Bundesliga

Weltmeister und Frankfurter Idol: Schlitzohr Bernd Hölzenbein wird 75

Elfmeter im WM-Finale 1974 und ein Tor im Sitzen

Bernd Hölzenbein: Das ewige Schlitzohr wird 75

Frankfurts Legende Bernd Hölzenbein feiert am heutigen Dienstag seinen 75. Geburtstag.

Frankfurts Legende Bernd Hölzenbein feiert am heutigen Dienstag seinen 75. Geburtstag. imago images

Aufwändig feiern mochte Bernd Hölzenbein besondere Geburtstage auch in Zeiten ohne Corona nie. Das sei doch "nur Stress". Insofern wird also alles beim Alten sein, wenn die Eintracht-Legende an diesem Dienstag ihr 75. Lebensjahr vollendet.

André Silva jagt Hölzenbeins Saisonrekord

In den Schlagzeilen stand Hölzenbeins Name zuletzt aber wieder häufiger - aus sportlichen Gründen. 26-mal traf er in der Saison 1976/77 für die Eintracht. Nach wie vor interner Bestwert, den André Silva nun 44 Jahre später überbieten könnte. Doch die 160 Bundesliga-Tore, die "Holz" zwischen 1967 und 1981 für Frankfurt markierte, bleiben auf unabsehbare Zeit einsame Spitze. Trotz solcher Zahlen spielte der gebürtige Hesse in der öffentlichen Wahrnehmung nie die allererste Geige.

Sportlich stets ein wenig im Schatten des Spielmachers Jürgen Grabowski, als Typ zurückhaltend. Zwar beerbte Hölzenbein Grabowski als Spielführer, gewann mit der Eintracht in dieser Rolle 1980 den UEFA-Cup. Aber "vom Wesen", erinnert sich sein damaliger Teamkollege Horst Ehrmantraut, "war Bernd eigentlich kein Kapitän. Er hat eher sein persönliches Ding gemacht. Den Ton gaben andere an wie Bernd Nickel oder Werner Lorant".

Vom Wesen war Bernd eigentlich kein Kapitän. Er hat eher sein persönliches Ding gemacht. Den Ton gaben andere an wie Bernd Nickel oder Werner Lorant.

Horst Ehrmantraut

Eine Leitfigur, analysiert Fußballlehrer Ehrmantraut, war Hölzenbein dennoch: "Schon dadurch, wie er immer umsetzte, was er sich vorgenommen hatte. Bernd hat Großes geleistet." Ganz ähnlich empfand es Mitspieler Ronny Borchers, der heute sagt: "'Holz' hatte die Akzeptanz von allen. Und er hat auf seine Art geführt - nicht zuletzt, indem er ganz oft entscheidende Tore gemacht hat."

Elfmeter im WM-Finale und ein Tor im Sitzen

Die Szene, die Hölzenbein auf ewig einen Platz in den Geschichtsbüchern sichert, war aber gar kein Treffer. Jedenfalls keiner im landläufigen Sinn. Im WM-Finale 1974 ging er Angreifer nach einer Grätsche des Niederländers Wim Jansen nach 26 Minuten im Strafraum zu Boden. Schiedsrichter Jack Taylor pfiff Straf-stoß, Paul Breitner verwandelte zum 1:1. Am Ende standen ein 2:1-Erfolg und der zweite Weltmeistertitel für Gastgeber Deutschland. Die Frage Foul oder Schwalbe wird bis heute heiß diskutiert. Hölzenbein antwortet seit jeher gerne so: "Auf jeden Fall war es ein Elfer."

Bernd Hölzenbein als Frankfurter Offensivspieler Anfang der 1970er Jahre.

Bernd Hölzenbein als Frankfurter Offensivspieler Anfang der 1970er Jahre. imago images

Auch dieses Bonmot passt zum zweiten Vornamen, den er seit jenem 7. Juli vor knapp 47 Jahren nicht mehr los wird: "Schlitzohr". Untermauert vom vielleicht kuriosesten Tor der deutschen Europacup-Historie am 7. November 1979. Gegen Dinamo Bukarest schien die Eintracht schon ausgeschieden, als der rumänische Keeper Constantin Stefan eine harmlose Flanke aus den Händen gleiten ließ. Hölzenbein war ausgerutscht und ein paar Meter entfernt auf dem Hosenboden gelandet. Dass der Ball dann just in seine Richtung flog - Zufall. Die Geistesgegenwart, mit der Hölzenbein reagierte, um die Kugel im Sitzen per Kopf über die Linie zu bugsieren, aber war charakteristisch. Das 2:0 brachte die Verlängerung und den Grundstein zum Titelgewinn.

Handlungsschnelligkeit und Köpfchen bewies Hölzenbein auch als Eintracht-Macher. Einen der größten Coups leitete er gar schon als Spieler ein. Nach der Schmach von Cordoba, dem 2:3 gegen Österreich bei der WM 1978 in Argentinien, flog die deutsche Mannschaft in derselben Maschine zurück wie ihre Besieger. Dabei, so Hölzenbein im kicker, habe er Bruno Pezzey "einfach mal angesprochen, ob er nicht nach Frankfurt kommt - es hat geklappt".

Als Eintracht-Manager 1992 an der Meisterschaft vorbeigeschrammt

Gut zehn Jahre später startete Hölzenbeins Ära als Vizepräsident und Manager. Er stellte die Mannschaft zusammen, die den legendären "Fußball 2000" zelebrierte, 1992 haarscharf die Meisterschaft verpasste. In seine Verantwortung fiel aber auch der Abstieg 1996, wenig später trat das Idol frustriert zurück. Noch empfindlicher traf ihn der Steuerprozess um Handgeldzahlungen für Anthony Yeboah. Hölzenbein hatte Verträge gutgläubig unterschrieben, wurde zu sieben Monaten auf Bewährung sowie 300 Sozialstunden verurteilt. Die leistete er als Jugendtrainer der SSG Gravenbruch ab: "Das hat auch Spaß gemacht." Mit seiner Eintracht wie auch mit sich ist Hölzenbein im Reinen. Die Frage, welcher Wunsch im Leben unerfüllt geblieben sei, beschied er bereits zum 60. Geburtstag so: "Keiner."

Thiemo Müller