokic besten Center der Liga, Joel Embiid, in seinen Reihen. Dahinter steht in Person von Tyrese Maxey ein aufstrebender Star für eine größere Rolle bereit, der neue Head Coach Nick Nurse sollte frische Akzente setzen und kann auf einen tiefen Kader mit sinnvollen Neuverpflichtungen (Patrick Beverley, Kelly Oubre Jr.) zurückgreifen.

So könnte Philly auch die Top-Teams im Osten, Boston und Milwaukee, herausfordern - doch es bleibt die Frage, ob Harden nicht doch zu viel Unruhe ins Team bringt. Oder welchen Gegenwert die Sixers letztlich in einem Trade bekommen. Erst nach Beantwortung dieser Fragen ist eine Einschätzung möglich, ob die Sixers ein echter Titelkandidat sind oder doch nur ein Play-off-Anwärter.

DIE PLAY-OFF-KANDIDATEN

New York Knicks (Vorsaison: 47-35)

Die Knicks sind wieder wer, die Stimmung im Madison Squarde Garden wird ihrem Ruf als "Mekka des Basketballs" wieder gerecht. Dafür sorgte in der vergangenen Saison ein Team um den verlässlichen Point Guard Jalen Brunson, das erstmals seit zehn Jahren wieder eine Play-off-Serie für sich entschied. Auf diesem Erfolg soll nun mit einem weitestgehend unveränderten Kader aufgebaut werden.

Einzig Big Man Obi Toppin wurde auf dem Trade-Markt nach Indiana verscherbelt, in Person von Donte DiVincenzo kam dafür ein weiterer ordentlicher Flügelspieler mit Stärken im Playmaking, Shooting und der Defense. Er unterstreicht die ohnehin starke Tiefe im Team von Head Coach Tom Thibodeau, zu der auch der deutsche Big Man Isaiah Hartenstein beiträgt.

Was fehlt? Ein echter Superstar. Da werden die Knicks wohl mit einem Auge die Situation in Philly beobachten, ob Embiid nicht doch irgendwann unglücklich wird und einen Abgang forciert. Sollte dieser Fall eintreten, werden die Knicks mit ihrer beträchtlichen Sammlung an interessanten Spielern und Draft-Picks zur Stelle sein, um per Blockbuster-Trade das Star-Vakuum zu füllen.

Jalen Brunson

Endlich wieder ein starker Point Guard im "Basketball-Mekka": Jalen Brunson. IMAGO/@guelbergoes

DIE AUSSENSEITER

Brooklyn Nets (Vorsaison: 45-37)

Ein wenig Ruhe, das wünschen sich die Nets-Fans wohl am meisten. Die turbulente vergangene Saison ist vorbei, das einstige Superteam Kevin Durant, James Harden und Kyrie Irving in drei unterschiedliche Richtungen aufgespalten. Übrig geblieben sind ein paar interessante Talente, ein potenzieller All-Star in Person von Mikal Bridges und das vielleicht größte Mysterium der NBA.

Das hört auf den Namen Ben Simmons, hat die Saison 2021/22 wegen mentaler Probleme und Rückenbeschwerden komplett ausgesetzt und 2022/23 weit entfernt von seinem vorherigen Niveau agiert. Insbesondere offensiv taucht er viel zu oft ab und verweigert Würfe - die ohnehin nicht seine Stärke sind. Kommt der 27-Jährige zu seiner früheren All-NBA-Form zurück?

Simmons soll in Brooklyn die Rolle des spielmachenden Forwards übernehmen, Bridges ist eine der besten 3-and-D-Waffen der Association und hat auch seine Qualitäten als Nummer-eins-Option unter Beweis gestellt. Brooklyn hat noch mehr fähige Forwards im Kader, mit Nic Claxton einen vielversprechenden Big Man, doch es fehlt ein Top-Star, dem die vorhandenen Rollenspieler zuarbeiten. Für die Nets kann es dennoch um das Play-in-Turnier gehen - das hängt stark von Simmons ab.

Vier Milliarden Dollar, Blockbuster-Trades und die Harden-Frage: Die NBA-Transfers 2023

Toronto Raptors (Vorsaison: 41-41)

Der Frust nach einer enttäuschenden Saison saß in Toronto tief. Intern war die Stimmung zwischen Head Coach Nick Nurse und den Spielern angeblich äußerst mies, Teampräsident Masai Ujiri bemängelte fehlenden Zusammenhalt. "Das waren nicht wir", meinte der Raptors-Boss, der mit einem neuen Coach, neuem Spielmacher und alter Mentalität die Rückkehr in die Play-offs perfekt machen will.

An der Seitenlinie hat Darko Rajakovic den Job des entlassenen Meistertrainers Nurse übernommen, auf der Eins ersetzt Neuzugang und Weltmeister Dennis Schröder den nach Houston abgewanderten Fred VanVleet. Zudem wurde der Vertrag des Wieners Jakob Pöltl verlängert, der Stabilität auf der Center-Position bringen und eine der besseren Defenses der Liga verankern soll.

Doch so ganz eindeutig ist die eingeschlagene Richtung nicht. Pascal Siakam und O.G. Anunoby können Toronto 2024 als Free Agents verlassen - können sie von einem langfristigen Verbleib überzeugt werden oder kommt es im Laufe der Saison doch eher zu einem Trade? Abgesehen vom Tausch Schröder-VanVleet hat sich im Kader nicht viel getan, stattdessen hofft Toronto auf den neuen Impuls von der Seitenlinie, um eine bessere Saison zu spielen. Und auf die Entwicklung von Youngster Scottie Barnes. Die Probleme beim Shooting und der Kadertiefe sind aber geblieben - gut möglich, dass die Kanadier erneut stagnieren und wieder nicht mehr als das Play-in-Turnier drin ist.

Philipp Jakob