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Elfmeter, Doppelpass und Autogramme: Maradona in Meppen

Als der Goldjunge in Deutschland für Barça debütierte

Elfmeter, Doppelpass und Autogramme: Maradona in Meppen

Umringt von Autogrammjägern: Diego Armando Maradona in Meppen

Umringt von Autogrammjägern: Diego Armando Maradona in Meppen imago images

Der Wechsel war eine Sensation. Auch für den großen FC Barcelona, der damals allerdings nicht so groß war wie heute. Nur einmal war Barça Meister geworden in über zwei Jahrzehnten von 1960 an: in der Saison 1973/74 mit dem großen, genialen Johan Cruyff. Nun aber schwappte über den Atlantik die Rede von einem Wunderknaben, der am Silberfluss Wundertaten vollbrachte. Täglich im Training. Und auch in buchstäblich jedem Spiel seit seinem Debüt im Alter von knapp 16 Jahren im Oktober 1976: Diego Armando Maradona hieß dieser "Goldjunge" mit bürgerlichem Namen.

Meppen statt Buenos Aires oder München

Am 4. August 1982 trat Maradona in Deutschland an. Nicht in München. In Meppen. Mit dem FC Barcelona, der den Superfußballer für umgerechnet damals sagenhafte rund acht Millionen Euro verpflichtet hatte. Nun also Meppen statt Buenos Aires für Maradona.

Jenen Maradona, der Wochen zuvor bei der WM 1982 mit Titelverteidiger Argentinien in der Finalrunde ausgeschieden war nach zwei Niederlagen gegen Italien und Brasilien, Rot gegen Brasilien inklusive. Häme statt WM-Titel, auch in der Heimat. Das Motto war gewesen: "Der Stamm der Weltmeistertruppe von 1978 ist dabei, verstärkt mit dem besten Spieler der Welt. Ergo: Titelverteidigung." Den WM-Pokal holte sich dann aber im Finale Italien durch ein 3:1 über Deutschland.

Und in Deutschland, im Emsland, in Meppen stand plötzlich dieser Maradona auf dem Platz, leibhaftig mit seinen Wuschelhaaren und damals, mit 21 Jahren, auch noch austrainiert. Dennoch durfte sich Maradona beim 5:0 im Testspiel nach der Pause ausruhen, so wie auch der Ex-Gladbacher Allan Simonsen und Klublegende Quini. Mit Bernd Schuster war ein weiterer Superstar gar nicht im Einsatz. "Mit einem gesunden Bernd können wir zum besten Team der Welt werden", hatte sich Maradona zuversichtlich gegeben bei seinem Start bei den Katalanen. Schuster laborierte damals aber an einer langwierigen Knieverletzung, die im Dezember 1981 begonnen und dem Europameister von 1980 auch die WM 1982 in seiner Wahlheimat Spanien gekostet hatte.

Mit einem gesunden Bernd können wir zum besten Team der Welt werden.

Maradona über Bernd Schuster

"Die Belastbarkeit seines Knies würde ich auf 80 Prozent schätzen", wurde Lattek rund um das Meppen-Spiel vom kicker zitiert. Schuster selbst meinte, gefragt auf der Ersatzbank, das "Risiko ist noch zu groß". Mit Blick auf Maradona zeigte sich der "blonde Engel" jedoch zuversichtlich: "Wir hoffen, dass wir so viel wie möglich zusammen gewinnen." Das Trainingslager im niederländischen Papendal, knapp zwei Stunden Autofahrt von Meppen entfernt, hatte Maradona bis dato gut verkraftet. Auch wenn er sagte: "Es war sehr hart." Aber das müsse sein. Bald sollte sich seine Einschätzung zu den Trainingsmethoden ändern.

