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Mehrfachstarts im Motorsport - Fernando Alonso & Co.: Stress, was für Stress?

Trend zu Mehrfach-Starts

Alonso & Co.: Stress, was für Stress?

Hat Lust auf Stress: F1-Pilot und Le-Mans-Sieger Fernando Alonso.

Hat Lust auf Stress: F1-Pilot und Le-Mans-Sieger Fernando Alonso. Getty Images

Allein die Tatsache, dass in Le Mans für 60 Autos 180 Starter benötigt werden, sorgt dafür, dass bei diesem Einzelevent gute Fahrer aus allen Ecken der Welt benötigt werden. Die Besten unter ihnen wären genau das nicht, würden sie ausschließlich Langstreckenrennen oder sogar nur allein den Klassiker in Le Mans bestreiten. Im diesjährigen Feld fanden sich deshalb sehr viele Fahrer, die in Deutschland durch ihre Engagements in der DTM, der Formel E, der Formel 1 oder durch ihre derzeitigen Rekordversuche hohen Bekanntheitsgrad genießen.

Den Löwenanteil mit zwölf Fahrern stellte die Formel E. Nicht irgendwelche, sondern unter ihnen die beiden momentan Besten, die letzten Verbliebenen im Titelkampf, der nur eine Woche vor Le Mans in Zürich fortgeführt wurde und am 14./15. Juli in New York entschieden wird. Der Brite Sam Bird musste sich mächtig mühen, um am Ende (nach Disqualifikationen anderer Fahrer) Neunter der GTE-Wertung und 24. im Gesamtklassement zu werden. Eine der Disqualifikationen betraf den Meisterschaftsführenden Jean-Eric Vergne, der damit bittersüße Erfahrungen mit zum Saisonendspurt in New York nimmt. Er selbst fuhr fantastisch, war mit Abstand schnellster Mann in der kleineren Prototypenklasse LMP2, verlor den Klassensieg aber 24 Stunden nach dem Rennen seinen Sieg am grünen Tisch. Sein Team, so stellte sich bei Nachuntersuchungen heraus, hatte sich durch Manipulationen am Tankfüllstutzen unerlaubte Vorteile verschafft und dadurch schneller tanken können als die Konkurrenten. Dennoch hofft Vergne, fahrerisch genug Eigenwerbung betrieben zu haben, „um mit dem neuen Reglement ab 2020 einen Platz bei einem der großen Hersteller zu bekommen“.

Glücklichster im Dutzend der Formel-E-Piloten war der Schweizer Sébastien Buemi. Er teilte sich den Gesamtsieg der 86. Auflage des Klassikers mit dem Japaner Kazuki Nakajima und Formel-1-Star Fernando Alonso. Für Buemi war es "das Ende des Alptraums" mit den Toyota-Rückschlägen der letzten Jahre. Neben Bird, Vergne und Buemi gingen auch die in dieser Saison eingesetzten Formel-E-Piloten José-Maria Lopez, Kamui Kobayashi (beide Gesamt-2.), André Lotterer, Neel Jani (beide 4.), Oliver Turvey, Stéphane Sarrazin, Antonio Felix da Costa, Tom Dillmann und Alex Lynn an den Start.

Alonso: "In Le Mans bleiben mir gerade vier oder fünf Stunden"

Ein klassischer Mehrfachstarter ist inzwischen auch der gefeierte Fernando Alonso. Er ist scharf auf die sogenannte Triple Crown , bestehend aus Monaco-Sieg, Indy-500-Triumph und dem Le-Mans-Gewinn. Monaco und seit dem Wochenende auch Le Mans kann ihm keiner mehr nehmen, in Indianapolis schied er 2017 nach zwischenzeitlicher Führung mit Motorschaden aus. Alonso ist regelrecht vernarrt in Le Mans und den Stress, den dort ein Fahrer aushalten muss: "In der Formel 1 kann ich mich nach einem Grand Prix 14 Tage erholen, in Le Mans bleiben mir nach einem Rennabschnitt mit zwei Grand-Prix-Distanzen am Stück gerade mal vier oder fünf Stunden."

Romain Dumas

Kennt auch die Dakar: Pikes-Peak-Rekordjäger Romain Dumas. Getty Images

Aus der DTM, die zwei Wochen vor Le Mans in Budapest gastierte und acht Tage danach am Nürnberger Norisring aufschlägt, traten zum 24-Stunden-Rennen Augusto Farfus und Philipp Eng (beide BMW) sowie die Audi-Piloten Mike Rockenfeller und Loic Duval (aus demselben Grund disqualifiziert wie Vergne) und Paul Di Resta (Mercedes) an. Rockenfeller genoss in einem Chevrolet Corvette seinen Ausflug nach Frankreich, denn "wenn man als Neunter startet und Fünfter (durch die Rückversetzung des viertplatzierten Ford letztlich Vierter, die Red.) wird im härtesten GTE-Rennen, dann muss man sich nicht schämen". Gar nicht schmeckt ihm allerdings der Saisonverlauf in der DTM: Als Neunter ist er abgeschlagen, "und damit bester Audi-Fahrer zu sein, nutzt mir nichts".

Jetlag und Erkältung: Dumas greift dennoch an

Heftigen Stress in diesen Wochen haben zwei Fahrer, die für einen Start in Le Mans ihre aktuellen Rekordversuche unterbrechen mussten. Romain Dumas klagte nach zwei Amerika-Reisen unmittelbar vor Le Mans über Jetlag-Probleme und eine im Flugzeug zugezogene Erkältung. Dennoch will er unter optimalen Bedingungen am Sonntag den Versuch wagen, neben dem Elektrorekord am Pikes Peak auch die beste jemals erzielte Zeit seines Landsmannes Sébastien Loeb zu attackieren.

Mit jenem Porsche 919 Hybrid, mit dem Timo Bernhard 2017 als Gesamtsieger in Le Mans auf Vorjahresgewinner Romain Dumas folgte, soll noch im Juni eine Rekordfahrt der ganz besonderen Art unternommen werden. In dem für diesen Versuch eigens angepassten Evo-Modell will Bernhard eine Uraltmarke des Motorsports verbessern: die 6:11,13 Minuten von Stefan Bellof auf der Nürburgring-Nordschleife, aufgestellt im Jahr 1983, ebenfalls in einem Porsche. Und damit es nicht zu gemütlich wird für Bernhard, kommen zu den notwendigen Testfahrten, seinen regelmäßigen Starts im ADAC-GT-Masters und dem mit einem technischen Ausfall unglücklich verlaufenen Auftritt in Le Mans noch private Stressmomente hinzu: Ehefrau Katharina erwartet in diesen Tagen zum dritten Mal Nachwuchs. Was sagte Dumas? "Ein echter Rennfahrer für mich ist einer, der sich den unterschiedlichsten Situationen anpassen kann."

Stefan Bomhard