Bundesliga

Bianca Rech: "Fast keine Delle in der Frauen-Bundesliga"

Seit diesem Sommer Nachfolgerin von Karin Danner

Bayern-Chefin Rech im Interview: "Es wird fast keine Delle in der Liga geben"

Seit diesem Jahr Abteilungsleiterin Frauenfußball beim FC Bayern München: Bianca Rech.

Seit diesem Jahr Abteilungsleiterin Frauenfußball beim FC Bayern München: Bianca Rech. IMAGO/Sports Press Photo

Früher spielte sie beim SC 07 Bad Neuenahr, beim 1. FFC Frankfurt und auch beim FC Bayern. 20 Länderspiele sind in ihrer Vita verzeichnet. Im September 2016 kehrte Bianca Rech zum FC Bayern zurück, als Teammanagerin der Frauenmannschaft. 2019 wurde sie Sportdirektorin und übernahm in diesem Jahr die Leitung der Frauenfußball-Abteilung von Karin Danner.

Frau Rech, Sie waren bei der WM vor Ort. Wie war's in Australien?

Von dem Land war ich sehr fasziniert. Ich habe dort einige Spiele gesehen und finde, dass die Entwicklung sehr spannend ist.

Inwiefern?

Ich war auch bei der WM in Frankreich vor vier Jahren vor Ort. Die Spielstile haben sich verändert. Vor einigen Jahren hieß es, wir brauchen physisch starke Spielerinnen, die schnell sind und Lücken reißen können. Jetzt geht es mehr darum, dass die Spielerinnen taktisch sehr gut ausgebildet und flexibel sind. Es werden Spielerinnen gebraucht, die technisch stark sind und sich aus Situationen lösen können. Hier ist durchaus eine Veränderung zu erkennen. Mehr denn je kommt es auf die perfekte Mischung in einer Mannschaft an.

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Was haben Sie noch mitgenommen?

Es war eine tolle WM. Ich bin froh, dass ich die Euphorie vor Ort miterleben durfte. Da sieht man, wie viel so ein Land wie Australien in diese WM investiert hat, und auch, wie weit die einzelnen Verbände sind und dass sie bereit sind, den Frauenfußball zu pushen. In Australien ist Fußball ja gar nicht so populär, sondern eher Rugby und Cricket, aber es war fantastisch zu sehen, wie die Australier ihre Mannschaft unterstützt haben.

Haben Sie auch ein Spiel der deutschen Mannschaft gesehen?

Ja, gegen Südkorea.

Was haben Sie auf der Tribüne gedacht?

Ich war wie alle sehr enttäuscht und konnte das frühe Ausscheiden nicht glauben. Das deutsche Team hat in meinen Augen mit zu wenig Ideen und Flexibilität gespielt.

Das ist schon ein Ausrufezeichen, dass die Begeisterung ungebrochen ist.

Bianca Rech

Welchen Eindruck haben die Spielerinnen gemacht, als sie von der WM zurückgekommen sind?

Sie waren natürlich sehr enttäuscht. Aber jetzt freuen sie sich auf den Saisonstart. Im Sport musst du aus Rückschlägen deine Lehren ziehen und dann nach vorne schauen. Die Motivation, wieder eine starke Saison zu spielen, ist groß.

Welche Auswirkungen kann das schwache deutsche Abschneiden bei der WM auf die Bundesliga haben? Gibt es eine große oder eine kleine Delle?

Ich glaube, dass es fast keine Delle in der Liga geben wird, und bin überzeugt, dass die Entwicklung stetig so weitergeht wie in den vergangenen zwei, drei Jahren. Wir sehen auch den Fortschritt in der Liga, beispielsweise mit den Highlight-Spielen, die wir in der vergangenen Saison hatten. Wir haben viel Neues und Nachhaltiges erzeugt. Dazu kommen viele internationale Spielerinnen in die Bundesliga. Manche Herausforderungen bleiben natürlich bestehen: Wir müssen noch sichtbarer werden. Auch die Medien müssen das Thema weiter pushen. Das ist ganz wichtig.

Es steckt so viel Potenzial im Frauenfußball, dass die aus deutscher Sicht enttäuschende WM glaube ich nicht zum Problem für uns wird. Die Leute freuen sich auf die Bundesliga. Es werden weiterhin mehr Gelder in den Frauenfußball investiert, auch vonseiten der Lizenzvereine. Das Rad dreht sich weiter, davon bin ich überzeugt. Wir hatten neulich in Mietingen ein Freundschaftsspiel gegen Hoffenheim (2:2), zu diesem Spiel sind mehr als 2000 Zuschauer gekommen. Das ist schon ein Ausrufezeichen, dass die Begeisterung ungebrochen ist.

Also spielt die Nationalmannschaft in dieser Entwicklung gar nicht so eine wichtige Rolle, obwohl sie in Deutschland der Auslöser der Euphorie war?