"Zwei Bier trinken", um dann den Spielern Beine zu mache

Maradona geriet mit Lattek mehr als nur einmal aneinander, warf dem deutschen Trainer vor, früh vor dem Training "zwei Bier zu trinken", um dann den Spielern Beine zu machen. Mit, für Maradona offenbar, gewöhnungsbedürftigen Methoden, wie zum Beispiel dem Einsatz von Medizinbällen. Maradona hat sich darüber in seiner Autobiografie bitterlich beklagt. Auch über das frühe Wecken an Spieltagen.

Latteks Disput mit Maradona: "Zwei Wochen später war ich weg"

Lattek konterte einst gegenüber dem kicker: "Maradona war hartes Arbeiten nicht gewohnt. Als er zu spät zu einer Abfahrt kam, hatte ich zwei Möglichkeiten: Auf ihn warten und vor den Spielern das Gesicht verlieren oder abfahren. Wir fuhren ab, die anderen Spieler klatschten, aber Maradona beschwerte sich bei Präsident Nunez, sagte, mit dem Lattek könne er nicht mehr zusammenarbeiten. Zwei Wochen später war ich weg." Im März 1983, nach zwei Dritteln der Saison, wurde Lattek in der Tat gefeuert.

Das alles war an jenem 4. August 1982 im Meppener Hindenburgstadion aber weit weg. 8000 Karten gingen im Vorverkauf weg, 8000 nochmal an der Abendkasse, die in Wahrheit ein Spätnachmittagskässchen auf einem Holztischchen war. Bestes Fußballwetter, Volksfestcharakter. "Wer ist Maradona?", hieß es auf einem Plakat der Meppen-Fans. 70.000 D-Mark Antrittsgage musste Meppen dann aber doch bezahlen. Inbegriffen die Ehre, dass Neuzugang Maradona im Emsland erstmals überhaupt für Barça ein (Test-)Match spielte.

Per Handelfmeter traf der Heißbegehrte dann in der 13. Minute zum 1:0, auch am 2:0 war Maradona per Doppelpass beteiligt. Nach seiner Auswechslung zur Pause konzentrierte sich das Interesse auf Barças Bank - das der Fotografen und das der Fans. Maradona erfüllte geduldig jeden Autogrammwunsch, vor allem die der der Allerkleinsten.

Für seinen Star hatte Trainer Lattek - zum damaligen Zeitpunkt - nur lobende Worte: "Ich habe selten einen Spieler dieses Formats gesehen, der so nett ist, der sich so viel Mühe gibt, in den Mannschaftskreis hineinzuwachsen. Maradona ist für mich einer der ganz großen Stars. Auch vom menschlichen her." Einen "so sympathischen, angenehmen Jungen wie ihn habe ich selten erlebt".

Meppener "Jahrhundertspiel"

Hermann Eiting, von Beruf Polizist, gab sich in einem Beitrag der ARD vor dem Spiel cool: "Ich bin ganz gelassen, wir haben nichts zu verlieren. Wir hatten eine Vorbereitung wie bei jedem Punktspiel." Am Ende setzte es ein annehmbares 0:5. Lattek: "Die Mannschaft hat Maradona als Chef im Mittelfeld akzeptiert." Meppen hatte zuvor sein Trainingslager in der Kreissportschule Lastrup mit einer positiven Bilanz beendet: Vier Siege waren die Bilanz. "Wir wurden hart rangenommen, aber diese Woche war toll", gab der neue Kapitän Hubert Hüring die Stimmung beim Oberligisten wieder. Ein "Jahrhundertspiel" nannte der Libero die Partie gegen Barça.

Beim folgenden 6:0 über den Verbandsligisten SC Kleve spielte dann statt Maradona Kollege Schuster. Nach mehrmonatiger Verletzungspause ließ Lattek den Deutschen 15 Minuten ran - als Entschädigung quasi für den erkrankten Superstar Maradona, der diesmal im Trainingscamp im niederländischen Papendal mit Fieber im Bett lag. Eine "massive Angina", so Lattek, hatte den damals teuersten Profi der Welt außer Gefecht gesetzt.

Jörg Wolfrum

WM-Held Maradona