Aus London berichtet Stephan von Nocks
Ist es für das Team von Xabi Alonso wirklich so einfach, nach diesem historischen Erfolg, der mit einer Jagd nach Superlativen vorzeitig erreicht wurde, direkt in den Wettkampfmodus zurückzukehren? Pusht der nationale Triumph? Oder droht jetzt ein Spannungsabfall und wird der Titel zur Psycho-Falle?
Für Xabi Alonso gibt es nur eine Antwort. "Die Mannschaft hat mir bis jetzt keinen Grund zu geben, an ihnen zu zweifeln. Aufgrund ihres Commitments, aufgrund ihrer Konzentration, aufgrund ihrer Mentalität. Deswegen gibt es keinen Grund, für das Spiel morgen Zweifel zu haben. Ich fühle den Hunger, den Wunsch dieser Spieler. Wir machen weiter, hören nicht auf", erklärt der Trainer im Brustton der Überzeugung.
Auch für Simon Rolfes ist die Antwort auf diese Frage klar, die sich im Klub natürlich stellt. Denn für viele von dessen Mitarbeitern war der Titelgewinn die Erlösung von einem Trauma, das seit 2000 und 2002 bestand, als Bayer 04 insgesamt vier Titel auf der Ziellinie verlor. "Ich bin mir sicher, dass die Mannschaft so weitermacht", ist der Geschäftsführer überzeugt.
Dass der Fokus nach diesem großen Erfolg weniger scharf sein könnte, schließt er auch aufgrund der Erfahrungen aus dem Hinspiel aus. So war vergangene Woche im Vorfeld der West-Ham-Partie das Thema Titelgewinn am Sonntag in der Bundesliga medial und im Umfeld sehr präsent. An der Leverkusener Klarheit in Kopf und Fuß hatte dies aber nichts ändern können.
"Wie wir das Hinspiel gegen West Ham angenommen haben gegen einen tief stehenden Gegner, nicht ungeduldig geworden sind und am Ende mit 33:1 Torschüssen 2:0 gewonnen haben", urteilt Rolfes, "war von der Mentalität her eine absolute Topleistung." Und dass der Titelgewinn an der notwendigen Haltung etwas ändern könnte, sei schon deshalb unwahrscheinlich, weil Bayer 04 praktisch schon lange als Meister feststand.
Und auch die Erfahrungen vom ersten gewonnen Titel-Endspiel am Sonntag mit dem 5:0 gegen Bremen bestärkt den Manager in seiner Ansicht. Insbesondere der Fakt, dass Florian Wirtz, zur Pause eingewechselt, selbst nach seinem zweiten Treffer zum 4:0 und dem ersten leichten Platzsturm nicht genug hatte und auch noch heiß auf das 5:0 war, das er dann in der Schlussminute erzielte. "Man hat ja auch am Sonntag gesehen, dass wir immer weitermachen. Flo wollte ja gar nicht aufhören, Tore zu schießen", erklärt Rolfes, "trotz der Umstände, dass die Fans schon am Spielfeldrand standen."
All dies und die bislang gezeigte Haltung der Mannschaft macht ihn scher: "Einen Spannungsabfall erwarte ich nicht, weil wir immer alle drei Ziele im Blick hatten. Wir haben jetzt eins erreicht, aber die anderen zwei noch nicht." Es spricht Vieles dafür, dass Bayer 04 auch in London sein Ding durchzieht.
In London kann Xabi Alnso nahezu aus dem Vollen schöpfen. Neben dem am Sprunggelenk verletzten Angreifer Adam Hlozek fehlte einzig Mittelstürmer Nummer 3 Borja Iglesias in der Reisegruppe. Der Spanier hat sich verletzt, fällt auch am Sonntag in Dortmund aus, vielleicht sogar länger. Anstelle des 31-Jährigen Spaniers rutsche U-17-Stürmer Ken Izekor ins Aufgebot. Der 16-Jährige hatte Mitte Dezember im unbedeutenden letzten Gruppenspiel gegen Molde FK (5:1) sein Profidebüt gegeben. Jetzt erlebt er ein "echtes" Europapokalspiel im Bayer-Trikot.