Die Einschaltquoten bei der WM waren ja auch nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft noch richtig gut. Das zeugt vom generell hohen Interesse am Frauenfußball. Der Sport entwickelt sich. Das Spiel ist schneller und attraktiver geworden. Frauenfußball zu belächeln ist längst nicht mehr zeitgemäß.

Wir sprechen von der Attraktivität der Liga - und der Deutsche Meister kann maximal vor 2500 Zuschauern spielen. Passt der Bayern Campus noch zur Liga?

Wir stehen hier natürlich vor Herausforderungen, wenn die größeren Gegner nach München kommen. Da stoßen wir schnell an Kapazitätsgrenzen. Die Lösung heißt aber auch nicht, dauerhaft in der Allianz-Arena spielen zu wollen. Diese fasst 75.000 Zuschauer, und der Spielbetrieb dort ist mit hohen Kosten verbunden. Wir wollen und werden einen Schritt nach dem anderen machen. Wenn große Gegner kommen, diskutieren wir natürlich über einen Umzug. Alle Champions-League-Spiele nach der Gruppenphase werden auch in der Allianz-Arena stattfinden. Und wir werden jetzt auch zum ersten Mal ein Bundesligaspiel in der Arena austragen: am 14. Oktober gegen Eintracht Frankfurt.

Welche Lösungen gibt es für die Zukunft?

Möglicherweise ein Ausbau des Campus. Wir denken auch über alternative Spielstätten in der Stadt nach. Es ist kein einfaches Thema, welches kurzfristig zu lösen ist. Die Thematik begleitet uns und wir diskutieren weiter über zukünftige Optionen.

Spitzenspiele wie gegen den VfL Wolfsburg mit TV-Übertragung vor 2500 Zuschauern sind eigentlich nicht mehr stimmig. Richtig?

Hinzu kommt, dass wir eine Stehtribüne bei Weitem nicht auslasten dürfen. Das ist nur schwer zu vermitteln und kommt bei den Fans nicht gut an, obwohl es natürlich Gründe gibt. Klar gibt es Diskussionsbedarf, davor verschließen wir nicht die Augen, vor allem angesichts der rasanten und anhaltenden Entwicklung im vergangenen Jahr.

Simone Laudehr hat kürzlich im kicker-Gespräch angeregt, dass die Frauen an die Säbener Straße ziehen sollten. In England trainieren Männer- und Frauenteams auch oft auf demselben Gelände. Was gibt es aus Ihrer Sicht dazu zu sagen?

In England trainieren die Teams doch auch nicht zusammen oder laufen sich dort permanent über den Weg. Und glauben Sie mir: Die Strukturen, die wir hier am FC Bayern Campus vorfinden, gehören zu den besten in Europa. Wir haben alles, was wir brauchen - und diese Bedingungen würden wir in der Form an der Säbener Straße aktuell nicht vorfinden.

Wie schwierig ist es zu verhandeln, wenn man in der Arena spielen möchte?

Wir treffen diese Entscheidung immer gemeinsam. Die Reaktionen waren nach unserem ersten Spiel gegen Paris Saint-Germain im Frühjahr 2022 sehr gut. Alle im ganzen Verein waren begeistert. Die Stimmung war toll. Das erleichtert vieles, nur generell muss eben auch alles immer passen, es muss Sinn machen. Da sind sich alle einig.

Natürlich bekommen wir dadurch auch mehr Aufmerksamkeit, auch im Bereich Sponsoring.

Bianca Rech

Sie haben mit Magdalena Eriksson und Pernille Harder vom FC Chelsea zwei internationale Top-Spielerinnen verpflichtet. Erleichtert das auch vieles?

Natürlich. Wir haben immer gesagt, dass wir uns Stück für Stück weiterentwickeln müssen. Und es braucht irgendwann auch mal diesen Schritt, damit wir uns auch sportlich mehr entwickeln können. Beide bringen viel Erfahrung mit und haben lange auf höchstem Niveau gespielt. Das sind zwei gestandene Persönlichkeiten, die uns sehr weiterhelfen - auf und neben dem Platz. Natürlich bekommen wir dadurch auch mehr Aufmerksamkeit, auch im Bereich Sponsoring. Da sehen wir Potenzial, das uns in jeglicher Entwicklung vorantreibt und bei Investitionen hilft.

Wie haben Sie es geschafft, dieses Duo, das garantiert keinen Mangel an Angeboten hatte, vom FC Bayern zu überzeugen?

Wir waren schon relativ lange in Kontakt. Unser Trainer Alexander Straus und ich haben uns mit den beiden getroffen und unser Projekt FC Bayern vorgestellt. Wo sehen wir uns? Wo soll die Reise hingehen? Was macht uns aus? Und warum wir glauben, dass Magdalena und Pernille uns weiterbringen. Beide waren schnell begeistert. Sie waren einige Jahre bei Chelsea, haben noch mal eine Herausforderung gesucht, wo sie etwas mitgestalten können. Es war schnell klar, dass sie zu uns kommen wollen.

