kicker

Kluft zwischen City und United? José Mourinhos faszinierende Analyse des Manchester-Derbys

Nur Mourinho erkennt ManUniteds Unterlegenheit nicht an

"Solche Zahlen erwartet man bei ManCity gegen Stockport"

Letztes Level der Stichel-Kunst erreicht? José Mourinho am Sonntag beim Manchester-Derby.

Letztes Level der Stichel-Kunst erreicht? José Mourinho am Sonntag beim Manchester-Derby. imago

Die Welt des José Mourinho ist eine faszinierende Welt. Mitte September war der Trainer von Manchester United mit einem langen Statistik-Zettel zu einer Pressekonferenz erschienen, um seinen Umgang mit Marcus Rashford zu verteidigen. Zwei Monate später sagt er: "Leute, die nichts von Fußball verstehen, analysieren ihn mit Statistiken."

Es ist, als hätte Mourinho nach jahrelangen Mühen endlich das letzte Level, den schwarzen Gürtel der Stichel-Kunst erreicht: Jetzt stichelt er schon gegen sich selbst. Wahlweise Augenbrauen oder Mundwinkel bewegten sich bei den Umstehenden nach oben, als "The Special One" am Sonntagabend seine spektakulär eigenwillige Analyse zum 177. Manchester-Derby präsentierte, zu der auch besagter Satz gehörte.

Als Silva in der zwölften Minute traf, hatte United erst elf Pässe gespielt

City drei, United eins: Was andere für eine Machtdemonstration, den Beleg einer "wachsenden Kluft" (BBC), ein "derby mis-match" (Telegraph) hielten, war für Mourinho ein Spiel, das "über 80 Minuten" offen war und in dem Manchester City "große, große Probleme" bekommen hätte, wenn er nur Marouane Fellaini hätte einwechseln können (was er nicht konnte, weil er von Anfang an spielte).

Egal, ob man vorne oder hinten anfängt: "Große, große Probleme" zeigte bei diesem Spiel nur Mourinhos Mannschaft. Vorne - da war David Silvas Führungstreffer (12.), zu dessen Zeitpunkt ManCity schon 96 erfolgreiche Pässe gespielt hatte, United fünf (von elf). Oder wie es die "Daily Mail" ausdrückte: "Solche Zahlen erwartet man, wenn City im FA Cup gegen Stockport spielt." Und hinten - da vergoldete Ilkay Gündogan eine ununterbrochene Serie von 44 Pässen zum 3:1 (86.). Oder wie es ManUniteds Twitter-Abteilung ausdrückte: "Gündogan trifft für City zum 3:1."

Citys drittes Tor nahm 2,13 Prozent der gesamten Partie in Anspruch

Die BBC rechnete aus, dass das Kurzpass-Kunstwerk der Citizens eine Minute und 55 Sekunden in Anspruch nahm, umgerechnet 2,13 Prozent der gesamten Partie. Und da sagt Mourinho allen Ernstes, er würde nur dann "wahrscheinlich" zustimmen, dass der Endstand dieses Spiel widerspiegelt, "wenn das dritte Tor in einem Moment entstanden wäre, in dem sie dominiert haben". United brachte bis zum Schluss nur einen Schuss aufs Tor zustande: Anthony Martials Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:2 (58.), als Mourinho gerne Fellaini eingewechselt hätte.

Warum er das nicht konnte, war sein eigentlicher Punkt: Paul Pogba, Derbyheld an selber Stelle im April (3:2), hatte unter der Woche beim "superschweren Spiel" in Turin, einer Art "Finale gegen eines der besten Teams Europas", unter Schmerzen gespielt und deshalb am Sonntag gefehlt. Während seine Mannschaft also physisch und mental "ausgetrocknet" gewesen sei, habe City "nice and easy"-Auftritte gegen Southampton (6:1) und Donezk (6:0) in den Knochen gehabt, führte Mourinho an, "zwei Freundschaftsspiele".

Guardiolas Elf spielt um Mourinhos Sechser-Mauer einfach herum

Diese Abschätzigkeit fasst die Lage in Manchester gut zusammen: Seit er und Pep Guardiola in der Stadt sind, hat City die Mächte so weit verschoben, dass es lässige Kantersiege feiert, wo sich United zu einem 0:0 (gegen Valencia) oder einem 3:2 (gegen Newcastle) müht; dass es auch ohne den verletzten Kevin De Bruyne um Mourinhos Sechser-Mauer Herrera/Fellaini/Matic einfach herumspielt; dass es fast beiläufig ein Derby gewinnt, in dem Pep Guardiola "in der ersten Hälfte ein bisschen Angst" bei seiner Mannschaft ausmacht.

Oder um es statistisch auszudrücken: dass es nach zwölf Spieltagen schon wieder zwölf Punkte vor dem Rekordmeister liegt.

jpe