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Abt: "Ich habe mir den Respekt erarbeitet"

Am Sonntag wird auf jeden Fall ein Deutscher jubeln

Abt: "Ich habe mir den Respekt erarbeitet"

Kann in seiner Debütsaison gleich den Teamtitel gewinnen: Daniel Abt.

Kann in seiner Debütsaison gleich den Teamtitel gewinnen: Daniel Abt. imago

Techeetah gegen Audi, so ein Duell wäre in der Formel 1 undenkbar. Oder glaubt irgendwer, dass das Schweizer Sauber-Team je vor Mercedes liegen könnte? Techeetah ist ein chinesisches Team, das als einziges keinen eigenen Antrieb einsetzt, sondern diesen von Renault bezieht. Das verwundert nicht sonderlich, denn hinter Techeetah steht die Sportmarketing- und Management-Firma SECA, die wiederum zur chinesischen Kapitalgesellschaft Chinese Media Capital (CMC) gehört. Zu Beginn der dritten Saison hat das Team den Startplatz von Aguri übernommen.

Auf der anderen Seite der deutsche Premium-Hersteller Audi. Die Ingolstädter haben vor dieser Saison das Ticket vom Team Abt übernommen, haben in den Jahren davor ihr technischen Knowhow immer häufiger einfließen lassen. Und haben, nach einigen technischen Problemen daraus resultierender mangelnder Zuverlässigkeit, mittlerweile das schnellste Auto im Feld. In der zweiten Saisonhälfte haben Weltmeister Lucas di Grassi und Daniel Abt am besten gepunktet.

Nicht nur die Teams haben einen völlig unterschiedlichen Hintergrund, auch die beiden Fahrer haben eine völlig andere Vita. André Lotterer hat schon fast alles gefahren, was Räder hat. Der 33-Jährige, in Duisburg geboren und in Belgien aufgewachsen, kann auf ein Formel-1-Rennen (2014 in Spa) zurückblicken. Ansonsten war er mit Audi in der Langstrecken-Weltmeisterschaft sehr erfolgreich. 2012 wurde er Weltmeister, dreimal siegte er bei den 24-Stunden von Le Mans. Was fehlt ist noch ein Sieg bei einem Formel-E-Rennen. Immerhin zweimal hat er es schon aufs Podium geschafft.

"Der fährt ja nur wegen seines Namens"

Daniel Abt dagegen hat auch in den Nachwuchsklassen nie brilliert. Als sein Vater Hans-Jürgen Abt das Projekt Formel E gestartet hat, bekam der Filius wie selbstverständlich ein Cockpit. "Es gab doch einige, die gesagt haben, dass ich es nicht verdient hätte. Die haben gesagt: Der fährt ja nur wegen seines Namens", bekannte er zu Beginn dieser Saison. Dieser Stachel sei ganz schön tief gesessen. "Ganz ehrlich: Die letzten zwei, drei, vier Jahre waren nicht so einfach für mich", sagte der Kemptener weiter. Im März platzte dann mit dem ersten Sieg in Mexiko der Knoten. Und dem ließ er einige Wochen später beim Rennen in Berlin den zweiten Triumph folgen. "Ich glaube", sagt Abt heute, "ich habe mir den Respekt erarbeitet."

"Techeetah arbeitet unglaublich hart und der Teamgeist und die Arbeitsmoral passt gut zu mir", lobt Lotterer, der auch ehrlicherweise zugibt, dass er die Serie am Anfang ein Stück weit unterschätzt habe. Drei Tagen testen haben auch nicht unbedingt zur optimalen Eingewöhnung beigetragen. Dann hat sich Mann mit dem hohen Speed schnell zurechtgefunden: "Natürlich gibt es auch in der Formel E einen Unterschied zu den Teams, die von Herstellern unterstützt werden, aber es war sehr beeindruckend, was wir als Kundenteam erreicht haben."

Abt wächst in die Serie hinein

Der 25 Jahre alte Abt aus Kempten ist nach und nach in die Serie hineingewachsen. Vor den ersten Rennen sei auch er ein wenig skeptisch gewesen, wie sich die neue Serie entwickeln würde, die in den Zentren der großen Metropolen wie Hongkong, Paris, Rom und Berlin unterwegs ist. Aus der Skepsis ist Begeisterung geworden. Auch persönlich. Denn eine ungeheure Beschleunigung hat seine Karriere im vergangenen Herbst erfahren, als er von Audi-Motorsportchef Dieter Gass und Formel-E-Teamchef Allan McNish zum Werksfahrer befördert wurde. "Dieses Vertrauen, speziell von Allan, hat mir zusätzlich noch einen Schub Selbstvertrauen gegeben."

André Lotterer

Auch André Lotterer hat die Chance auf den Teamtitel. imago

Momentan belegt er Platz sechs in der Tabelle. Dabei wäre viel mehr möglich gewesen. Beim zweiten Rennen in Hongkong hatte er die Ziellinie als Erster überquert, war aber disqualifiziert worden, weil der Strichcode eines Teiles nicht mit dem auf dem Fahrzeugschein übereingestimmt hat. Beim Rennen in Punta del Este hat er freiwillig aufgegeben, weil nach dem Fahrzeugwechsel alle vier Gurte nicht richtig geschlossen waren. "Was will man in so einer Situation schon machen? Riskierst du dein Leben oder fährst du rein? Für mich stellt sich die Frage gar nicht", sagte er.

Jubel der Audi-Truppe wäre der ehrlichere Jubel

Ganz anders ist die Denke bei Techeetah. Noch immer sind die Fahrer irritiert, dass das Team Techeetah nach Manipulationen am Gurtsystem beim Sieg von Tabellenführer Jean-Eric Vergne in Santiago de Chile mit einer Geldstrafe davonkamen. Auch dank dieser Punkte kann der Franzose bereits am Samstag Weltmeister und damit Nachfolger von Audi-Pilot di Grassi werden. Einziger Konkurrent um den Titel ist der Brite Sam Bird im Citroen-Team DS Virgin.

Ganz sicher wird am Sonntag im Falle des Titelgewinns sowohl bei Audi als auch bei Techeetah überschwänglich gefeiert werde. Aber der Jubel der Audi-Truppe wäre der ehrlichere Jubel.

Klaus-Eckhard Jost