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EM 24, DFB: Vorbelasteter Tah will "nichts an Zweikampfführung ändern"

Der DFB-Verteidiger und die Gefahr der Gelben Karte gegen die Schweiz

Vorbelasteter Tah: "Das wird nichts an meiner Zweikampfführung ändern"

Sah im Eröffnungsspiel gegen Schottland die Gelbe Karte: DFB-Stammverteidiger Jonathan Tah (re.).

Sah im Eröffnungsspiel gegen Schottland die Gelbe Karte: DFB-Stammverteidiger Jonathan Tah (re.). IMAGO/Eibner

Es ist noch gar nicht allzu lange, da sah es so aus, als würde Jonathan Tahs Karriere in der Nationalmannschaft austrudeln, ehe sie überhaupt so richtig Fahrt aufnehmen konnte. Bereits im März 2016 hatte der Innenverteidiger von Bayer Leverkusen im DFB-Trikot debütiert und beim 2:3 gegen England 45 Minuten auf dem Feld gestanden, doch bei der EM im folgenden Sommer kam er nicht zum Einsatz. Die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 verpasste er ebenso wie die Corona-EM 2021. Auch nach dem Debakel von Katar im Winter 2022 kam die Nationalelf zunächst ohne Tah aus. Bundestrainer Hansi Flick setzte auf andere Innenverteidiger, nicht aber auf den gebürtigen Hamburger.

Seit Völlers Interimsjob ist Tah nicht mehr wegzudenken

Erst als DFB-Sportdirektor Rudi Völler interimsweise das Zepter übernahm und die deutsche Mannschaft nach Flicks Entlassung im September 2023 gegen Frankreich betreute, war Tah wieder mittendrin: Er spielte beim 2:1-Sieg über 90 Minuten als Rechtsverteidiger - und war fortan nicht mehr aus dem Nationalteam wegzudenken. Daran änderte auch die Amtsübernahme von Julian Nagelsmann nichts. Unter dem 36-Jährigen ist Tah von der rechten Seite in die Innenverteidigung gerückt, dorthin also, wo er sich am wohlsten fühlt und wo er auch in seinem Verein Bayer Leverkusen spielt - auch wenn die Grundordnungen beider Teams auf dem Papier verschieden sind.

Nagelsmann lässt die deutsche Elf in einem 4-2-3-1 antreten, in dem Tah die Rolle des linken Innenverteidigers übernimmt. Leverkusens Coach Xabi Alonso dagegen vertraut in der letzten Reihe auf eine Dreierkette - mit Tah als mittlerem Glied. Da sich im DFB-Team allerdings im Aufbau Toni Kroos ins linke Halbfeld fallen lässt, ist Tah auch dort bei eigenem Ballbesitz oft im Zentrum zu finden, während sein Partner Antonio Rüdiger dann noch ein Stück weiter nach rechts rückt.

Gegen Ungarn war Tah am 1:0 beteiligt

Tah und Rüdiger - diese Paarung hat sich gefunden seit den März-Länderspielen in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1). Auf dem Feld verstehen sie sich ebenso gut wie abseits des Rasens. Es ist eine Kombination, die passt - und die mit ein Grund dafür ist, warum sich die deutsche Elf bei der Heim-EM zu einem Mitfavoriten gemausert hat. Sowohl gegen Schottland (5:1) als auch gegen die Ungarn (2:0) spielte Tah stark. Am vergangenen Mittwoch war er durch eine Balleroberung aktiv am Führungstreffer durch Jamal Musiala beteiligt.

"Toni und ich kommunizieren viel miteinander, auch neben dem Platz. Es tut uns gut, dass wir ein paar Spiele zusammen machen konnten", sagt der Leverkusener über sich und seinen Partner in der Innenverteidigung ebenso unaufgeregt, wie er sonst den Gegenspielern die Bälle wegnimmt.

Die Ruhe, die Tah ausstrahlt, verlor er auch nicht, als es Phasen in seiner Karriere gab, die nicht so rosig liefen wie die vergangenen Monate, in denen er sich mit Leverkusen zum Doublesieger krönen konnte. "Ich habe es immer als Prozess betrachtet, die Rückschläge akzeptiert und hinterfragt, was ich besser machen könnte", sagt er. Jetzt, wo seine Chance gekommen sei, "versuche ich sie zu nutzen". Dazu gehört, natürlich auch im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz auf dem Feld zu stehen - auch wenn er bereits mit einer gelben Karte vorbelastet ist.

Tah beunruhigt die Gelb-Gefahr nicht

"Grundsätzlich weiß ich, dass das Risiko besteht", sagt Tah dazu, dass er bei einer weiteren Verwarnung ein Spiel aussetzen müsste. "Aber das wird nichts an meiner Zweikampfführung ändern. Ich werde in die Zweikämpfe so gehen, wie ich das immer mache." Dass das nicht immer ohne Kollateralschäden über die Bühne geht, beweist indes ein Blick in die Statistik: In seinen 48 Saisonspielen mit Bayer Leverkusen kassierte er insgesamt zehnmal Gelb. Eine Sperre wäre aktuell - neben einer Verletzung - wohl der einzige Grund, warum Tah von Nagelsmann nicht aufstellen würde. Wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht?

Matthias Dersch

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