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Seine Werte werden bleiben: Zum Tod von Egidius Braun

"Fußball ist mehr als ein 1:0"

Seine Werte werden bleiben: Zum Tod von Egidius Braun

Verankerte das soziale Engagement beim DFB: Egidius Braun, hier 1997 an seinem Schreibtisch.

Verankerte das soziale Engagement beim DFB: Egidius Braun, hier 1997 an seinem Schreibtisch. imago sportfotodienst

Die Tränen von Egidius Braun gingen 1998 um die Welt. Die Trauer, die Wut, die Fassungslosigkeit über seine Landsleute, die während der WM in Lens den französischen Gendarm Daniel Nivel ins Koma prügelten und ihm schwerste, lebenslange Behinderungen zufügten, trafen ihn, der Zeit seines Lebens für Völkerverständigung und soziales Engagement stand, tief. Der damalige DFB-Präsident wollte sogar die Nationalmannschaft vom Turnier zurückziehen, erst Bundeskanzler Helmut Kohl und sein enger Freund, der UEFA-Präsident Lennart Johansson, konnten ihn davon überzeugen, dass die Gewalttäter dadurch gewonnen hätten.

Die schreckliche Tat bezeichnete er später als "die schwärzeste Stunde meines Lebens" und seiner Funktionärskarriere, die, anders als heute so oft, ohne Skandale verlief. Braun, 1925 in Breinig bei Aachen geboren, baute sich nach seiner Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft eine Existenz mit dem Großhandel von Kartoffeln und anderen Agrarprodukten auf, sein Herz gehörte dem Fußball. In seinem Heimatverein SV Breinig war er Schiedsrichter und später, wie bereits sein Vater vor ihm, Vorsitzender. Über Tätigkeiten beim Fußballkreis Aachen und dem Fußballverband Mittelrhein landete er 1977 als Schatzmeister beim DFB und wurde 1992 dessen Präsident.

Der Menschenfreund Braun konnte auch andere Saiten aufziehen

Zu diesem Zeitpunkt hatte er sein umfassendes soziales Engagement längst in den Verband gebracht. Unter dem Eindruck eines Waisenhausbesuchs während der WM 1986 in Mexiko initiierte er die Mexiko-Hilfe, die bis heute zusammen mit dem Missionswerk "Die Sternsinger" Kindern und Jugendlichen in dem mittelamerikanischen Land hilft. "Fußball ist mehr als ein 1:0", betonte Braun immer wieder, nicht nur in seiner Antrittsrede als Präsident. Heute ist es das Motto seiner mit Ende der Amtszeit 2001 gegründeten Stiftung, die sich, maßgeblich von Brauns Frau Marianne unterstützt, nicht nur in Mexiko engagiert, sondern auch in Osteuropa, Afrika und unter anderem mit Ferienfreizeiten in Deutschland. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen zeugen von Brauns sozialem Einsatz, unter anderem das Bundesverdienstkreuz und die der "Orden del Aguila Azteca", der bedeutendsten mexikanischen Auszeichnung für Nicht-Mexikaner.

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Als "Pater Braun" wurde er dafür von den Medien bezeichnet, einen Spitznamen, den er eher auf sein Bekenntnis zur katholischen Kirche - über viele Jahre spielte er sonntags die Orgel der Walheimer Klosterkirche - bezogen sehen wollte, nicht auf den Charakter des literarischen Vorbilds Pater Brown. Denn der Menschenfreund Braun konnte auch andere Saiten aufziehen. Als Schatzmeister im DFB und bei der UEFA war er ein zäher Verhandlungspartner; ehrlich, mit direkter Ansprache und viel Entscheidungswillen hielt er den DFB intern auf Kurs, auch wenn die Zeit seiner Präsidentschaft bis auf den EM-Titel von 1996 nicht gerade von sportlichem Erfolg geprägt war.

2019 taucht er überraschend beim Showtraining der DFB-Elf auf

Den Kontakt zur Basis verlor er dabei ebenso wenig wie den zum Verband nach Ende seiner Amtszeit: Bei einem Showtraining der Nationalmannschaft in Aachen tauchte er im Sommer 2019 überraschend als Gast auf, die Freude über den Besuch war ihm deutlich anzusehen. Bis zuletzt hielt er auch den Kontakt zu Daniel Nivel und dessen Familie.

"Die Werte, die Sie im DFB verankert haben, sind heute wichtiger und wertvoller als jemals zuvor", würdigte Fritz Keller seinen Vorgänger anlässlich des 95. Geburtstags Ende Februar 2020. Nun starb Egidius Braun mit 97 Jahren. Seine Werte werden bleiben. 

Patrick Kleinmann