Die Verpflichtung steht also schon länger fest.

Ja. Wir hatten die beiden schon lange im Auge und haben im Sommer 2022 angefangen, unsere Fühler auszustrecken.

Wie wichtig war die wirtschaftliche Seite bei diesen Transfers?

Es ist eine finanzielle Entwicklung, die grundsätzlich auf dem Markt zu beobachten ist. Auch wir mussten diesen Schritt gehen, um auch schon unseren bisherigen Kader zu finanzieren. Gewisse Schritte sind unerlässlich, um international mithalten zu können. Das ist nicht einfach, weil der Markt sich so rasant entwickelt.

Schon der Weg in die CL-Gruppenphase ist schwer genug.

Bianca Rech

Eriksson ist Innenverteidigerin. Ihre Rolle dürfte klar sein. Harder kann in der Spitze spielen oder auch dahinter. Wo ist Harder eingeplant?

Wenn man unseren Trainer kennt, weiß man, dass Positionen nicht fix im System sind. Wir werden im Offensivbereich viel rotieren können und haben eine große Flexibilität. Wir werden uns taktisch weiter verändern, können noch offensiver auftreten.

Also muss sich Lea Schüller keine Gedanken machen?

Wir haben einen großen und konkurrenzfähigen Kader, und das bedeutet auch Konkurrenzkampf auf den einzelnen Positionen. Auf der anderen Seite sind wir froh, Belastungen besser einteilen zu können. Nach dieser WM erwartet uns wieder eine intensive Saison mit vielen Spielen.

Wo soll die Reise des FC Bayern denn hingehen in der neuen Saison?

Bei dieser Frage muss ich immer schmunzeln. Wir sind beim FC Bayern, sind Deutscher Meister geworden. Natürlich wollen wir wieder Deutscher Meister werden und auch endlich mal wieder ins DFB-Pokalfinale einziehen. Das ist ein großes Ziel. In der Champions League möchten wir weiterkommen als in der vergangenen Saison. Aber das wollen viele (lacht). Es ist so eng beieinander. Immer wieder entscheiden Kleinigkeiten in den großen Spielen. Schon der Weg in die Gruppenphase ist schwer genug. Ich bin sehr froh, dass wir uns durch den Gewinn der Meisterschaft bereits fest für die Gruppenphase qualifiziert haben.

Ist es trotzdem möglich, dass nach Frankfurt 2015 mal wieder ein deutscher Klub die Champions League gewinnt?

Ja.

Es wird schwierig, aber mittelfristig wollen wir auch die Champions League gewinnen.

Bianca Rech

Und das wäre im besten Fall der FC Bayern?

Das würde ich mir wünschen (lacht). Es wird schwierig, aber mittelfristig wollen wir auch die Champions League gewinnen.

Gibt es da einen abgesteckten Zeitraum?

Nein. Aber wir haben uns in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Der Kern der Mannschaft ist zusammengeblieben, und wir wollen weiterhin Kontinuität schaffen.

Sie haben im vergangenen Jahr mit Alexander Straus einen Trainer verpflichtet, den keiner kannte, der keine Bundesliga-Erfahrung hatte und der kein Deutsch spricht. Trotzdem hat es funktioniert. War die Verpflichtung ein großes Risiko?

Die Frage habe ich schon öfter gestellt bekommen. Meine Erfahrungswerte, mein Bauchgefühl plus das, was ich über ihn im Vorfeld erfahren hatte, haben mich davon überzeugt, dass er der Richtige ist bzw. sein kann. Es gab einen intensiven Auswahlprozess im Vorfeld. Ich habe die Verpflichtung nicht als Risiko gesehen. Das wurde eher von außen hereingetragen. Ich finde es wichtig, offen für Neues zu sein.

Was zeichnet Alexander Straus aus?

Er ist ein Trainer, der sehr empathisch ist und viel kommuniziert. Seine Menschlichkeit zeichnet ihn aus. Er hat bereits sehr viele unterschiedliche Positionen im Coaching-Bereich bekleidet und einen großen Erfahrungsschatz.

Ab der neuen Saison wird es auch Montagsspiele geben. Gehört das zum Fortschritt dazu?

Ich finde schon. Klar ist das aus Sicht der Fans schwierig, wenn man zu einem Spiel anreisen will. Aber es ist wichtig, dass wir die Professionalität fördern. Dazu gehört, dass Spielerinnen bei ihren Vereinen auch unter professionellen Bedingungen angestellt sind und sich nicht noch für einen Montagabend vom eigentlichen Arbeitgeber freinehmen müssen. Mit den Montagsspielen bekommen wir noch mehr Sichtbarkeit. Auf einen Versuch kommt es an.

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