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EM 2024 | Dänemark-Analyse: Achtung vor hohen Ballgewinnen

Eriksen und Höjbjerg formstark, Höjlund formschwach

Achtung vor hohen Ballgewinnen: Dänemark in der Spielanalyse

Auf Pierre-Emile Höjbjerg (3. v. li.) und Christian Eriksen (re.) kommt bei Dänemark viel an.

Auf Pierre-Emile Höjbjerg (3. v. li.) und Christian Eriksen (re.) kommt bei Dänemark viel an. IMAGO/Ulmer/Teamfoto

Die Form

Man mag es nach der kurios und sieglos verlaufenen Gruppenphase nicht recht glauben: Dänemark kommt mit einer beachtlichen Erfolgssträhne im Gepäck nach Dortmund. 2024 sind die Skandinavier noch ungeschlagen (drei Siege, vier Remis), generell verloren sie nur eines ihrer jüngsten 15 Länderspiele (neun Siege, fünf Remis).

Und in genau diesem, dem 0:2 in der EM-Qualifikation gegen Nordirland, ging es sportlich um gar nichts mehr. Angesichts der drei Unentschieden bei der EM gegen Slowenien, England und Serbien fällt eine abschließende Einordnung trotzdem schwer.

Die Stärken

Was kann Danish Dynamite besonders gut? Zum einen: diszipliniert defensiv umschalten. Die drei Gruppengegner brachten zusammen erst einen einzigen Konter zustande - nur Frankreich und England ließen noch weniger zu (null).

Zum anderen: den Ball in hoher Zone gewinnen. In der EM-Qualifikation verzeichnete keine Nation so viele Pressingsequenzen (200) sowie hohe Ballgewinne wie Dänemark (117, also zwölf je Spiel).

Rot markiert: die Abschlussposition von Morten Hjulmand gegen England.

Rot markiert: die Abschlussposition von Morten Hjulmand gegen England. Opta

An dieses Muster knüpft die Elf von Trainer Kasper Hjulmand, dem ehemaligen Mainzer (Juli 2014 bis Februar 2015), bei der EM an. Durchschnittlich erzielen die Dänen ihre Ballgewinne 46 Meter vom eigenen Tor entfernt, also knapp vor der Mittellinie: Höchstwert unter allen Teams.

Haben sie die Kugel erst einmal erobert, lautet das Motto: so schnell wie möglich zum Abschluss kommen. Dänemarks sechs Schüsse nach ebenjenen hohen Ballgewinnen sind die meisten aller Nationen. Genau ein solcher Schuss führte übrigens gegen England zum Erfolg: Linksverteidiger Victor Kristiansen fing einen Pass von Harry Kane ab, legte sofort zum (gegen Deutschland gesperrten) Morten Hjulmand. Per Fernschuss und unter Mithilfe des Pfostens stand es 1:1.

Die Schlüsselspieler

Hauptverantwortlich für die Rubrik Ballklau: Pierre-Emile Höjbjerg. Nur der Spanier Fabian Ruiz (sieben) erzielte in der Gruppenphase mehr Ballgewinne im Angriffsdrittel als der ehemalige Münchner (fünf). Bei Tottenham Hotspur verlebte der 28-Jährige eine unbefriedigende Saison, kam fast immer von der Bank.

Balljagen ist eine von Pierre-Emile Höjbjergs Spezialdisziplinen.

Balljagen ist eine von Pierre-Emile Höjbjergs Spezialdisziplinen. Opta

Im Trikot der Nationalelf blüht Höjbjerg aber zurzeit wieder auf. Gerade wegen Morten Hjulmands Gelbsperre wird gegen Deutschland die Hauptverantwortung im Spiel gegen den Ball auf seinen Schultern lasten.

In der Offensive hingegen läuft vieles, wenn nicht gar alles über Christian Eriksen. Die Karriere und noch mehr stand beim 32-Jährigen wegen eines Herzstillstands 2021 auf der Kippe, doch davon ist längst nichts mehr zu spüren. Während viele andere zentrale Mittelfeldspieler im Herbst ihrer Laufbahn tendenziell defensiver agieren, bringt sich Eriksen mehr denn je im Angriffsspiel ein.

Er lieferte in der Gruppenphase die meisten Schussvorlagen aller Spieler (13 inklusive Standards), war an 21 Angriffssequenzen beteiligt. Und nebenbei erzielte er auch eines der bisher erst zwei Tore - nämlich zur Führung gegen Slowenien.

Zehn Torschüsse, vier Torschussvorlagen, sieben weitere Beteiligungen: Christian Eriksen ist in alles eingebunden.

Zehn Torschüsse, vier Torschussvorlagen, sieben weitere Beteiligungen: Christian Eriksen ist in alles eingebunden. Opta

Die Schwächen

Hohe Ballgewinne? Schön und gut. Was die Dänen aber daraus machen, steht auf einem anderen Blatt. Zwar kam Danish Dynamite in der Gruppenphase auf 42 Abschlüsse (also 14 je Spiel), setzte dabei aber offenbar mehr auf Quantität als auf Qualität. Eben nur zwei Tore sprangen dabei heraus, im Schnitt waren die Schüsse der Dänen nur 0,08 Expected Goals wert. Unter diesem Wert lagen nur Albanien (0,07) sowie Schottland und die Slowakei (je 0,06).

Mit 6,9 Prozent weisen die Dänen die drittschwächste Chancenverwertung aller Teams auf, nur Frankreich (6,7) und Belgien (6,1) kamen auf einen niedrigeren Wert. Ein Gesicht dieser Statistik: Rasmus Höjlund. Mit vielen Erwartungen war er in die EM gestartet, schließlich hatte der 21-Jährige eine vielversprechende erste Premier-League-Saison bei Manchester United einschließlich zehn Toren hinter sich.

Denmark's head coach Kasper Hjulmand reacts during the UEFA Euro 2024 Group C football match between Denmark and Serbia at the Munich Football Arena in Munich on June 25, 2024. (Photo by Odd ANDERSEN / AFP) (Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

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Beim Turnier in Deutschland läuft es aber noch überhaupt nicht: Die kicker-Noten 4, 5 und 5 stehen für ihn im Steckbrief, die Auswechslungen folgten in jedem Spiel früher.

Ein weiterer potenzieller Schwachpunkt: Höjbjergs Nebenmann, entweder Thomas Delaney oder Christian Nörgaard, kommt ohne Rhythmus zum Startelf-Einsatz gegen Deutschland. Beiden waren bisher nur Einwechslungen in der Schlussviertelstunde vergönnt.

Viel Zeit zur Eingewöhnung werden sie nicht bekommen. Zwar wurde Dänemark in der Gruppenphase im Spielaufbau messbar so wenig wie kein anderes Team unter Druck gesetzt (im Schnitt 29 Pässe bis zur Defensivaktion). Nun treffen die Skandinavier aber auf das Team, das am frühesten attackiert: Deutschland. Die Nagelsmann-Elf gewährte außerhalb des eigenen Abwehrdrittels seinen Gegnern nur 8,8 Pässe, bis es eingriff.

pab

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